Gertrude, genannt Trudi, und ihre kleinere Schwester Heidrun hatten ihre beiden größeren
Geschwister belauscht, wie sie darüber flüsterten, dass es keinen Weihnachtsmann gibt.
Die Kleinen waren entsetzt. Keinen Weihnachtsmann? Wirklich keinen? Die Eltern und die Lehrerin sprachen doch voller Überzeugung von ihm in diesen Tagen. In der Schule hatte Frau Niebuhr gerade heute Morgen eine Geschichte vorgelesen, in der der Weihnachtsmann mit seinem Schlitten einem armen Mädchen eine Puppe gebracht hatte.
Trudi beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Mama zu fragen, bedeutete, dass sie Heiko und Gundula verpetzen würde. Verpetzen war gemein, das hatte auch Frau Niebuhr immer wieder gesagt. Wen also fragen?
Am nächsten Tag befragte sie in den Pausen nacheinander die Kinder ihrer Klasse. Die einen sagten ja, den Weihnachtsmann gäbe es, andere bezweifeltten das. Schließlich fragte Peter, der neben ihr saß, in der Rechenstunde die Lehrerin. Sie sagte: "Das könnt ihr leicht herausfinden. Ihr könnt ihm einen Brief schreiben. Er wird gern antworten, wenn es ihn gibt."
Wie schreibt man einen Brief an den Weihnachtsmann, wenn man gerade erst ein paar Monate zur Schule geht und noch nicht richtig schreiben kann?
Den meisten Kindern war die Aufgabe zu schwer. Und so sehr waren sie an der Frage nicht wirklich interessiert, Hauptsache, die Geschenke blieben nicht aus.
Trudi setzte sich zu Hause an ihren kleinen Schreibtisch,und räumte alles beiseite, was sie stören konnte. Sie verbannte sogar Heidrun aus dem Zimmer.
Sie nahm ein leeres Blatt und fing an:
LIBA WEINAXMAN ICH WA IMA ATICH. ICH WIL EIN TEDI MIT SEUCH.
GIBT ES DICH. TRUDI
Sie malte einen großen Stern unter den Brief und steckte ihn in einen Umschlag, den sie in der Kinderpost fand.
"Mama, schreibst du die Adresse an den Weihnachtsmann drauf?"
"Ja, meine Süße, das will ich tun. Ich stecke ihn dann am Postamt in den Kasten."
Trudi war beruhigt. Nun würde der Weihnachtsmann ihren Brief erhalten und ihr antworten. Voller Stolz erzählte sie Heidrun, was sie unternommen hatte.
Vier Tage später nahm Mama einen Brief an Trudi aus dem Briefkasten. Eine Marke mit einem Tannenbaum war darauf und ein Stempel. Auf der Rückseite klebten sieben goldene Sterne. Trudi öffnete andächtig den Brief. Heidrun beugte sich genauso gespannt über das grüne Briefpapier. In goldener Schrift war zu lesen:
LIEBE TRUDI!
MICH GIBT ES WIRKLICH: DU MUSST FEST AN MICH GLAUBEN , DANN BRINGE ICH DIR DEN TEDDY.
VIELE GRÜSSE VOM WEIHNACHTSMANN.
"Es gibt ihn doch!", empfing Trudi ihre Schwester, als die aus der Schule kam. Sie hielt ihr den Brief unter die Nase. Gundula machte ein ernstes Gesicht: "Hast du daran gezweifelt?", fragte sie scheinheilig. "Ich nicht, aber du", rief Trudi anklagend, "du hast mit Heiko darüber geredet, dass es ihn nicht gibt. Das habe ich genau gehört!"
"Nun weißt du es besser", war alles, was Gundula dazu zu sagen hatte. Heiko murmelte später nur: "Wer glaubt, wird selig." Den Sinn dieser Worte verstand Trudi aber nicht.
Als die Lichter am Tannenbaum glänzten und die Familie das erste Weihnachtslied angestimmt hatte, läutete es an der Haustür. "Nanu", sagte Mama, "wer kommt denn da?" "Der Weihnachtsmann", rief begeistert Heidrun und rannte als erste in den Flur. Trudi stand ganz still da.
"Mama, da ist niemand!", rief Heidrun enttäuscht. "Kein Mann mit einem roten Mantel, niemand!" Trudi fing vor Enttäuschung leicht an zu zittern. Kein Weihnachtsmann? Aber da rief Mama schon: "Heidrun, du hast nicht genau hingesehen! Hier steht ein Sack auf den Stufen. Du musst den Zipfel von der Weihnachtsmannmütze noch gesehen haben! Du warst doch die erste an der Tür!"
Sie packten den Sack aus. Trudi nahm kaum wahr, was die anderen bekommen hatten. Sie drückte einen weichen Teddy an sich, der eine grüne Wolljacke und eine braune Hose trug.
© I. Beddies
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.11.2011.
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