Heidemarie Rottermanner

Thomas und der Nikolaus

 
An einem nebelig – kalten Dezembertag war Thomas, 10 Jahre alt, wieder alleine zu Hause. Freitag Nachmittag und urfad. Lustlos saß der Bub in seinem Jugendzimmer am Schreibtisch. Vor ihm lag sein Laptop. Er öffnete ihn  und drückte auf ON. Seine Finger suchten Facebook um sich, wie so oft, hier einzuloggen.
Mal schauen ob ein paar Kumpels  rumsurfen. Könnt ja sein. Schitt…keiner da. Na gut, dann eben Farm Ville spielen.  Obst ernten,  goldene Eier
suchen, Kühe melken. Nein, es machte keinen Spaß, das Online Spiel war Mist. Thomas klappte wütend den Laptop zu. Mensch warum meldet sich Michael nicht! Er starrte auf sein Handy, doch dieses gab keinen Mucks von sich. Alle Welt hatte ihn vergessen.

Plötzlich läutete es an der Haustüre. Thomas öffnete die Zimmertüre, und hüpfte die Stufen runter . Nun stand er im Erdgschoß vor der Haustüre. Dort überlegte er kurz, die Eltern hatten ihm strengstens verboten, die Türe zu öffnen. Könnt ja ein böser Mann vor dem Tor stehen.Über die Gegensprechanlage fragte er: „Wer da? „Ich bins, die Tina ... „Thomas rollte die Augen und tippte sich auf die Stirn… diese blöde Kuh, schüchtern und dumm… Ich lass zu … nein … geht auch nicht.

Schließlich sperrte Thomas die Haustüre auf und ließ das Mädel herein. Die blickte ihn verschreckt an, öffnete den Mund und flüsterte: „Kannst du mir bei den Englisch Vokabeln helfen, ich habe morgen Test und ich blicke nicht durch.“
Da haben wir es, sie merkt sich  rein gar nichts.Thomas hätte beinahe den Kopf geschüttelt, da fielen ihm die Worte der Religionslehrerin ein. Der Heilige Nikolaus hat sich um die Armen und ausgegrenzte Menschen gekümmert. Mist, heute war doch der Nikolaustag …
„Komm rein“, sagte der Bub und bemühte sich nicht all zu unfreundlich zu sein. War er aber doch, er hätte Tina wenigstens begrüßen können.
 

Nun saßen sie in seinem Zimmer. Thomas hatte das Vokabelheft aufgeschlagen und diktierte Wort für Wort, entweder in Englisch oder Deutsch. Tina schrieb oder gab laut  Antwort. Ganz rote Backen hatte sie vor Eifer. Die ist gar nicht so doof, dachte der Bub beschämt.

Doch da läutete sein Handy. Na endlich, sein Kumpel Michael war auch noch am Leben. In 10 Minuten am Marktplatz … lautete die Botschaft. Der Schlitten mit dem Nikolaus und den vielen wilden Kerlen würde dort  auftauchen. „Ich möchte mit“, sagte Tina und blickte ihn sehnsüchtig an. „Das ist nichts für Mädchen. Du fürchtest dich bestimmt.“

„Ich möchte mit …“

Thomas saß in der Klemme, ein Mädchen im Schlepptau, war öd. Die Freunde werden sich schief lachen. Da fielen ihm wieder die Worte von der Religionslehrerin ein.  Der Nikolaus war ein Held, er kümmerte sich um  die Menschen die keiner wollte, und doch riskierte er damit sein Leben. Die Gesellschaft wollte keine Armen und ausgegrenzten Leute….der war ein Held … bin ich ein Feigling?
„Na gut, kommst halt mit….“

Rasch liefen die beiden ins Erdgeschoß.  An der Kleiderablage riss Thomas eine Lade auf, heftig  zerrte er Schal und Handschuhe hervor. „Da nimm“, sagte er zu Tina, „deine Jacke ist viel zu dünn, da draußen ist es saukalt.“
Endlich standen sie vor dem Haus. Rasch liefen sie auf dem Gehsteig neben der Straße Richtung Marktplatz. Dort war schon lustiges Treiben. Der Schlitten mit dem Nikolaus war umgeben von vielen schreienden Kindern. Die Schellen der Krampusse hallten durch die Nacht. Thomas blickte in das bleiche Gesicht des Mädchens. „Du brauchst keine Angst zu haben, ich bin ja da.“ Aufmunternd nahm er ihre Hand und fühlte sich dabei wie ein Held. Aus dem Nichts tauchte Michael auf, er grinste. „He Tina, super, dass du auch da bist.“
 
„Vielleicht sollte ich doch nach Hause gehen“, flüsterte Tina. „Hab keine Angst“, antwortete Michael, „die Kerle tun nur so wild, die sind im Grunde genommen harmlos, komm.“ Er blieb ganz dicht an ihrer Seite und gemeinsam drängten sie nach Vorne.

