Robert Kuehl

Frohe Weihnachten

 

Ich liebe es, das, was um mich herum ist, aus einigem Abstand zu betrachten - mich zu besinnen. Weihnachten ist stets eine besonders schöne Gelegenheit dazu; Friedlichkeit und Liebe sehe ich als dominierendes Lebensgefühl für diese kurzen Tage. Und so lasse ich auch an diesem Weihnachtsabend meinen Blick schweifen.
Erst ist es nur das Kerzenlicht, dass ihn bannt und in sich hinein zu ziehen scheint. Wohlig warm ist es in mir dabei. Ich begegne dem liebevollen Blick meiner Frau, den strahlenden Augen meiner Kinder, und tauche tiefer ein in dieses schillernde Licht, begegne anderen Augen - den Augen des Kindes zum Beispiel, das in Afrika auf die Mine tritt. Aus seinem kleinen, zerfetzten Körper schreien nur seine Augen zu mir herüber. Es tut so weh, Augen schreien zu sehen.
Ich sehe die Augen des Feuerwehrmannes, der gelangweilt seine Bereitschaft absitzt. Oder die Augen der Krankenschwester, die mitfühlend in die eines Sterbenden blickt und darin Dankbarkeit erkennt. Ich sehe die Augen des jungen Vaters, der überwältigt den ersten Schrei seines Kindes vernimmt, die stille Freude in denen der Mutter und die Zufriedenheit im Blick der Hebamme.
Ich sehe Trauer in den Augen der alten Frau, die allein vor einem Weihnachtsbaum sitzt, der fast schmucklos in einem Blumentopf steckt. Ich sehe Angst in den Augen der jungen Frau, die darauf wartet, dass der Vater ihrer Kinder betrunken aus der Kneipe nach Hause kommt. Oder den Hass in den Augen ebendieses Mannes, den der nur spürt, nicht jedoch wahr nimmt.
Ich sehe die Hoffnungslosigkeit in den Augen des Obdachlosen, der mit seinen Alditüten durch die weihnachtlich geschmückte, helle aber menschenleere Innenstadt schleicht. Ich sehe in die toten Augen eines Junkies... in die gütigen der Soldatin der Heilsarmee... in die misstrauischen einer Hure... in die verzweifelten eines Mannes, der vor ein paar Tagen erst seine große Liebe verlor...
Viele Blicke sind es, die ich erblicke. Alltägliche Blicke. Blicke aber, die mich in mich selbst herein führen wieder zu dem Punkt, an dem ich bin, und der dich erkennen lassen würde, wie meine Augen blicken: dankbar. Ich bin froh und dankbar für das, was ich habe, froh und dankbar für das, was ich bin. Dasselbe wünsche ich mir für dich, für jeden: Ein frohes Weihnachtsfest

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.09.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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