Julia Wobken

Wie Amdo Weihnachten nach Afrika brachte

Wie Amdo Weihnachten nach Afrika brachte
 

 
Oft erinnere ich mich an meine Zeit in Afrika. Oft erinnere ich mich an den Spaß, den ich hatte, wenn ich und die Schimpansen mal wieder die Elefanten ärgerten. Doch am besten erinnere ich mich, wie ich meinem besten Freund die größte Freude gemacht habe, die er je hatte. Ich habe ihm ein Weihnachtsfest geschenkt, an das er sich immer erinnern wird. Jedes Weihnachten erzählt er davon. Und ich liege dann neben ihm und höre glücklich zu. „Wenn ich mich erinnere, wie Amdo mir damals gezeigt hat, das Weihnachten auch Weihnachten ist, wen man keinen richtigen Tannenbaum hat, dann wird mir ganz warm ums Herz.“, so fängt er immer an.  
Und Amdo, dass bin ich. Ich habe Joel kennen gelernt, als er noch ein kleiner Junge war, ja ich glaube, er war gerade zwölf. Er war nach Deutschland gekommen um seinen Vater kennen zulernen. Hier in Deutschland hat er sein erstes Weihnachten erlebt und dann musste er zurück nach Afrika. Ich habe mich in sein Gepäck geschlichen, denn ich wollte auch dieses seltsame Land sehen, in dem es die ganze Zeit warm war. Ich wollte wissen, was eine Regenzeit und eine Trockenzeit ist und ob dort wirklich alle Menschen eine dunkle Hautfarbe hatte, so wie Joel.
 Damals war ich noch klein. Einige bezeichneten mich sogar noch als Welpen. Ich passte in jeden kleinen Koffer. Und das Beste war, dass mich niemand entdeckte. Aber als ich dann im Flugzeug saß, hoffte ich, ich wäre doch entdeckt worden. Die Motoren waren so laut, dass ich mir mit den Pfoten die Ohren zuhalten musste. Oft wackelte das Flugzeug und ich dachte schon, dass wir abstürzen. Irgendwann schlief ich ein, und als ich aufwachte, waren wir gelandet. Kein Motorengeräusch, kein Wackeln. Wir waren bereits bei Joel zuhause. Seine Mutter machte ihm gerade ein Fladenbrot. „Warum lässt er mich nicht raus?“, dachte ich, bis mir einfiel, dass er ja gar nicht wusste, dass ich in seinem Koffer saß. Also fing ich an zu bellen. So laut, wie ich konnte. Endlich hörte ich Schritte. „Joel, was ist mit deinem Koffer los?“, sprach eine Männerstimme auf Deutsch. Weitere Schritte. „Warum, was ist denn?“, fragte Joel. „Er bellt.“, antwortete die Stimme. 
„Er bellt?“  
„Ja, los, mach ihn auf.“  
Die Verschlüsse knackten und der Deckel hob sich. Sofort sprang ich aus meinem Gefängnis. „Amdo!“, rief Joel, „was machst du denn hier?“ Ich schüttelte eine Socke von meinem Rücken und sah mich um. Ich war enttäuscht. Die Wände, die Decke und auch der Boden sahen alle aus wie zuhause. Ich entdeckte ein Fenster, sprang auf einen Stuhl und sah hinaus. Was war denn das? In einiger Entfernung zum Fenster stand ein seltsames Tier. Es hatte riesige Ohren, dreimal so groß wie ich. Und eine ganz lange Nase. Erst später erzählte man mir, dass es ein Elefant war. Mehr Zeit zum Ansehen der Landschaft blieb mir nicht. Joel hob mich hoch und brachte mich in einen anderen Raum. Dort gab er mir etwas zu Essen und zu Trinken.  
In der nächsten Zeit lernte ich Joels Heimat immer mehr kennen. Ich gewann Freunde unter den Tieren und lernte, was ein Reservat ist, in dem wir lebten. Ich spielte mit den Affen und Löwenkindern und ärgerte die Elefanten. Doch jede Nacht verbrachte ich bei Joel.  
