Jacqueline Brückner

Als es Weihnachten wurde

  
Es war einmal … So fangen die meisten Märchen an. Doch ob dies wirklich ein Märchen ist?
Es war einmal vor einigen Jahren im Dezember, in der Vorweihnachtszeit. Draußen schneite es dicke, weiße Flocken. Die Straßen waren vereist und es wehte ein eisiger Wind, der das klirrende Lied des Winters sang. Da war sie also wieder, diese Zeit, in der es immer etwas hektischer zuging als die restliche Zeit des Jahres. Da war sie wieder, die Zeit, in der es überall nach Bratäpfeln, Zimtsternen, gebrannten Mandeln und Glühwein roch. Da war sie wieder, die Zeit, in der alle ganz besonders freundlich zueinander waren, freundlicher als in der restlichen Zeit des Jahres. Es war auch die Zeit, in der alle Menschen Lieder vom Friede auf Erden und der Liebe sangen.

Und er, nein, er mochte diese Zeit nicht! Er, Benjamin, ein junger Mann Mitte 30 und dennoch vom Schicksal gebeutelt:
Noch vor einigen Jahren war ein richtiger Lebemann. Er war sehr erfolgreich in seinem Beruf als Rechtsanwalt. Er liebte seinen Job sehr, auch wenn er jeden Tag sehr lange und sehr hart arbeiten musste. Aber genau das machte seinen Erfolg aus und das die Menschen, die Menschen, die zu ihm kamen, um nach Rechtsbeistand zu bitten, gern zu ihm kamen. Er kannte nicht nur die Arbeit. Er genoss aber auch die Früchte seines Erfolges. Die Frauenwelt lag ihm zu Füssen. Ein entsprechendes Auto nannte er sein Eigen, ebenso wie eine kleine Villa mit Anwesen. Wenn er die Zeit dazu fand, reiste er quer über den Erdball. Er liebte das Leben und die Frauen und die Frauen liebten ihn.

