Andrea Renk

Eine Weihnachtsgeschichte

 

 

 

Es war wieder einmal der Teufel los in der Weihnachtswerkstadt. Es war der 23. 12. und wie immer, noch nichts richtig fertig.

Jedes Jahr das selbe. Jedes Jahr fragten sich die Engel und Hilfsengel aufs neue, wie sie das alles wohl bewältigen sollen.

Aber jedes Jahr, waren sie erschöpft und glücklich, wenn sie es dann doch noch, im letzten Moment geschafft hatten.

 

Die Engel und Hilfsengel trafen sich, wie jedes Jahr acht Tage vor Weihnachten. Hilfsengel, das waren die Elfen, Feen, Wichtel und Zwerge. Einfach alles was nur Geschenke einpacken, laufen, fliegen und ein bisschen zaubern konnte war auf den Beinen.

Die Geschenkeslisten lagen schon bereit und es sah wirklich so aus, als wären es in jedem Jahr wieder mehr Wünsche, die zu erfüllen waren.

Es blieb keine Zeit. Sie mussten alle schnell ans Werk.

Flink wurden die Geschenke eingepackt. Unmengen Geschenkpapier wurden verbraucht. Die Zwerge kamen kaum hinterher neues zu verteilen.
Eine rege Geschwätzigkeit und tuschellei und Vorfreude beherrschte den Himmel. Die vielen Helfer kamen kaum dazu ab und zu eine Pause einzulegen. Aber dafür waren sie auch alle viel zu aufgeregt.

 

Gegen Abend, wenn es unten auf der Erde dunkel wurde,zündeten sie auch im Himmel die Sterne an und arbeiteten dann im Sternenlicht weiter. Die Lichter von der Erde, die, die Menschen an ihren Fenstern hatten, leuchteten bis in den Himmel und verbreiteten eine verheißungsvolle Atmosphäre.

Immer wieder stimmten die Engel und ihre Helfer Weihnachtslieder an. Es machte ihnen allen viel Freunde. Sie halfen sich gegenseitig und erzählten sich die schönsten  und rührendsten Geschichten von vergangenen Weihnachtsfesten.

 

Eines der Engel saß schon eine Weile über einem Geschenk und überlegte wie es dies einpacken sollte. Es war darüber so in Gedanken versunken, dass die anderen sich schon anstießen, tuschelten und kicherten.

Das Engelchen wurde aufmerksam und errötete. Entschuldigt bitte, ich will nicht trödeln oder faulenzen. Aber ich soll Freudentränen einpacken. Und ich überlege schon so lange und mir will keine rechte Verpackung dafür einfallen. Ich bin schon ganz verzweifelt.

Einer der älteren Engel trat auf den kleinen zu und reichte ihm ein Taschentuch.

 „Aber kleiner Engel. Die Freudentränen die kannst du gar nicht verpacken, die kannst du nur austeilen und auffangen. Hier gebe ich dir dies Taschentuch. Dies kannst du einpacken. Aber bedenke, du darfst die Freude nicht vergessen, die den Tränen zuvorkommt.„

 

Der kleine Engel schreckte auf. Die Freude, die den Tränen zuvorkommt? Au Backe. „Ja klar, danke. Natürlich werde ich die nicht vergessen“, stotterte der Engel.

Oh Mann, wo war der Zettel? Der, auf dem die Geschenke draufstanden. Und wo war der andere, der auf dem die Namen standen, für wen die Geschenke waren. Sie waren doch extra zusammengeklebt. Der Engel wurde ganz hektisch.

Nach einer Weile, kam dem Engel die Idee. Wenn er alle anderen Geschenke fertig eingepackt hatte, dann müsste ja das Geschenk noch übrig sein. Und auf der Liste der Namen, wäre dann einer noch nicht abgehakt.

Das Engelchen machte sich wieder erfreut über die Arbeit. Es war froh, dass ihm diese Idee gekommen war.

 

Als sich der Geschenkeeinpackmarathon,  dem Ende zuneigte und die Zwerge schon einen Großteil des Himmels wieder aufgeräumt hatten, saß der kleine Engel immer noch da und packte an seinen letzten Geschenken.

Die anderen sammelten sich schon, klopften ihre Gewänder zurecht und sangen sich ein. Der Engelschor am Heiligen Abend war immer der Höhepunkt von Weihnachten. Alle Engel versammelten sich um die Geburt des Heilandes zu besingen. Und es waren alle, wie immer sehr aufgeregt.