Eines Tages bemerkte ich, dass er traurig war. Ich wollte ihn gerne fragen, was ihn bedrückte, doch leider verstand er mich nicht. Aber seine ewige Trübseligkeit machte mich auch traurig. Einmal sah ich ihn, wie er auf einen Kalender starrte Und ein anderes Mal blätterte er in einem Buch. Ich kannte das Buch. Es erzählte von Weihnachten. Nun bekam ich langsam eine Ahnung, warum er so traurig war. Ein Blick auf den Kalender, der an der Wand hing bestätigte diese Ahnung nur. Bald war Weihnachten. Hier in Joels Heimat feierte man dieses Fest nicht. Ich hatte gesehen, wie glücklich Joel an Weihnachten war und ich wollte nicht, dass er so traurig war. Dieses Jahr würden wir Weihnachten eben in Afrika feiern. 
Ich suchte sofort meine Freund, die Schimpansen. Sie mussten mir helfen. Heute war der 20. Dezember. Innerhalb von vier Tagen mussten wir ein Weihnachtsfest planen. Die Schimpansen riefen den Rat der Tiere ein. Alle Tiere im Reservat mussten sich vor einem Felsen versammeln.  
Ich war Aufgeregt. Immer mehr Tiere kamen. Ich sah die Antilopen, die ich oft genug nur so zum Spaß gejagt hatte. Dort waren auch die Gnus, denen ich lieber aus dem Weg ging. Sogar die Löwen und Elefanten waren gekommen. Alle waren gekommen. „Was ist, Amdo, warum hast du den Rat zusammengerufen.“, fragte Kezia, eine kleine Löwin, mit der ich oft spielte. Ich holte tief Luft und stieg auf den Felsen. Unter mir unterhielten sich die Erwachsenen. „Ich brauche eure Hilfe.“, sagte ich. Keiner hörte mir zu. Lebo, ein Schimpanse, kam mir zu Hilfe. Er war der frechste im Reservat und so sprang er auf dem Felsen hin und her und schrie: „Hey ihr da unten, Ambo hat euch etwas zu sagen!“ Ich atmete auf. Die Tiere waren ruhig und warteten darauf, dass ich anfing.  
„Ich brauche eure Hilfe.“, rief ich. Ich gewann an Mut.  
„Joel ist traurig, er will Weihnachten feiern, aber niemand will etwas davon hören.“, fuhr ich fort.  
„Und warum brauchst du uns?“  
„Ja, was sollen wir da schon tun.“  
„Wir wissen doch nicht einmal, was ein Weihnachten ist.“  
Immer mehr Tiere meckerten. Es wurde immer lauter und ich war völlig hilflos. Khasi, ein uralter Elefant kam zu mir heraufgestampft und trompetete so laut er konnte. Wieder einmal war alles still. „Lasst den kleinen doch erst einmal erklären. Wir haben beschlossen, dass wir jedem Tier helfen wollen, oder nicht? Nun ist hier eines, das unsere Hilfe braucht und ihr weigert euch. Wie oft hat Joel etwas Gutes für uns getan. War es nicht er, der die Wilderer entdeckt hat? Hören wir uns doch erst einmal an, was Amdo zu sagen hat, bevor wir unsere Hilfe verweigern.“, er wandte sich an mich, „Amdo, wozu brauchst du unsere Hilfe.“  
„Ich will Joel ein Weihnachten schenken. Wir haben nur noch vier Tage um einen Weihnachtsbau zu besorgen, Baumschmuck zu basteln und Plätzchen zu backen. Ich habe das Weihnachtsbuch von Joel hier. Da steht alles drin, was wir wissen müssen.“ 
Die Tiere hatten aufmerksam zugehört. Alle waren still, niemand widersprach meinem Plan, ein Weihnachtsfest für Joel zu machen. Nach den Regeln des Tierrates wurde mein Vorschlag angenommen und ich hatte den Auftrag für die weiteren Vorgänge die Verantwortung zu tragen. Der Tag war beendet. Wir hatten nur noch drei Tage. Ich hatte die Tiere überzeugt, das war mir nun am wichtigsten. Ob wir es schaffen sollten lag nun in den Händen der gesamten Tiere. 