Doch dann, ganz plötzlich, kurz vor Weihnachten, ereilte ihn das Schicksal, so wie er es nicht erwartet hatte: Seine Sekretärin hörte auf einmal einen kläglichen Schrei aus dem Büro ihres geliebten Chefs. Schnell rannte sie hinein, um nach ihm zu sehen. Da lag er auf dem Boden, sich vor Schmerzen krümmend. Sie überlegte nicht lang, griff zum Telefon und rief den Notarzt …. Sein Körper hatte ihm die Rechnung gezollt für sein hektisches Leben auf der Überholspur. Diagnose: Schlaganfall. Doch scheinbar hatte er an diesem Tag einen Schutzengel, der über ihn wachte und ihm das Leben zum zweiten Mal schenkte. Jedoch musste er dieses nun von Grund auf ändern, denn der Schlaganfall blieb nicht ohne Folgen für ihn. Nicht nur, dass er sehr lange im Krankenhaus bleiben musste. Nein! Durch den Schlaganfall war er auch noch halbseitig gelähmt. Somit konnte er nicht mehr richtig laufen und auch andere Dinge waren nicht mehr so möglich, wie vorher. Es folgten unzählige Therapien und er konnte nicht mehr so viel Zeit in seiner Kanzlei verbringen. Immer wieder musste er Termine verschieben oder absagen. So blieben auch langsam einige wichtige Mandanten aus, die auf ihn und seine Gesundheit nicht Rücksicht nehmen wollten oder nicht konnten. Da er seinen Job immer sehr geliebt hatte, wurde er traurig und verbittert. Auch einige seiner Freunde verlor er. Sie wollten ebenso keine Rücksicht auf ihn nehmen. Die Frauen? Sie wollten keinen Krüppel wie ihn. Sie wollten einen feschen, erfolgreichen, jungen Mann! Nichts war mehr so, wie es vorher einmal war. Er war nicht mehr der gleiche Mensch in seinen Augen. Daran erinnerte er sich jedes Jahr zur Weihnachtszeit. Auch in diesem Jahr!
Doch dann am Heiligen Abend, als er allein in seiner Villa saß und schon einige Gläser Rotwein getrunken hatte, wie jedes Jahr am Heiligen Abend, war plötzlich etwas anders. Es wurde ganz still um ihn. Die Nacht war ruhig und sternenklar. Man konnte ihren Glanz im frischen Schnee funkeln sehen. Er stand auf dem Balkon seiner Villa und schaute in den Sternenhimmel und wie jedes Jahr fragte er sich: „Warum musste ausgerechnet mir das passieren?“ In all der Zeit vorher hatte der Himmel geschwiegen, doch heute erhielt er eine Antwort:
Er saß einen hellen Lichtschein, der immer näher auf ihn zukam. Dann blieb dieser vor ihm stehen und er sah eine weibliche, geflügelte Gestalt, die immer noch sehr hell strahlte.
„Hab keine Angst! Mein Name ist Klara und ich bin Dein Schutzengel! Erinnerst Du Dich noch an mich? Wir sind uns schon einmal begegnet, damals bei Deinem Schlaganfall!“ sagte die Lichtgestalt.
Benjamin rieb sich in den Augen und konnte nicht glauben, was er da sah. Er dachte, dass er zuviel vom Rotwein getrunken hatte und dass alles nur ein Traum wäre.
„Du bist nicht betrunken und ich bin auch kein Traum! Ich bin so echt, wie Du es auch bist!“ sprach die Lichtgestalt weiter.
„Warum kommst Du heute zu mir? Wo warst Du all die Zeit, in der ich Dich so sehr gebraucht habe? Wo warst Du, als ich den Schlaganfall hatte? Wo warst Du, als mir Mandanten ausblieben und Freunde sich von mir abwendeten? Wo warst Du all die Zeit?“ wollte Benjamin voller Verbitterung wissen.
