Die etwas andere
Weihnachts – Idylle
Da sitzt eine sehr junge Frau
in einem Stall,
oder in stallmäßiger Höhle
Die Wehen reißen
an ihrem Körper
Die Beine
sind leicht gespreizt
Ziemlich hilflos
steht ein Mann daneben
unerfahren
und mit leeren Händen
ohne Pampers im Gepäck
ohne Badewanne und Warmwasser
Was soll er tun?
Geburt war reine Frauensache
Männer nie dabei gewesen
Weder mit den Augen
noch mit den Ohren
und schon gar nicht
mit Herz, Hirn und Hand
Und die vielen Engel
sind wie die Hirten
allesamt zu spät gekommen
Sie haben ihr GLORIA
auch erst angestimmt
als das Ärgste vorbei war
Keiner hat mitgeholfen
bei der Entbindung
als all das Blut
über die Schamlippen rann
und die jungfräuliche Spalte
sich dehnte und dehnte
und zu zerreißen drohte
Und doch
wenigstens sie
die junge Mutter
war nicht ganz unerfahren
durfte (vielleicht)
trotz ihrer Jugend
dabei sein
bei der Geburt des Johannes
im Hause ihrer Base Elisabeth
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Aber hier
in diesem Loch
wars saukalt
keine Sau war hier
um zu wärmen
kein Schwein um zu helfen
Auch Ochs und Esel
waren nicht angekommen
die romantischen Märchendichter
vom alpenländischem Krippenidyll
waren noch nicht geboren
Ganz allein
mussten die Beiden
zurechtkommen
während sich ein kleines Köpflein
den Weg bahnte
vom Muttermund
bis zur Vagina
und mit Urgewalt
in SEINE Welt
hinaus drängte.
„ER kam in sein Eigentum
aber die SEINEN
nahmen IHN nicht auf“
Wenigstens Maria und Josef
haben ihr Bestes getan
Aber nach wenigen Tagen
mussten sie schon
in ein fremdes Land fliehen
und vielleicht blieb ihnen
nicht mal die Zeit
um in Nazareth vorbeizuschauen
und das Allernötigste
mitzunehmen
© peter hauger
Weihnacht 2oo6