Am nächsten Morgen teilte ich die Gruppen ein. Die Schimpansen, von denen einige sogar lesen konnten, sollten die Plätzchen backen. Die anderen Affen, eine Schlange und ein paar Springmäuse stellten sich bereit den Baumschmuck zu basteln. Die Elefanten waren die einzigen, die mit ihrer Kraft einen Baum fällen konnte, also ging ich nachher mit ihnen los um einen passenden Baum zu finden. Der Rest der Tiere bildete das Ablenkungsmanöver.
 Ich ging von Gruppe zu Gruppe um zu erklären, was sie zu tun hatte. Nachdem ich den Bastlern einige Vorlagen gegeben hatte, gab ich Lebo das Weihnachtsbuch. „Was soll ich damit?“, fragte er. „Da stehen Rezepte drin. Kein Weihnachten ohne richtige Plätzchen.“ , antwortete ich. Lebo schlug das Buch auf. Er konnte lesen und suchte gleich das erste Rezept. „Hm, Was sind denn Liebesperlen? Und was sollen bitte Ausstechformen sein? Wie sollen wir etwas backen, wenn wir noch nicht einmal wissen, was die Zutaten sind.“  
„Beim großen Simba, Lebo, wer ist denn von uns der große Chefkoch? Dann nimmst du halt was da ist. Statt den Liebesperlen kannst du doch Erdnusskerne nehmen. Das ist sowieso viel gesünder. Lass dir doch einfach etwas einfallen. Ich habe keine Zeit. Die Elefanten wollen gleich los um den Baum zu holen. Tut nichts, ehe wir nicht zurück sind.“  
Das sagte ich und ließ mich gleich von Khasi auf seinen Rücken heben. „Sag mal Amdo, wie muss denn so ein Weihnachtsbaum aussehen?“, fragte Khasi nach kurzer Zeit. Er wusste es nicht, aber damit hatte er ein großes Problem angesprochen. Bei uns schmückt man ja bekanntermaßen einen Tannenbaum, aber was tut man, wenn man in Afrika ist, wo keine Tannen wachsen? Khasi ließ mich auf den Boden und ich zeichnete so gut es ging mit meinen Pfoten einen Tannenbaum in den Sand. „So muss einer aussehen. Ich glaube nur, hier gibt es keine richtigen Weihnachtsbäume.“ Nachdenklich kratze sich Khasi am Kopf. „So einen Baum habe ich noch nie gesehen.“, murmelte er.  
Ein kleines Elefanten Junges näherte sich. „Was ist?“, fragte es, „gehen wir weiter? Hey, das Ding kenn ich doch.“  
Khasi und ich starrten das Junge an. „Du hast einen Tannenbaum gesehen? Wo?“  
Der Elefant schüttelte den Kopf. „Nein ein Tannendings habe ich nicht gesehen. Aber das da, was du auf den Boden gemalt hast. Das habe ich gesehen. Gar nicht weit weg ist es mal aus dem Himmel gefallen.“  
„Wie, einfach so aus dem Himmel?“  
„Ja. Mitten in der Nacht. Ich habe das Ding gleich in meine Geheime Höhle gebracht. Das tat ganz schön weh, mit den ganzen Stacheln, fast so wie ein Stachelschwein.“  
„Du musst mich dahin bringen.“  
„Nein, das mach ich nicht. Du nimmst mir nur die schöne Höhle weg.“  
„Khasi, hilf mir, wir brauchen diesen Baum.“  
„Hör doch zu, Siyo. Wir brauchen doch deine Hilfe. Du musst doch nicht einmal zeigen, wo deine Höhle ist. Wir warten einfach hier und du bringst den Baum hier her.“  
Siyo schien innerlich mit sich zu ringen.  
