Irene Beddies

Drei Weihnachtsmänner




Endlich war der See fest zugefroren. An einer Stelle war eine größere Fläche blankgefegt, so dass sie glänzte.
Drei Männer tanzten in Weihnachtsmannkostümen übermütig auf dem Eis. Die Musik kam aus einem Kassettenrecorder. Der stand auf einem Schlitten am Rande der gefegten Fläche.
Es war schon dämmrig. Viel Zeit hatten die drei jungen Leute nicht mehr zum Schlittschuhlaufen, sie mussten bald in den Kurs für die diesjährigen Weihnachtsmänner aufbrechen.
Ihre roten Zipfelmützen wehten im Wind, ihre Mäntel flatterten ihnen um die Beine. Die künstlichen Bärte standen etwas steif von ihren Gesichtern ab.
Die Drei hatten viel Spaß, denn sie waren die einzigen auf dem Eis und hatten die Fläche für sich allein.
 
Sie bemerkten nicht, wie ein Vater mit seinem kleinen Sohn auf Schlittschuhen herankam.
„Guck mal, Papa, drei Weihnachtsmänner! Wie kommt das?“, wollte der Knirps wissen.
„Das kann ich dir nicht erklären“, antwortete der Vater ernst, „als ich klein war, habe ich  nur einen gesehen, wenn er am Weihnachtsfest kam.  Aber wir können ja mal fragen.“
Vater und Sohn näherten sich den drei tanzenden Gestalten in den roten  Mänteln. Der kleine Klaus sah ihnen einen Moment lang zu, dann rief er so laut er konnte: „He!.. Hallo!.. Weihnachtsmänner!“
Die drei jungen Leute hielten in ihrem Lauf  inne. „Da haben wir den Salat“, murmelte einer leise. Sie guckten betreten auf Klaus und seinen Vater.
„Warum seid ihr drei?“, fragte der Junge.
 
„Ja, ähäm, - wir sind die Söhne des Weihnachtsmanns, weißt du.“
„Aber was macht ihr hier?“
„Wir haben hart gearbeitet und wollen ein wenig Spaß“, antwortete ein anderer. „Außerdem müssen wir üben, denn wenn zu Weihnachten Glatteis ist, müssen wir auf Schlittschuhen zu den Kindern kommen“, fügte der dritte hinzu.
Klaus starrte sie mit offenem Mund an.
„Es gibt nur einen richtigen Weihnachtsmann!“, brachte er empört vor, „und der kommt mit dem Rentierschlitten! Das weiß ich ganz genau.“
Die drei jungen Leute sahen sich an, dann auf Klaus. Der erste fing wieder an: „Ja, das ist richtig. Du hast recht. Aber…“
„Ihr seid falsch!“, schrie Klaus dazwischen.
„Nein“, beschwichtigte ihn der zweite, „lass dir erklären: Du bist der Sohn von deinem Vater. Wir sind die Söhne vom Weihnachtsmann. Das kannst du verstehen, nicht wahr?“
Klaus nickte, das wusste er ja, dass er Papas Sohn war.
„Siehst du!“, rief wieder der erste. „Dein Papa arbeitet sicher die ganze Woche. Und wenn du groß bist, wirst du auch arbeiten gehen, nicht wahr?“ Klaus nickte zustimmend.
„Eines Tages wird dein Papa so alt sein, dass er nicht mehr zur Arbeit geht. Dann verdienst du Geld und dein Papa setzt sich zur Ruhe.“
Klaus blickte die Männer zweifelnd einen nach dem anderen an. Das hatte er noch nicht gehört.
„So ist das, Klaus. Wenigstens in den meisten Fällen“, stimmte der Vater zu. „Und der Weihnachtsmann ist schon furchtbar alt. Er muss bald an Ruhe denken.“
 
„Genau“, bestätigte einer der Männer, „deshalb müssen wir üben, damit wir es können, wenn es so weit ist.“
„Packt ihr die Geschenke ein?“, fragte Klaus erneut.
„Dieses Jahr tut es noch unser Vater. Vielleicht übernehmen wir im nächsten Jahr die Arbeit.“
„Schade, euch kenn ich jetzt. Den Weihnachtsmann hab‘ ich nie gesehen. Er kommt immer, wenn ich schlafe, und bringt die Geschenke.“
„Wir werden ihm sagen, er soll dieses Jahr früher zu dir kommen. Ist das o.k.?“
„O ja!“, strahlte das Kind.
Der Vater machte ein etwas unglückliches Gesicht. Er hatte eigentlich nicht die Absicht gehabt, einen Weihnachtsmann zu bestellen. Nun musste er es wohl tun.
Eine  Vermittlungsstelle gab es offenbar.
 
„Darf ich mal mit euch laufen?“, bettelte Klaus.
„Ja, zehn Minuten sind wir noch hier, dann müssen wir weiter.“
Zwei der jungen Leute nahmen Klaus an die Hand und liefen mit ihm im Kreis, machten eine Acht, drehten ihn, hoben ihn sogar einmal hoch.
Stolz baute er sich am Schluss vor seinem Vater auf und rief frohlockend:
„Papa, das glaubt mir keiner im Kindergarten!“
„Es ist ja auch etwas ganz Besonderes, mit Weihnachtsmännern zu tanzen“, bekräftigte der Vater und zog seinen Sohn über das Eis zurück zu ihrem Auto am Ufer. Er hatte gemerkt, dass die Burschen sich insgeheim fragten, wie sie aus der Nummer wieder herauskommen sollten.
 
Als die jungen Männer sich die Schlittschuhe auszogen, hörten sie von fern das Kind rufen: „Kommt ihr denn dann zu mir?“
„Wer weiß?“, riefen sie zurück und lachten.


 

© I. Beddies


 
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.12.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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