Sabine Müller

Vom Teddybären, dem ein Bein fehlte Teil 2

Am nächsten Tag war die Familie schon sehr früh auf den Beinen. Die Mutter musste am Vormittag noch in einigen Restaurants putzen und Vater, Tochter und Großmutter, die von allen auch liebevoll „Mama“ genannt wurde saßen zu Hause und bereiteten das Festmahl vor.

Mama bereitete Bohnenkuchen,  Reiscracker, afrikanisches Kartoffelpüree und scharfen roten Reis zu. Es duftete herrlich und das Töchterchen versuchte Alles, um schon vorher ein paar Happen abzubekommen. Sie freute sich auf das gemeinsame Essen am Nachmittag. Es schien als ob auch der Vater an diesem Tag für einige Zeit seine traurigen Gedanken beiseite gelegt hatte. Er sang und spielte zwischendurch auf der Ksatata, einem afrikanisches Instrument, welches aus einem Holzklotz und einer Saite bestand. Wenn man an der Saite zupfte klang es jedes Mal anders. Bizarre Klänge erfüllten die kleine Wohnküche. Dazu schwang Mama am Herd ihre breiten Hüften, guckte immer wieder mit einem breiten Grinsen über die Schulter und schnalzte hin und wieder. Gegen Mittag kam die Mutter wieder nach Hause. Sie wirkte erschöpft. Als die Tochter ihren Mittagsschlaf hielt, packte sie die Kleinigkeiten für den Weihnachtsabend zusammen. Sie hatte etwas zerknittertes Geschenkpapier gefunden. Die Süßigkeiten für ihre Tochter wurden ihr in dem Kaufhaus, in dem sie immer putzte, geschenkt. Da sie zum Teil leicht angedötscht waren, konnten sie nicht mehr verkauft werden.

Man sah die kleinen Macken und Dellen kaum. Ein wunderschöner großer Weihnachtsmann aus Schokolade mit echtem Glöckchen und einem Plastikweihnachtsbaum war auch dabei.

Die Kleine würde sich sicherlich freuen. Der Bär wurde auch eingepackt. Die Mutter hatte ihm aus bunten Stoff ein kleines Kleidchen genäht. Oskar fühle sich im ersten Moment ein wenig unwohl in einem Kleid, aber war auch gerührt, denn wann bekam ein Knuddelbär schon mal ein eigenes Kleid genäht. Stolz wie Oskar war er…

Der Nachmittag verging im Flug und endlich war es Zeit für das leckere Essen.

Vater, Mutter, Tochter und Mama saßen auf Sitzkissen, hörten afrikanischer Musik und aßen die leckeren Speisen mit den Fingern. Alle waren zufrieden und satt.

Es wurde langsam auch schon dunkel draußen, als endlich Bescherung war.

Die Kleine freute sich riesig über die Süßigkeiten und den Bären. Sie drückte ihn an sich, küsste ihn und wollte ihn nicht mehr loslassen. Dass der Bär nur ein Bein hatte, störte sie nicht. Sie sah es fast als selbstverständlich an und meinte: „Guckt mal, der Bär hat auch ein kaputtes Bein, genau so wie ich“

Vater und Mutter schenkten sich nichts, sie genügten sich selbst, waren froh, dass wenigstens ihre Liebe rein war und alle in der Familie gesund waren. Der Vater bekam von Mama eine Flasche selbst angesetzten Hirseschnaps, die Mutter leckeres Gebäck, das Töchterchen ein Malbuch. Mama bekam Bilder von der Kleinen und eine Doppelpackung Weinbrandbohnen von den Eltern, denn sie liebte diese über Alles. Sie genoss jeden Bissen. Sie knackte ein Stück mit den Zähnen ab, ließ die Flüssigkeit in ihren Rachen laufen und ließ danach die Schokolade auf der Zunge zergehen. Die Eltern bekamen von ihrer Tochter einen wunderschönen Origamivogel aus Glanzpapier, den sie im Kindergarten gebastelt hat und schon Wochen vorher in ihrem kleinen Nachtschrank gehortet hatte.    

An diesem Tag waren alle sehr lang wach und ließen den Abend gemütlich ausklingen.

Während Eltern und Mama erzählen und lachten, malte die Kleine in ihrem Buch und spielte mit einem Honigkuchengrinsen auf dem Gesicht mit  ihrem Bär. Oskar war ebenfalls sehr glücklich und mochte die Kleine sofort. Sie hatte so schöne große Augen, lustige Zöpfchen auf dem Kopf und so eine lustige runde Stirn, genauso, wie er.

Plötzlich rief die Kleine: „Papa, hier hängt ein Zettel an dem Bären, da wo er kein Bein mehr hat“ Der Vater kam zur Kleinen, nahm sie und den Bären auf den Schoß, setze sich auf den Stuhl und  schaute sich den Zettel an. Eine mehrstellige Nummer stand darauf. Der Vater erklärte ihr, dass das die persönliche Nummer vom Bären sei und dass die anderen Bären eine andere Nummer hätten. Wie von der Tarantel gestochen kam Mama, die schon fast die Hälfte des Hirseschnapses, den sie verschenkt hatte, selbst getrunken hatte angedüst und keifte mit ihrer rauen Stimme: „Her damit“ Sie riss den Bären einfach aus der Hand der Kleinen und studierte die Nummer genaustens. Wütend und kreischend humpelte die Kleine mit dem Gipsbein hinter Mama her und wollte ihren Bären zurückhaben. Von der Wohnung unter ihnen wurde mit dem Besen an die Decke geklopft. Mama stampfte zurück und sagte: „Das ist ein Glücksbär“ Es war mucksmäuschenstill. Mama erklärte, dass diese Zahl auf dem Zettel eine Lottozahl sei und da sie ein wenig abergläubig war, meinte sie, dass genau diese Zahlen den nächsten Jackpott knacken würden. Der Vater schüttelte ungläubig den Kopf und zeigte hinter dem Rücken von Mama einen Vogel. Die Mutter betrachtete das Schauspiel mit Gelassenheit, das Töchterchen hatte sich wieder beruhigt. Auch sie war dafür, dass der Zettel mit den Nummern ruhig einmal bei einem Lottospiel ausprobiert werden könnte. Sie wusste zwar nicht, was Lotto war, aber das war ihr egal. Anscheinend war es etwas Wichtiges, sonst wäre nicht so ein Zwergenaufstand gewesen. Also wurde der Zettel von Mama mit der Schere abgetrennt und in eine kleine Schachtel, die mit Muscheln beklebt war, gelegt. Mama sprach noch ein Omen und dann kam der Zettel in die Küchenschublade, gleich links neben dem Glas mit den Erbsen. Die Familie stand dabei im Halbkreis um Mama herum und beobachtete mit Spannung den Vorgang, der ja eigentlich kein Besonderer war.

An dem Abend gingen Alle fröhlich zu Bett. Mama mit einem leichten Schwips, das Töchterchen mit Oskar im Kleid im Arm und die Eltern mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht…

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.07.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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