„Dann kriegst du nachher auch ein bisschen Erdnussbutter.“ Grundsätzlich bin ich ja gegen Bestechung, aber in dieser Situation war es nun einmal nötig.  
„Ist das wahr? Echte Erdnussbutter?“  
Khasi und ich nickten. „Na gut. Ich hole ihn.“  
Wir atmeten auf. „Meinst du Siyo schafft es den Baum hierher zu bringen, Khasi?“  
„Klar. Er ist genauso stark wie starrköpfig, obwohl er sich dieses mal schnell überreden ließ.“   
„Du hast gute Überredungskünste geleistet.“  
„Du warst aber auch nicht schlecht. Erdnussbutter, also wirklich. Du willst ihm doch nicht wirklich etwas geben.“  
„Warum nicht? Ich halte mein Wort immer. Außerdem ist bald Weihnachten. Zu Weihnachten beschenkt man sich.“  
„Du musst mir mal genau erklären, was Weihnachten bedeutet. Du redest die ganze Zeit davon, und ich weiß nicht einmal worum es geht. Was ist so besonders an diesem Fest.“  
„Weihnachten ist das Fest der Liebe. Man trifft sich mit seinen Freunden, feiert mit seinen Liebsten und schließt Frieden mit seinen Feinden. Man kriegt Geschenke, aber am schönsten ist es Geschenke zu machen. Weihnachten bring besondere Gerüche. Tannenduft, Lebkuchen, Plätzchen. Die Kerzen schenken schützendes Licht in der Dunkelheit und alles strahlt in seinem hellsten Glanz. Doch eigentlich feiert man Weihnachten um sich an die Geburt an jemand ganz besonderen zu erinnern. Viele Menschen haben das schon vergessen, aber ich denke Joel kennt diese Geschichte.“  
Und so erzählte ich Khasi im heißen Afrika von dem Sohn der auf die Erde kam um die Menschen zu erlösen. Von seiner Geburt in einer Krippe in einem Stall nahe einer kleinen Stadt. Von den Hirten die zu ihm kamen um einen König zu sehen, der alles beherrschte. Und von dem Stern, der über der Krippe erstrahlte und in der bedrohlichen Nacht Licht brachte.  
Khasi hörte zu. Und als ich fertig war blieb er still und dachte über die Geschichte nach. „Amdo, jetzt weiß ich, warum du Joel ein Weihnachtsfest schenken möchtest. Ich werde alles daran tun, dass dein Traum wahr wird.“  
So saßen wir und warteten, dass Siyo zurückkam.   
Und er kam. Im Rüssel den kleinsten Weihnachtsbaum den ich je gesehen hatte. Und doch strahlte und glänzte der Baum, wie Joel strahlen würde und ich wusste, dass dieser Baum der Beste war den es gab. Wenn nicht der, dann gar keiner. Khasi schulterte den Baum und zusammen gingen wir zurück ins Lager. Unterwegs wurde es dunkel. Für heute war nicht mehr zu tun. Morgen würde die Arbeit weiter gehen. Dann mussten wir die Menschen aus den Häusern locken. Wir brauchten Bastelsachen. Die Schimpansen mussten die Plätzchen backen. Würde es gut gehen? Reichte die Ablenkung, die die anderen Tiere gerade planten? In all diesen Sorgen schlief ich auf dem Rücken eines Elefanten ein. „Noch zwei Tage“, murmelte ich im Schlaf, „noch zwei Tage.“  
 
Am nächsten Morgen wurde ich von der aufgehenden Sonne geweckt. Sie schickte ihr weiches Licht über die Ebene und tauchte alles in einen goldenen Schein. Verträumt scheute ich auf dieses Schauspiel, das sich fast jeden Morgen hier abspielte und dachte über die Pläne für diesen Tag nach. Plötzlich riss mich ein Höllenspektakel aus den Gedanken. Elefantentrompeten, Löwengebrüll und Affenkreischen dröhnten über das Land.  