 

Der kleine Engel hatte nun sein letztes Geschenk abgegeben. Er wurde schon sehr angetrieben jetzt. Der letzte Schlitten für den Weihnachtsmann durfte keine Verspätung haben.

Der Weihnachtsmann konnte sehr böse werden, wenn nicht alles rechtzeitig fertig war. Die Menschen sollten sich in Ruhe auf die Ankunft des Herrn freuen können. Da war Unpünktlichkeit einfach undenkbar.


Aber ein Geschenk fehlte. Es war bereits alles aufgeräumt. Es gab keinen Zweifel, das Geschenk, der Zettel, auf dem das Geschenk benannt war und der Zettel mit dem Namen des Beschenkenden. Alles war wie vom Himmelsboden verschluckt.

Die Zwerge hatten extra aufgepasst beim aufräumen und Himmel kehren. Aber es war einfach nicht zu finden. Das einzigste was der kleine Engel in Händen hielt, war das Taschentuch mit dem die Freudentränen aufgetupft werden sollten. Aber das brauchte er jetzt wohl auch nicht mehr.

Wenn das der Weihnachtsmann erfuhr. Dem kleinen Engel war es ganz bange. Er hatte jetzt auch keine Lust mehr den Engelschor zu unterstützen und den Heiland zu begrüßen.  Ein Engel der seine Aufgaben nicht richtig erfüllt hat, hatte auch nicht das Recht in dem himmlischen Chor mitzusingen.

Das Engelchen saß geknickt und traurig in der einen Ecke im Himmel und schaute von oben herab auf die Erde.

 

Alles war festlich geschmückt. Die Menschen saßen mit ihren Familien zusammen oder waren in der Kirche und beteten. Manche Kinder packten schon die Geschenke aus und die Erwachsenen freuten sich an den leuchtenden Augen und freudigen Stimmen ihrer Lieben.

 

Und irgendwo, durch meine Schuld, sitzt nun ein Menschenkind, welches dieses Jahr kein Geschenk bekommt, weil ich es verschlampert habe. Das Engelchen weinte dicke Engelstränen.

Durch die Augenwinkel sah es eine alte Frau, die in ihrem Wohnzimmer saß. Sie saß vor einem kleinen Weihnachtsbäumchen. Eine Grippe mit der heiligen Familie stand liebevoll aufgebaut auf dem Tisch. Eine Kerze verbreitete ihr warmes Licht.

Die Bibel lag aufgeschlagen auf dem Schoß der Frau und es hatte den Anschein, als wäre die alte Frau eingeschlafen.

 

Sie schlief aber nicht. Sie hatte den Kopf zurückgelehnt und gedachte dem Christuskind, welches da war um die Welt zu retten. Sie dachte über ihr Leben nach und so viele gelebte Stunden zogen im Geiste an ihr vorüber.

Ihr wurde bewusst, wie wichtig und wertvoll die Gewissheit war, dass sie, auch wenn sie vermeintlich alleine war, immer jemanden an ihrer Seite hatte, der sie behütete.

 

Der kleine Engel wurde hektisch. Da unten, da unten die alte Frau, die hatte es vergessen. Himmel, es fing an, nervös umherzulaufen. Was mache ich nur, die Frau hat kein Geschenk, weil ich geschlampert habe. Lieber Gott verzeih mir, aber ich kann einfach nicht mitsingen heute. Ich muss mich bei der Frau entschuldigen. Das nächste Jahr, da verspreche ich, dass ich besser aufpasse und mitsingen werde. Aber dieses Jahr..........

Das Engelchen überlegte nicht lange, es flog zur Erde. Ganz vorsichtig, es wollte die alte Frau ja nicht erschrecken, flog es durchs Fenster herein.

In dem Moment drehte die alte Frau ihren Kopf in Richtung des Engelchens und ein Lächeln legte sich über ihr Gesicht.

 

„Weiß ich doch, dass der Herr mich mein leben lang nicht allein gelassen hat. Aber dass er mir nun am heiligen Abend sogar einen Engel schickt, das rührt mich doch sehr.“

Und ein paar Tränen der Freude und der Rührung, liefen der alten Frau über die Wangen. Das Engelchen kam gerade rechtzeitig, um mit dem Taschentuch die Tränen abzutupfen

 

 

Wir wünschen

Frohe Weihnachten und jedem Menschen einen Engel

 

 

a.r. © 22.12.05

 

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.12.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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