„Ich war immer bei Dir! Die ganze Zeit war ich da und habe über Dich gewacht! Du willst wissen, wieso Du diesen Schlaganfall hattest, warum das Schicksal so ereilt hat? Weißt Du Benjamin, es gibt jemanden, der wollte, dass Du Dein Leben änderst. Das will er immer noch! Er wollte, dass Du nicht mehr nur die Oberfläche der Menschen siehst! Er wollte, dass Du lernst, in die Herzen der Menschen zu sehen! Er wollte, dass Du spürst, dass es einen Unterschied zwischen Freunden gibt! Er wollte, dass Du merkst, dass Geld nicht alles ist, was im Leben zählt. Aber scheinbar hast Du das nicht verstanden und darum bin ich heute hier, um Dir das zu sagen. Er hat mich genau mit dieser Botschaft zu Dir geschickt. Benjamin ändere Dein Leben! Ändere Dein Denken und es wird Dir bald besser gehen! Du wirst nie mehr so leben, wie Du es früher getan hast! Akzeptiere das endlich! Sie das als eine zweite Chance an. Nicht alle Menschen bekommen diese Chance. Doch Du bekommst dieses Geschenk! Und Du sollst noch was wissen: Du brauchst diesen Weg nicht allein gehen! Nicht nur ich werde über Dich wachen, sondern auch ein menschliches Wesen wird Dir zur Seite gestellt werden.“
„Was redest Du da? Und wer bitte soll dieses menschliche Wesen sein? Wieder so ein Vollidiot, der mich nur über den Tisch ziehen will?“ wollte Benjamin, der noch immer sehr verbittert war, wissen.
„Wenn Du nur daran glaubst, anfängst Dein Leben zu ändern und Dein Herz öffnest, wirst Du diesen Menschen erkennen.“
„Und wie soll ich mein Leben ändern?“
„Benjamin, das ist so einfach! So hast so viel, was Du geben kannst. Gib es! Mache weiter Deine Therapien, aber glaube daran, dass Du wieder richtig gesund wirst! Geh hinaus in die Welt und lerne die kleinen Dinge des Lebens zu genießen! Geld und Ruhm sind nicht alles! Verkleinere Deine Kanzlei! Wirf Deine überbezahlte Sekretärin raus, die letztendlich immer nur damit beschäftigt war, für Dich gut auszusehen oder sich an einer Deiner vermögenden Mandanten ranzuschmeißen. Such Dir jemanden an Deine Seite, der Herz hat, der Dich so sieht, wie Du wirklich bist und der letztendlich seine Arbeit wirklich macht. Du wirst sehen, wenn Du Dich nur ein wenig daran hältst, wird sich Dein Leben von ganz allein zum Positiven ändern!“ So sprach der Engel und verschwand.
Benjamin jedoch blieb noch auf dem Balkon stehen. Er hatte nicht gemerkt, wie kalt es eigentlich schon geworden war. Er stand einfach da und starrte auf die Stelle, an welcher der Engel gestanden hatte. Noch immer konnte er nicht glauben, dass das wirklich passiert war. Noch immer glaubte er, dass es alles nur eine Phantasie gewesen wäre, bedingt durch den vielen Wein, den er getrunken hatte. Langsam ging er auf die Stelle zu und nach einigem Hinschauen, entdeckte er genau dort eine kleine weiße Feder mit goldenem Rand und einem kleinem Zettel mit der Botschaft: „Ändere Dein Leben! Glaube! Öffne Dein Herz!“ War es doch alles kein Traum? War es doch keine Phantasie im Alkoholrausch?
Er nahm die Feder und den Zettel, ging hinein, legte alles auf seinen großen, schweren Wohnzimmertisch und beschloss, ins Bett zu gehen.
Als er am nächsten Morgen, dem Morgen des ersten Weihnachtstages aufstand, ging ihm die Geschichte vom Vorabend immer noch nicht aus dem Kopf und er eilte so schnell, wie es für ihn möglich war, zu seinem Wohnzimmertisch. Tatsächlich! Noch immer lagen dort die goldverzierte Feder und der Zettel aus der Nacht zuvor. Also musste es doch alles passiert sein! Nein, er konnte mit keinem darüber sprechen! Das war zu unglaublich! Keiner würde ihm Glauben schenkten! Alle würden ihn für verrückt erklären! Dennoch … Was, wenn der Engel recht hatte? Wie hieß er gleich noch mal? Klara! Was, wenn Klara recht hatte? Sollte er wirklich sein Leben einfach umkrempeln? Sollte es wirklich so einfach sein? Sollte er es wirklich wagen und seine Kanzlei einfach ein wenig verkleinern? Und wie war das mit seiner Sekretärin? Er konnte es nicht herausbekommen, wenn er es nicht versuchen würde!
Die Tage bis zum neuen Jahr nutzte Benjamin, um immer wieder über alles nachzudenken. Die goldverzierte Feder und den Zettel aber nahm er und legte einen Bilderrahmen darum. Dieser hing er seinem Schlafzimmer auf, damit er es jeden Tag beim Zubettgehen und beim Aufstehen sehen konnte. Er wollte daran erinnert werden, was in diesem Jahr am Heiligen Abend geschehen war.