Erst wusste ich gar nicht was los war, doch dann fiel mir ein, dass genau für diese Zeit die Ablenkung geplant war. Um das Haus herum hatte sich eine Schar Tiere versammelt. Hinter einem Gebüsch neben der Haustür warteten die Bäcker und Bastler auf mein Zeichen, dass alle Menschen aus dem Haus verschwunden waren. Ich schaute hinüber zu Joels Bett. War er schon wach? Ja gerade stieg er hastig in seine Klamotten. Aus dem Nebenraum waren andere Stimmen zu hören. „Was ist das für ein Lärm? Man versteht ja kaum noch sein eigenes Wort.“  
„Ich habe keine Ahnung. Was ist bloß in die Tiere gefahren.“  
„Wir sollten schleunigst nachsehen.“  
„Was?“  
„Wir müssen nachschauen.“  
Wäre ich ein Mensch gewesen hätte ich gegrinst. Der Plan ging auf. Schon nach kurzer Zeit waren alle aus dem Haus verschwunden. Ich wusste nicht genau, was die anderen geplant hatten, aber es musste mindestens für zwei Stunden reichen. Eilig lief ich zur Tür und öffnete sie. Das hatte ich schon lange geübt, es war halt nicht immer jemand da, der mir aufmachte.  
„Sind alle weg?“, fragte Lebo.  
„Ja, los beeilt euch. Ich weiß nicht wie lange die Ablenkung reicht.“  
„Ach bei dem Einfallsreichtum hätten wir die auch den ganzen Tag hinhalten können.“  
„Warum, was habt ihr euch einfallen lassen?“  
„Wir spielen: Die Tiere sind verrückt. Der Lärm heute Morgen war erst der Anfang.“  
Die Tiere sind verrück war ein uraltes Spiel der Tiere. Ich hatte es auch schon mit meinen Freunden gespielt. Dabei teilten sich die Spieler in zwei Gruppen auf. Diese Gruppen stellten sich gegenüber auf und brüllten sich gegenseitig an. Aber immer abwechselnd. Nachdem jede Mannschaft drei mal gebrüllt hatte ging die Jagd los. Immer verkehrt herum. So wurden zum Beispiel die Löwen von den Antilopen gejagt und die Elefanten liefen vor den Erdmännchen davon. Dabei wurde immer so laut gebrüllt, wie es möglich war. Schon beim ersten mal hatte ich dieses Spiel lustig gefunden. Es eignete sich perfekt die Menschen verrückt zu machen. Denen gefiel es nämlich gar nicht, dass sich etwas nicht so benahm, wie es sollte. Ich hatte dennoch meine Sorgen, die mir Lebo jedoch sofort nahm.  
