Christa Astl

Das “KLETZENBROT“

 
 
Kein anderes Gebäck ist in Tirol mit Weihnachten so verbunden wie das Kletzenbrot, „der Zelten“. „Kletzen“, in manchen Gegenden Kloatzn oder Kluabern genannt, sind getrocknete Birnen. Die Zutaten wie etwa Birnen und Zwetschken (österr. Schreibweise!), Hauptbestand dieser Köstlichkeit. waren meist aus der eigenen Landwirtschaft.

 

Ich habe in meiner Familie den Brauch, das Kletzenbrot am Thomastag, den 21. Dezember zu backen, wieder aufleben lassen. Die Vorbereitung war früher „Familienarbeit“:
Am Nachmittag wurden im großen Topf die getrockneten Birnen, die Kletzen, in leicht gezuckertem Wasser gekocht. Der Duft stieg durchs ganze Haus und lockte die Schleckermäuler aus den hintersten Winkeln. Dann hockten sie vor dem Fenster und gaben Acht, während die gekochten Birnen abkühlten. Es könnte ja ein Vogel oder gar die Katze davon naschen!
Nach einem kurzen Abendessen wurde gemeinsam der Tisch abgeräumt, denn jetzt brauchten wir Platz! In die Mitte kam der (noch leere) große Weitling (Emaille-Schüssel). Erwartungsvoll saßen oder knieten die vier Kinder um den Tisch. Jede/r bekam sein Schneidbett und die meisten auch schon ein Messer. Kletzen, Feigen und Zwetschken wurden fein zerkleinert. Für kurze Zeit war es mäuschenstill, so konzentriert schnitten und schnipselten alle. Wer das Schneidbrett voll hatte und in die Schüssel leeren durfte, gackerte das lautstark heraus. Wer nicht schneiden wollte oder konnte, durfte Haselnüsse und Walnüsse knacken. Auch das war eine Herausforderung.
Dann kamen die Stärksten zum Zug. Auf dem Tisch mussten manche noch knien, um in die Schüssel zu sehen, wenn sie mit dem größten Holzkochlöffel die zerkleinerten Früchte mischten. Und die anderen passten auf, wenn etwas über den Rand spritzte, und schnappten zu.
Die Schüssel wurde voller und voller. Außer den bereits erwähnten Früchten kamen Pignoli (Pinienkerne), Rosinen, Zitronat, Orangeade dazu, Zimt- und Nelkenpulver wurde reichlich eingemischt, zum Schluss Rum oder starker Bauernschnaps darüber geleert.
Dann kam der Deckel drauf, das Ganze in den Keller – und die Kinder nach einem tiefen Atemzug aus der köstlich duftenden Schüssel ins Bett.
Früh am anderen Morgen knetete ich den Teig aus Hefe, Roggen-, Weizen- und Vollkornmehl mit starkem Bohnenkaffe, alles natürlich mit der Hand.
Die Kinder nahmen noch schnell eine Nase voll des Aromas aus der Obstschüssel mit in die Schule.
Teig und Früchte wurden in gleichem Verhältnis gemischt und mussten nochmals gehen. Darüber kam dann noch (in Tirol üblich) ein Teig-„Mantel“
Bis zum frühen Nachmittag gehörte mir die Küche, bis acht große und einige kleinere Zelten zum Verschenken fertig waren. Sie wurden noch mit Zuckerwasser bestrichen und kamen in den Keller um ein wenig zu lagern, bis das erste Kletzenbrot am Stefanitag (26.12.) im Kreis der Verwandtschaft angeschnitten und mit Freude und Genuss verzehrt wurde.       

ChA. 18.12.10
 

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