Das Neue Jahr brach herein und voller Tatendrang ging er in sein Büro. Dort angekommen, erwartete ihn schon seine sehr aufgehübschte Sekretärin, der er jedoch mit wenigen Worten und kurzen Dienstanweisungen abspeiste. Eines tat er jedoch allein: Er schallte eine Stellenanzeige für eine neue Rechtsanwaltsfachgehilfin, die ihm beim Umbau seiner Kanzlei behilflich sein sollte. Es dauerte nicht lange und die ersten Bewerbungen trafen ein. Immer und wieder schaute er drüber. Doch wirklich zufrieden war er mit keiner Einzigen. ‚Wie soll ich nur die Richtige finden und wie soll ich es meiner jetzigen Sekretärin erklären, dass ich sie nicht mehr haben möchte, weil es mir ein Engel am Heiligen Abend so geraten hat?’ Beide Fragen beantworteten sich bald von selbst.
Wie durch ein Wunder fiel ihm eine Bewerbung in die Hand, aus dessen Umschlag eine Feder fiel. Er las die Bewerbung und war mehr als zufrieden damit. Sollte sie es sein? Sollte die Feder ein Zeichen gewesen sein? Einige Tage später, nach dem diese Bewerbung eingegangen war, kam es zum Vorstellungsgespräch mit der auserwählten Dame. Benjamin war begeistert von Frau Juliette Moretti, die in seinem Alter war, adrett aussah und auch sehr gutes fachliches Wissen vorwies. Er erläuterte ihr seine Vorhaben, vom Verkleinern der Kanzlei, damit er sich bewusst mehr Zeit für Therapien und andere Dinge nehmen konnte. Damit und auch mit seinen Gehaltsvorstellungen war sie einverstanden. Seine Begeisterung stieg weiter an. Er gab jedoch in diesem Moment noch keine Zusage, denn schließlich musste er seiner aktuellen Sekretärin noch kündigen. „Ich werde Sie in den nächsten Tagen über meine Entscheidung informieren, wenn Sie einverstanden sind!“ verabschiedete er sich. Er war jedoch noch immer ein wenig unsicher. Sollte sie es sein? Sollte sie die Angestellte sein, die er suchte? Ein nächstes scheinbares Zeichen gab es, als Frau Moretti sein Büro verließ: Beim Schließen der Tür fiel wiederum eine weiße Feder zu Boden. Das konnte kein Zufall mehr sein! Sie musste es sein, die ideale Sekretärin für ihn! Seine Entscheidung stand fest!
Gerade als er seiner bisherigen Sekretärin seine Entscheidung mitteilen wollte, stand sie schon in Tür, mit der Bitte um ein Gespräch mit ihm. Da er sowie so mit ihr reden wollte, willigte er ein. Kurz und knapp teilte sie ihm mit, dass sie ihn zum Ende des Monats verlassen werde und er sich um Ersatz kümmern musste. Sie würde jetzt ein besseres Leben führen und hätte es in ihrer neuen Stellung nicht mehr nötig zu arbeiten. So einfach hatte sich Benjamin das Entlassungsgespräch nicht vorgestellt. Er hörte ihr noch eine Weile zu, nickte ab und die notwendigen Papiere wurden vorbereitet.
Gleich am nächsten Tag tat Benjamin einen seiner wichtigsten Anrufe: Er rief Frau Moretti an, mit der Bitte zum nächsten ersten anzufangen. Sie willigte ein und es wurde ein Termin für ein Einstellungsgespräch vereinbart.
Der nächste Erste des Monats kam und Frau Moretti fing in Benjamins Kanzlei an. Gemeinsam verkleinerten sie die Kanzlei. Einige der großen, wichtigen Mandanten, die ihm auch in seiner schweren Zeit beigestanden hatten, blieben Bestandteil. Andere wurde ausgesondert. Dafür war Benjamin nun dazu bereit, einige kleine Aufträge anzunehmen. Durch diese kleinen Aufträge konnte er sich ein wenig Freiraum schaffen. Gemeinsam planten sie genau seine Zeit neu ein, so dass er genau sehen konnte, für was er wann Zeit hatte. Auch optisch änderte sich die Kanzlei. Frau Moretti brachte neuen frischen Wind hinein und wurde sehr schnell zu Benjamins guter Seele. Er vertraute ihr in sehr vielen Dingen und ließ ihr bei ihrer Arbeit viel Freiraum. Sie arbeitete zuverlässig, genau und selbständig. Benjamin war mehr als zufrieden mit ihrer Arbeit. Aber nicht nur in der Kanzlei tat sich viel. Benjamin machte auch mit seinen Therapien Fortschritte und er gewann wieder die Freude am Leben.