„Für den Notfall haben wir noch einen Plan B.“  
„Und wie geht der?“  
„Das erfährst du wenn er nötig ist.“ Dann wandte er sich an seine Mannschaft. „Also los Affen. Wir machen es so wie geplant. Die Teigmischer bitte hier rüber. Anderen Gruppen bitte aufstellen.“  
Lebo teilte die Affen erneut auf. Ich gesellte mich zu den Bastlern. Ich zeigte ihnen, wo die benötigten Gegenstände waren und beaufsichtigte die ganz Kleinen. Ich zeigte, wie ein Engel aussehen musste und begutachtete bemalte Äste. Nach einiger Zeit zog der Duft nach Plätzchen durch die Zimmer. Schnüffelnd hob ich die Schnauze in die Luft und sog den wunderbaren Geruch ein. Immer mehr bekam ich das Gefühl für Weihnachten und immer mehr wollte ich Joel diese Freude machen. Ich sah wie wir voran kamen. Und immer wieder blickte ich auf die Uhr. Das Gebäck war fast fertig. Ich vertraute da völlig auf Lebo, den Meisterkoch. Auch die Bastelei ging zu Ende. Den Rest mussten wir morgen fertig machen. Viel Zeit blieb uns nicht mehr. Mittlerweile waren wir am Aufräumen und ein paar der Tier brachten Die Bastelsachen schon nach draußen, damit wir unter einer Baumgruppe weiter machen konnten. Die Mittagszeit war bereits herum. Auch In der Küche wurde nur noch aufgeräumt. Ich machte mich also auf den Weg um der Ablenkung freie Bahn zu geben. Auf dem Spielfeld war schon das Totale Chaos ausgebrochen. Die Tiere hatten einige Mützen geklaut und warfen sie nun hin und her. Die Menschen liefen rufend hinter ihnen her und versuchten die Tiere und Mützen zu fassen. Das Spiel war also auch auf die Menschen ausgeweitet worden. Wenn einer von ihnen keine Lust mehr hatte wurde er von ein paar Löwen oder Zebras umzingelt und in einen „lebendigen Käfig“ gesperrt.  
Ich sah noch einmal zu  Haus zurück, gerade verschwand der letzte Affe durchs Fenster. Ich wartete, bis er ganz im Gebüsch verschwunden war, dann bellte ich zwei mal und alle Tiere, die zum Ablenkungsmanöver gehörten zogen in alle Himmelsrichtungen davon.  
Verwirrt und verschwitz standen die Menschen da und schauten ihnen nach. Dann gingen sie zurück ins Haus, ob sie etwas von der vorherigen Anwesenheit der Tiere gemerkt hatten wusste ich nicht.  
Der Rest des Tages lief ruhig ab. Ich lag im Schatten, beantwortete ein paar Fragen zum Weihnachtsfest und nickte ab und zu ein.  
Am Abend sah ich auf den Kalender. Heute war der 23. Dezember. Morgen war Heiligabend. Dann mussten wir den restlichen Schmuck machen. Wir würden es schaffen. Morgen sollte es das beste Weihnachtsfest geben, dass Joel je erleben würde.  
Heiligabend kam und ich schlief lange. Ich wollte für den Abend fit sein. Denn in der Nacht wollten wir das Wohnzimmer schmücken. Die anderen aber arbeiteten weiter fleißig am Baumschmuck, während ich mit Joel spielte, der heute besonders traurig schaute und sich scheinbar zwang nicht auf den Kalender zu sehen. Ich  lenkte ihn ab so gut es ging, und versuchte dennoch mir meine Vorfreude nicht anmerken zu lassen.  
Der Abend rückte immer näher. Ich saß am Fenster und wartete darauf, dass es endlich dunkel wurde und die Menschen ins Bett gingen. Ich gähnte und gähnte, meine Augenlider wurden schwer. Langsam schlief ich ein, obwohl ich mir doch solche Mühe gegeben hatte.  
Mitten in der Nacht weckte mich Kahsi auf. Er streckte seinen Rüssel durchs Fenster und schmiss mich fast von dem Stuhl, auf dem ich lag. „Amdo, Amdo, wach auf. Es wird Zeit für die Operation Weihnachten. Wir sind fast fertig. Komm und sieh dir das an.“ Ich sprang auf. Wie hatte ich nur verschlafen können. Hellwach schlich ich ins Wohnzimmer. Alles strahlte und glänzte weihnachtlich. Der kleine Tannenbaum strahlte in all seiner Pracht. Die Kerzen, die ich in Joels Tasche gefunden hatte leuchteten hell und gaben ihren warmen Schein an den ganzen Raum ab.  
Bemaltes Obst und Lametta aus Papierschnipseln schmückten den Baum ebenso wie es Kugeln getan hätten. Überall an den Wänden hingen Äste, die von den anderen bemalt wurden. Aus Papier ausgeschnittene Sterne hingen von der Decke und unter dem Baum stand sogar eine kleine Krippe, deren Figuren aus Nüssen und anderen Naturmaterialen gemacht worden waren.  
