Der Weihnachtswunsch

Weihnachten – das Fest des Friedens und der Liebe! Für sie hatte es immer eine besondere Bedeutung gehabt. Auch jetzt, doch sie war nicht glücklich. Fehlte doch der Mensch, den sie am meisten liebte. Während sie mit ihrer Familie vor dem hell erleuchteten Tannenbaum stand und in ein Weihnachtslied mit einstimmte, nahmen ihre Augen die Pracht des bunt geschmückten Baumes nicht wahr. Ihr Blick verlor sich in eine Weite, die nur sie erfassen konnte. Sie war mit ihren Gedanken bei ihrem Geliebten, schickte ihm mit der Kraft all ihrer Sinne einen zärtlichen Gruß in die Ferne. In diesem Moment war sie sich sicher, dass er es spürte, und sie selbst fühlte sich von einem Hauch der Liebe umgeben. Niemand wusste, welches Geheimnis sie in sich barg. Ihre Augen begannen zu glänzen, auf ihren Wangen zeichnete sich eine zarte Röte ab. Die Wärme ihres Herzens zog in ihr Antlitz. Jetzt war sie eine glückliche Frau! Auch wenn er nicht bei ihr war, so schien er ihr doch nah, denn in Gedanken und in ihrem Herzen waren sie fest miteinander verbunden.

Nachdem die Kinder ihre Geschenke ausgepackt hatten, ging sie mit ihrem Hund hinaus an die frische Luft. Draußen herrschte eine klirrende Kälte, und sie zitterte unwillkürlich am ganzen Leib. Dennoch machte sie sich festen Schrittes auf den Weg zu einem nahe gelegenen Park, wo sie ihren Gedanken ungestört freien Lauf lassen konnte. Was er wohl jetzt gerade tun mochte? Ob auch er an sie dachte? Sie stellte sich vor, wie schön es wäre, wenn er sie jetzt in die Arme nähme. Allein dadurch fühlte sie sich sogleich gewärmt. Sie musste über sich selbst lächeln. Was hätte sie darum gegeben, jetzt in seinen Armen zu liegen! Kein Geschenk der Welt hätte für sie wertvoller sein können. Tja, manchmal ließen sich nicht einmal die bescheidensten Wünsche erfüllen! Das zuvor noch strahlende Lächeln wich einem Ausdruck tiefer Traurigkeit, und sie starrte wieder mit leerem Blick in die Ferne.

Von weitem sah sie eine dunkle Männergestalt durch den Park auf sich zukommen. Noch ein einsamer Spaziergänger mit Hund! Na, ob diesen nur ein dringendes Bedürfnis seines Vierbeiners in die Kälte hinausgetrieben hatte? Sie wagte es zu bezweifeln! Wahrscheinlich handelte es sich bei ihm ebenfalls um einen einsamen Menschen, der es an diesem Heiligen Abend allein daheim nicht mehr ausgehalten hatte. Aber was ging sie das an? Jeder hatte wohl so seine Geheimnisse. Mit gesenktem Haupt schritt sie weiter voran. Als sie sich mit dem Fremden auf gleicher Höhe befand, begrüßten die beiden Hunde sich sichtlich erfreut, was durch ein lebhaftes Schwanzwedeln unterstrichen wurde. Sie musste lachen und wollte dem Fremden gerade etwas Freundliches sagen, als ihr das Wort im Halse stecken blieb… Mit weit geöffneten Augen starrte sie ihr Gegenüber an und konnte es nicht fassen, als ihr seine geliebte Stimme sagte: „Frohe Weihnachten, mein Liebling! Ich wollte Dir mein Geschenk geben!“ Als er sie in die Arme schloss, war sie dem Himmel dankbar! Ihr größter Wunsch war nun doch noch in Erfüllung gegangen…

© Angelika Vitanza-Lima – 2001-12-08

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