Benjamin war glücklich. Und weil er so glücklich war, beschloss er, sich bei Frau Moretti zu bedanken, weil sie in seinen Augen daran nicht ganz unschuldig war. Schließlich hatte sie ihm die ganze Zeit zur Seite gestanden und geholfen. So lud er sie an einem schönen Tag im Herbst zum Abendessen ein und sie willigte ein. Sie genossen den Abend in vollen Zügen und er genoss ihre Nähe heute noch mehr als sonst. So beschloss er, ihr das „Du“ anzubieten. Sein Herz sagte ihm, dass dies das Richtige sei. Sie willigte ein, wobei sie ein wenig verlegen wurde. Von da an verbrachten Benjamin und Juliette nicht nur gemeinsam Zeit in der Kanzlei, sondern auch hin und wieder in ihrer Freizeit. Sie besuchten das Kino oder das Theater. Sie gingen ab und an zusammen Essen oder machten gemeinsame Spaziergänge in der Natur.
Benjamin erfuhr auch immer mehr aus ihrem Leben. So verriet ihm z. B. Juliette auch, dass sie hin und wieder ehrenamtlich mit Kindern zusammen arbeitete. In regelmäßigen Abständen gestaltete sie mit und für Kinder der unterschiedlichsten Altersklassen bunte Nachmittage, an denen gebastelt, gebacken, gesungen, getanzt und vorgelesen wurde. Es handelte sich bei diesen Kindern um so genannte Schlüsselkinder. Also Kinder, die nach der Schule allein zu Hause waren, weil deren Eltern zur Arbeit gingen. Diese Kinder hatten keinen Ort, wo sie nach der Schule hingehen konnten oder keinen, der ein wenig Zeit mit ihnen verbrachte. Die Kinder waren sehr dankbar dafür, dass es Menschen, wie Juliette gab und die ihnen das schenkte, was sich Kinder wünschen: Zeit. Höhepunkte dieser Arbeit waren u. a. Lesenachmittage an denen Kinder ihr Lieblingsbuch vorstellen und daraus vorlesen durften. Und zweimal im Jahr wurde ein Theaterstück aufgeführt, ganz öffentlich für die Sponsoren, die Eltern und die Familien. Das war ihre Art, sich zu bedanken. Dies geschah einmal zum alljährlichen Sommerfest und einmal zur Weihnachtsfeier. Dabei durften die Kinder selbst mitwirken und konnten auch immer wieder ihre Ideen einbringen. Es gab auch einige Erwachsene, die Juliette bei dieser Arbeit unterstützten. Dies geschah entweder durch Geld- oder Sachspenden oder einfach durch ihre Mitarbeit. So konnte im Laufe der vielen Jahre, die Juliette dieses Projekt schon betreute der Verein „Engel übern Regenbogen e. V.“ gegründet werden. Juliette sah die Erwachsenen als kleine helfende Engel an und den Regenbogen als ein Symbol der Magie, die sie selbst spürte, wenn sie in dankbaren Kinderaugen sah.
Benjamin fand ihre Arbeit interessant, weil es doch letztendlich so einfach war, sich einfach hin und wieder mit ein paar Kindern zu beschäftigen. Dennoch war diese Arbeit auch so wichtig und so wertvoll. Nicht alle Kinder, die zum Verein kamen, hatten ein gutes Elternhaus. Nicht alle Kinder kannten es, dass man ihnen Zeit zum Basteln, Kochen, Backen usw. verbrachte. Viele Kinder kannten es auch nicht, dass ihnen vorgelesen wurde oder sie selbst mal jemanden etwas vorlesen durften. Außerdem war Benjamin der Meinung, dass gerade durch Vorlesen und diese besonderen Lesenachmittage Kinder an Bücher herangeführt wurden und das auch ihr Sprach- und Leseverständnis verbesserte. Was Benjamin aber auch faszinierte, war der Name des Vereins: „Engel übern Regenbogen e. V.“. Das erinnerte ihn gleich wieder an seinen Engel, an Klara, die ihm in der Heiligen Nacht erschienen war und ihm doch etwas versprochen hatte .... Als Juliette ihm von seiner ehrenamtlichen Arbeit so erzählte und er gespannt zuhörte, fiel ihm all das, was ihm Klara damals gesagt hatte wieder ein. ‚Schon komisch, wie sich alles so gefügt hat bis jetzt! Sollte dieser Verein, mit diesem Name etwa auch wieder ein Zeichen sein? Sollte es Wink des Engels dafür sein, dass ich auf dem richtigen Weg bin und das Juliette die Frau ist, von der damals die Rede war?’ grübelte Benjamin ein wenig vor sich hin.
