Biggi Irmig

Omas Bratäpfel

Omas  Bratäpfel  

 

In der stillen kalten Zeit rief Oma die Enkel zusammen..

Wir saßen rund um den großen, weißen Kachelofen. Ich war das einzige Mädchen.
Oma nannte mich Evchen., alle anderen sagten immer Jette zu mir, warum weiß ich bis heute nicht. Dann waren da noch meine Vettern Hans und Horst und mein kleiner Bruder Günter, Julek genannt.
Es begann  zu dämmern, Oma liebte diese Stunde.

Oma konnte im Winter schlecht gehen. Wegen ihrer großen Ballen trug sie immer

handgefertigte Schuhe, in denen genug Platz für die großen Ballen waren. Trotzdem blieb sie lieber im Lehnstuhl an dem großen  Tisch  sitzen. Wir rutschten schon ungeduldig auf der Ofenbank hin und her, warteten gespannt auf das abendliche Zeremoniell.

In der Mitte des Tisches stand immer eine Silberschale mit einem dicken schwarzen
Buch darin und eine Brille, die mal Oma und mal Opa aufhatte. Das Buch  war schon ganz abgegriffen und voller Kreuze und Striche und Randbemerkungen waren in schöner Schrift quer darüber geschrieben. Oma nannte dies schwarze Buch die  Bibel,
sie nahm es an sich und bat Hans aus der Küche nun die Schale mit Äpfeln zu holen.
Er solle sie in die Ofenröhre schieben. Hans holte die Schale, ging an den Kachelofen und stieß einen markerschütternden Schrei aus.
Er hätte sich an dem wunderschön geformten Gitter die Finger verbrannt, meinte er.
Oma sagte nur so ganz nebenbei, dies wunderschöne Gitter würde wohl warm werden, aber nie so heiß, dass man sich daran die Finger verbrenne., er möge die Schale endlich da rein stellen.
Hans gehorchte, schloss das Türchen wieder und setzte sich zu uns auf die Bank.
Nun war es schon fast dunkel im Zimmer, durch das kleine Fenster leuchtete der weiße Schnee. Wir saßen warm  und artig am Ofen, denn Oma konnte schon mal ganz böse über die Brille gucken und dann gab es keine Geschichten mehr.
Sie zündete eine Kerze auf dem Adventskranz , der auch auf dem Tisch stand, an  und begann zu erzählen, sie erzählte uns eine Geschichte aus dem schwarzen Buch aus Bethlehem, wo alle Menschen hinkommen mussten , weil es der Kaiser befahl. Alle sollten gezählt werden..
Oma erzählte so toll, dass wir das Gefühl hatten, Bethlehem liegt nur eine Straße weiter.

Nun begannen die Äpfel zu duften, Oma bestreute sie immer mit Zucker und Zimt,

Hmmm, wir schnupperten schon., doch nein, wir durften sie noch nicht probieren,
erst wenn die große Standuhr den Glockenschlag gab.
Wann war es endlich soweit?
Wir schielten immer auf den Zeiger, doch der ging einfach nicht schneller.
Und die Geschichte vom Riesen Goliath und Daniel konnte uns heute gar nicht so fesseln wie sonst. Daniel besiegte den Riesen mit seiner kleinen Steinschleuder.
Horst kramte in seiner Hosentasche und brachte seine Schleuder zutage, doch Oma drohte ihm, schnell versteckte er sie wieder.
Opa kam in die Stube. Sein blankpolierter Kopf glänzte im trüben Kerzenlicht.
Opa hatte keine Haare er hatte eine Glatze, die glänzte immer.

Er entzündete die Petroleumlampe und der Zeiger der Uhr war oben,

jetzt der Glockenschlag.,

Nun stürmten wir an den Tisch und wollten die Äpfel, doch Opa war sehr streng, erst sollte noch ein Adventslied gesungen werden. Er stimmte lautstark an:

Tau-het  Himmel den Gerechten,   Wolken reg-ne-het  i-hin  hee-her-a-hab……

Dann endlich öffnete er das schöne Türchen , nahm die Schale und stellte sie auf den Tisch.

Das war ein Gebrüll, jeder wollte seinen Bratapfel zuerst haben. Wir setzten uns um den Tisch herum und ließen uns die Köstlichkeit schmecken, Oma gab noch Vanillensoße dazu.

Opa, nein, Opa wollte keinen Apfel, er zog seine Dose  aus der Hosentasche, schüttelte sich etwas Pulver auf den Handrücken und schnupfte zufrieden seinen Schnupftabak, danach musste er erst mal niesen, das tat ihm gut.

Wir Kinder futterten mit roten Backen, es gab nichts Besseres  als Omas Bratäpfel.

 

Ich versuchte in späteren Jahren meinen Kindern auch Bratäpfel zu servieren,
doch sie schmeckten lange  nicht so himmlisch wie die von Oma.
- c -
Biggi Irmig

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.12.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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