„Und wie findest du es?“, fragte Khasi, der zum Fenster herein sah.  
„Es ist wunderbar. Schöner hätte ich es mir nicht vorstellen können.“  
„Dabei hast du noch nicht einmal unsere Plätzchen gekostet.“, meinte Lebo kauend, „ich habe mein eigenes Rezept benutzt. Die in deinem Buch haben nichts genutzt.“  
Ich probierte. Ja, das waren die besten Plätzchen, die ich je gegessen hatte. Ich konnte kein Wort mehr hervorbringen. Ich strahlte meine Freunde an.  
„Wir sind fast fertig.“, sagte Khasi.  
„Genau, es fehlt nur noch eins.“, fügte Lebo hinzu.  
Das verstand ich nicht. Es war doch alles da. Alles war perfekt. Khasi und Lebo grinsten sich zu. „Es fehlt ein Geschenk.“ Ich erschrak. Wie hatte ich das nur vergessen können. Ich hatte es Khasi doch selbst erklärt. Zu Weihnachten schenken sich die Menschen gegenseitig etwas. Wie hatte ich das nur vergessen können. Das Grinsen meiner Freunde wurde immer breiter. „Keine Sorge. Wir haben dafür gesorgt.“ Lebo wies auf ein großes Päckchen unter dem Weihnachtsbaum. Oben war es offen. Ich sah hinein. Es war leer. Verwundert starrte ich in die leere Kiste.  
„Na los, worauf wartest du? Spring rein!“  
„Was? Ich bin das Geschenk?“  
„Weißt du Amdo, wir haben uns das so gedacht. Du bist das beste, was Joel passieren konnte. Du warst das beste Geschenk, das er je bekommen hat. Mit dir hat er einen Freund bekommen. Einen Freund, der überall mit ihm hingeht. Einen Freund, der alles tut, damit er glücklich ist. Weist du noch, was du gesagt hast? Weihnachten ist das Fest der Liebe. Z Weihnachten gehört mehr als nur Geschenke zu bekommen. Es geht darum, seine Freunde zu treffen, mit seinen Lieben zu feiern und mit seinen Feinden Frieden zu schließen. Wenn Joel sich etwas wünscht, dann einen Freund, der so etwas für ihn tut, wie du es für ihn getan hast. Und jetzt spring endlich in diese Kiste, es wird Zeit. Er kann jeden Moment aufwachen.“  
Ich tat es. Lebo schloss den Deckel und dann wartete ich.  
Ich weis nicht, was schöner war, das glänzen in Joels Augen oder das Gefühl, einem Guten Freund eine Freude zu machen. Joel sagte nichts, er strahlte einfach nur. Allein dieses Strahlen bewies mir, dass ich genau richtig gehandelt hatte.  
 
Noch Jahre später, als schon viele Weihnachtsfeste in Afrika vorbei waren und wir wieder in Deutschland wohnten, hing der Weihnachtsbaumschmuck, den die Tiere gebastelt hatten an unserem Weihnachtsbaum. Und wenn dann die ganze Familie am Weihnachtsbaum zusammen saß, lachte Joel und sagte: „Wenn ich mich erinnere, wie Amdo mir damals gezeigt hat, das Weihnachten auch Weihnachten ist, wen man keinen richtigen Tannenbaum hat, dann wird mir ganz warm ums Herz.“…
 
 
Ende
 

Hier haben wir eins meiner Universalgeschenke. "Liebe Mama, eine Gschichte zu einem Thema deiner Wahl. Alles gute zum Muttertag (2005)" Eine Weihnachtsgeschichte wollte sie und eine Weihnachtsgeschichte bekam sie. =) Julia Wobken, Anmerkung zur Geschichte

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Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Julia Wobken).
Der Beitrag wurde von Julia Wobken auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.02.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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