Der Nikolaus hatte sich über seinen großen roten Sack gebeugt und verteilte Süßigkeiten. Ein Krampus, mit furchterregender Maske, fuchtelte mit seiner Rute herum und verscheuchte die Kinder, damit der fromme Mann ein wenig Platz bekam.

Plötzlich richtete sich der Nikolaus auf und erblickte die drei Kinder. Er lächelte freundlich und winkte sie herbei. Michael, Tina und Thomas versuchten
näher zu kommen. Endlich standen sie vor dem großen, weiß gekleideten Mann. Dieser griff in seinen Nikolaus Sack und holte Äpfel, Mandarinen und Schokoriegel hervor. Fröhlich überreichte er diese Tina: „Nimm nur.“ Tina bekam große Augen, schüchtern streckte sie die Hände aus und nahm die dargebotenen Köstlichkeiten. Auch Thomas und Michael kamen zum Zug. Thomas sagte laut: „Wow mein Lieblingsschokoriegel.“ Verwundert blickte er den großen Mann an und staunte. Wie konnte dieser nur wissen, dass er sich liebend gerne damit vollstopfte.  Leicht legte der Nikolaus die Hand auf Tinas Kopf und sagte ruhig: „Der liebe Gott beschütze euch….“ Dann zwinkerte er den beiden Jungen zu und meinte: „Auf das Mädel passt ihr mir gut auf, ja.“ Und schon wandte sich der fromme Mann den anderen Kindern zu.

Thomas ergriff Tinas Hand und spürte , dass sie zitterte. „Komm wir laufen nach Hause, dir ist schon kalt. Meine Mutter hat sicher schon heiße Schokolade für uns zubereitet. Michael du bist natürlich auch dabei.“
Tina schaute Thomas ungläubig an „Danke, ich komm gerne, wenn ich darf, dafür bekommst du meine Schokolade. ja.“ Der Junge schüttelte energisch den Kopf: „Nein, sie gehört dir und jetzt los Freunde.“

Aber gerade in diesem Moment bogen vier Krampusse  aus der Seitengasse und liefen auf die Kinder zu. Thomas und Michael stellten sich schützend vor Tina und blieben ruhig stehen. Einer der wilden Kerle peitschte die Rute über den Asphalt und aus seiner Kehle kam ein heißeres Knurren.

Im letzten Augenblick wandte er sich um  und rannte in die entgegengesetzte Richtung, seine zotteligen Freunde liefen hinterdrein. Michael und Thomas blickten sich an: „Mensch, das war aber knapp. Die sind ja ... , wenn wir nur  schon … zu Hause wären … “

Die drei rannten durch Nebel und Nacht. Endlich standen sie vor dem hell erleuchteten Wohnhaus.  Aufatmend sperrte Thomas die Haustüre auf. Im Vorzimmer legten die Kinder ihre Jacken ab. Köstlicher  Duft nach Schokolade und Kuchen schlug ihnen entgegen.
„Na meine Helden, den Krampus in die Flucht geschlagen, ja … “die Mutter lächelte und stellte die Schalen mit dampfender Schokolade auf den Tisch. „Gleich wird euch warm werden.“

Dann setzte sie sich zu den Kindern aufs Sofa. Dabei blickte sie Tina fragend an. „War es sehr schlimm?“ Tina schüttelte den Kopf. „Der Nikolaus ist ein netter Mann, er hat mir meine Lieblingsschokolade geschenkt. Der Lärm der Schellen und die hässlichen Masken waren unangenehm. Ich fürchte mich davor.“ Beschämt blickte sie zu Michael und Thomas.

Die beiden Buben senkten die Köpfe und murmelten. „Ein bisserl haben wir uns auch gefürchtet.“

Die Mutter antwortete ruhig: „Ich mag diese grauslichen Fratzen auch nicht und ehrlich seine Furcht einzugestehen ist schon sehr, sehr mutig ... “
„Dann“, sagte Thomas leise, „war nicht nur der heilige Nikolaus ein Held.“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.12.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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