Jedesmal,
wenn ich am Heiligen Abend die Augen meiner Kinder sehe, komme ich nicht umhin,
selbst auch an den Weihnachtsmann zu glauben. Klar, ich bin schon viel zu alt
für solche Geschichten, und auch meine Kinder - zumindest die beiden großen -
glauben nicht mehr an ihn. Jedoch zu Weihnachten… Eine seltsame Macht geht vom
Weihnachtsmann aus. Das Weihnachtsfest an sich stimmt uns Erwachsene friedlich,
festlich. Der Weihnachtsmann macht die "Äktschn" - tagsüber hält er
die Kinder brav, obwohl sie selten so gespannt und aufgeregt sind. Am Abend
zaubert er ihnen ein Leuchtten ins Gesicht - gespannte Erwartung, bis das
Glöckchen klingelt.
Ich
sitze im Wohnzimmer und schaue mich um. Berge von Geschenken - mal wieder viel
zu viel. Der Weihnachtsbaum steht noch etwas düster in der Ecke, aber ich habe
das Feuerzeug schon in der Hand. Die Glocke steht auf dem Tisch, eine CD mit
Weihnachtsliedern steckt im Player. Aufgeregtes Plappern klingt aus dem
Kinderzimmer. Aber kein Duft von Weihnachtsgans umfächelt meine Nase.
Heiligabend gibt's bei uns immer Bockwurst mit Kartoffelsalat.
Ich
genieße diesen ruhigen, besinnlichen Moment jetzt, freue mich schon darauf, daß
meine Frau sich freuen wird und wie meine Kinder jubeln werden. Ich glaube,
diesmal habe ich wirklich an alles gedacht, nichts vergessen - wär' eigentlich
typisch für mich (vor acht Jahren hatte ich sogar den Tannenbaumfuß vergessen).
Mein
Blick schweift noch einmal prüfend durch den Raum, gleitet aus dem Fenster.
"Markt und Straßen steh'n verlassen…" schießt mir durch den Kopf,
"alles sieht so festlich aus…". Hm, stimmt, aus den Fenstern der
gegenüberliegenden Häuser scheint festlicher Lichterglanz zu mir herüber. Kein
Schnee, mal wieder, so wie früher. Und wie ich so blicke, muß ich lächelnd an
den lieben Onkel Karl denken, der vor zwei Jahren bei uns den Weihnachtsmann
"machen" sollte. Ich saß damals genauso wie heute da und sah ihn aus
dem Auto steigen, sah wie er auf mein Fenster zukam. Plötzlich war er weg!
Ausgerutscht in Hundekacke. Der Cognack, den ich bekommen sollte, hatte das
nicht überlebt und Onkel Karl und unsere Geschenke stanken, als wenn er aus der
Kneipe gekommen wäre.
Das
letzte Jahr fällt mir ein, als mein Ältester (er war knapp zehn Jahre alt) den
Weihnachtsbaum allein besorgen wollte. Dieser hatte schon fast alle Nadeln
eingebüßt, bis mein Sohn ihn zu Hause hatte. Und die paar Zweige, die an ihm
waren, standen alle in eine Richtung. "Der tat mir so leid, keiner wollte
ihn kaufen…" Ich hatte fast den ganzen Nachmittag des Heiligabend damit zu
tun, dem Baum mit Hilfe meiner Bohrmaschine und Zweigen vom Wochenmarkt etwas
Form zu geben.
Nun
fällt mir auch das erste gemeinsame Weihnachten ein. Meine Frau und ich waren
noch allein. Ich wollte sie mit einem Vorsteckring überraschen. Bereits im
Oktober hatte ich ihn beim Juwelier gekauft - ich kenn' mich doch! Kurz vor
Weihnachten brachte ich ihn jedoch wieder zurück, um ihn etwas weiten zu
lassen. Pech! Wir haben ihn dann aber einen Tag nach Weihnachten gemeinsam
abgeholt.
Meine
Kochversuche im zweiten Jahr sind sicher auch meiner Frau noch in lebhafter
Erinnerung. Flugente wollte ich "kreiren", stattdessen gab's
mucheligen Rotkohl mit ein paar Scheiben Salami. Das Dessert, Mousse au
Chocolat, haben wir danach aber mit Genuß getrunken.
Tante
Käthes Spekulatius passen in diese kulinarische Schilderung prima hinein. Als
ich das erstemal hineinbiß, dachte ich ernsthaft daran, mit ihnen den Anbau
hochzuziehen.
Oder
Schwiegermutter, die mir jedes Jahr Krawatte und Hemd mit einem Westover schenkt
(davon hat sie wohl 1950 mal einen größeren Posten aufgekauft - wer kennt heute
noch Nyltesthemden); ich habe sie trotzdem sehr lieb.
Ich
denke an das erste Paar selbstgestrickter Wintersocken, daß meine Frau mir
schenkte. Um sie tragen zu können, mußte ich meine Sandalen vom Dachboden
holen.
Und
wie war das früher? In den sechziger Jahren schenkte mein Vater mir eine
elektrische Eisenbahn. Es war fast Silvester, als ich das erstemal damit
spielen durfte. Da bin ich doch heute etwas schlauer: Die neue Autobahn meiner
Jungs teste ich abends schon seit zwei Wochen, da konnte ich heute morgen noch
schnell ein neues Auto besorgen. Und ich werde die Autobahn heute abend nicht
anfassen! Jedenfalls nicht so oft, nur mal zeigen...
Und
die "halben" Geschenke, die ich bekam, fallen mir ein: Ein
Kofferradio ohne Batterien; ein Fotoapparat mit Blitz(!), jedoch ohne Film;
ein Plattenspieler, den ich mir sehr gewünscht hatte, sogar mit der neuen LP
der Bee Gees. Was fehlte, war ein Verstärker.
Weihnachten
kann manchmal doch recht witzig sein. Aber eben erst hinterher. Mal sehen, was
uns dieses Weihnachten bringt. Ich werd' jetzt erstmal die Kerzen anzünden und
nicht den Weihnachtsbaum. Und wenn ich großes Glück habe, fällt er dabei nicht
um - fröhliche Weihnachten!
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Robert Kuehl).
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.09.2005.
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