Als Benjamin an diesem Tag nach Hause kam, ging er sofort in sein Schlafzimmer, wo noch immer der Bilderrahmen mit der Botschaft und der Feder des Engels hing. Ja, er hatte angefangen, sein Herz zu öffnen! Ja, er hatte angefangen, zu glauben, an das Gute im Menschen der Herzen, an sich selbst und er hatte auch angefangen zu glauben, dass es doch hin und wieder Wunder gibt. Sein Leben, ja das hatte er auch verändert! Total und Radikal! Er war nicht mehr der Lebemann von früher und er scharrte auch nicht mehr so viele Frauen um sich, die ihm zu Füssen lagen. Aber er war auch nicht mehr so verbittert und frustriert. Er gab sich mit dem, was er hatte, zufrieden. Erfolgreich war er immer noch in seinem Job als Anwalt, auch wenn er die Kanzlei verkleinert hatte, also seinen Mandantenstamm reduziert hatte. Es tat ihm aber gut, sich hin und wieder Auszeiten nehmen zu können, auch ohne großartig in der Welt herumzureisen. Ja, er war doch ein anderer Mensch geworden und vielleicht war er auch glücklicher als er es vorher war. Scheinbar hatte der Engel auch Recht gehabt, mit all diesen Dingen, die er gesagt hatte. Nun war Benjamin einfach nur glücklich und dankbar, dass er diesem Engel begegnet war und auf seine Worte vertraut hatte.
Aber etwas wollte er noch tun: Er fand die ehrenamtliche Arbeit so wichtig, die Juliette tat und er wollte gern etwas dazu beisteuern. Also beschloss er, regelmäßig etwas Geld für den Verein zu spenden. Aber er beschloss auch, Juliette vorerst noch nix davon zu sagen. Er besorgte sich einfach die Kontodaten des Vereins über dessen Internetseite und überwies etwas Geld.
Juliette bemerkte das natürlich. Zuerst merkte sie es, als sie die Kontoauszüge des Vereins kontrollierte und später im Büro sah sie den gleichen Betrag wieder als Abgang auf dem Kontoauszug ihres Chefs. Aber auch sie wollte zunächst schweigen und nahm diese Spende mit einem dankbaren Lächeln hin. So sprachen sie zunächst beide nicht darüber, auch nicht, als im nächsten Monat wieder der gleiche Betrag auf dem einen Konto zufloss und bei dem anderen Konto abging.
So ging wieder einige Zeit ins Land. Sie genossen beide sichtlich die Zeit, die sie miteinander hatten und kamen sich so auch wieder ein ganzes Stück näher. Benjamin genoss ihre Nähe sehr und konnte dies nun auch nicht mehr recht verbergen. Immer wenn er sie ansah, sah mein ein leichtes Funkeln in den Augen und seine Lippen fingen an zu schmunzeln. Benjamin spürte in sich tief drin, dass er mehr von Juliette wollte. Aber er wollte auch vorsichtig sein, nichts übereilen. Außerdem wusste er ja nicht, wie es in Juliettes Herzen aussah, ob sie sich auch zu ihm hingezogen fühlte oder ob sie vielleicht einfach nur Mitleid mit ihm hatte, auf Grund seiner Lebensgeschichte. Sein Gesundheitszustand hatte sich zwar verbessert und war auch stabil, dennoch fühlte er sich schon noch hin und wieder als Krüppel, da sein Bein noch immer gelähmt war und er deswegen hinkte bzw. auch Krücken zu Hilfe nehmen musste. Schnell aber schob er seine trüben Gedanken weg und wollte weiter nach vorn schauen. Nein, in den letzten Monaten war ihm so viel Gutes widerfahren! Dafür wollte er einfach von ganzem Herzen dankbar sein! Und er wollte weiterkämpfen für sich, aber auch ein wenig für Juliette.
 
Als er so grübelte, fiel ihm ein, dass im Verein bald wieder Lesenachmittag sein sollte. Da bekam er eine Idee und rief kurzerhand Juliette zu sich:
 
„Juliette ist nicht auch bald wieder Lesenachmittag bei Euch?“ fragte er sie.
 
„Ja, schon nächsten Donnerstag!“
 
„Hast Du schon jemanden, der sein Lieblingsbuch vorstellen wird?“
 
„Nein! Warum fragst Du? Ich wollte den Aushang auch erst heute Nachmittag machen, wenn ich im Vereinshaus kurz vorbeigehe.“
 
„Ich würde euch gern mein Lieblingsbuch aus Kindertagen vorstellen! Was hältst Du davon?“ wollte Benjamin von ihr wissen und war dabei von seiner Idee selbst sehr begeistert. Jetzt wartete er nur auf ihre Reaktion. Würde sie zustimmen oder eher ablehnen? Schließlich sollte dabei ja Kinder ihre Lieblingsbücher präsentieren und nicht Erwachsene.
 
„Weißt Du was? Ich finde die Idee sehr schön! Das ist mal was anderes, wenn ein Erwachsener, erst recht ein Rechtsanwalt, sein Lieblingsbuch aus Kinderzeiten vorstellt. Ich denke, dass kommt bei den Kindern ziemlich gut an! Die Kinder werden sich bestimmt noch mehr freuen, wenn sie erfahren, dass dieser liebe Rechtsanwalt regelmäßig für sie spendet!“ antwortete sie ihm mit einem verlegenen Lächeln im Gesicht.
 
Jetzt war Benjamin auch sehr verlegen und wusste nicht so recht, was er darauf antworten sollte. Also schwieg er zu ihrem letzten Satz und meinte nur, dass sie ihm einfach sagen sollte, zu welcher Zeit er vor Ort sein sollte und was er mitzubringen hat.
 
Wieder entgegnete Juliette Benjamin mit einem Lächeln. Sie stand auf, ging zur Bürotür, drehte sich nochmals kurz um zu ihm und sagte: „Bring einfach ein paar Hausschuhe, Dich, Dein warmes Herz und Dein Lieblingsbuch mit, auf welches ich jetzt schon gespannt bin.“ gab sie ihm zur Antwort und ging zur Tür hinaus. Nach wenigen Augenblicken ging die Bürotür nochmals auf und sie kam nochmals mit einem Lächeln und glänzenden Augen herein: „Ach so, vier Dinge wollte ich Dir noch sagen, Benjamin: 1. Die Hausschuhe sind eigentlich nur ein Symbol dafür, dass wir es uns gemütlich machen, zu diesem Lesenachmittag. Wenn Du das nicht möchtest, brauchst Du auch keine mitbringen! 2. Du brauchst keine Angst haben, dass Du den Termin verpasst! Ich werde Dich daran sehr gern erinnern! 3. Du brauchst auch keine Angst vor den Kindern haben, denn ich werde ja bei Dir sein! Und 4. Bitte verrate mir nicht, wie Dein Lieblingsbuch aus Kindertagen heißt! Ich möchte mich selbst überraschen lassen!“ So sagte sie, was sie sagen wollte und ging wieder hinaus.
 
Benjamin konnte es nicht fassen, Juliette hatte tatsächlich eingewilligt! Sie wollte auch nicht wissen, wie sein Lieblingsbuch damals als Junge hieß. Angst sollte er auch nicht haben, denn schließlich war sie dabei! Ja, dieser Gedanke gefiel ihm sehr! Wieder einmal saß er in den Gedanken versunken da und fing wieder einmal an zu lächeln. Ja, Juliette war bei ihm! Darauf freute er sich schon sehr! Sie war immer bei ihm, wenn er sie wirklich brauchte! Und manchmal ... Manchmal schien sie das einfach auch ohne Worte zu spüren, dass er sie brauchte.
 
So kam der Donnerstagnachmittag der darauffolgenden Woche. Benjamin hatte sich gut darauf vorbereitet und er war sehr aufgeregt, auch wenn es sich bei seinen Zuhörern doch eigentlich nur Kinder handelte und Juliette. Diese ging an diesem Tag schon ein wenig eher, da sie noch einige Vorbereitungen im Vereinshaus zu erledigen hatte. Leider konnten sie sich vorher nicht noch einmal sehen, da Benjamin zuvor einen Gerichtstermin hatte. Von diesem wollte er nur noch schnell ins Büro seine Sachen holen und sich dann direkt auf dem Weg zum Vereinshaus machen. Als er im Büro ankam, fand er auf seinem Schreibtisch einen Karton und einen Zettel. Er öffnete den Karton und es schauten ihn ein paar Hundeplüschhausschuhe an. Auf dem Zettel stand:
 
„Lieber Benjamin, diese Hausschuhe sind für Dich. Sie werden Deine Füße und Deine Gedanken dann schön warm halten! JIch weiß, dass Du keine mitgebracht hast, weil Du sie bestimmt vor lauter Aufregung zu Hause vergessen hast. JWenn Du sie aber nicht anziehen möchtest, ist es auch nicht so schlimm J! Ich bin schon sehr gespannt auf Dich und Dein Buch! Wir sehen uns dann gleich im Vereinshaus. Alles Liebe und bis später! Juliette“
 
Nachdem er die Hausschuhe gesehen und den Zettel gelesen hatte, ging ihm sein Herz noch weiter auf und er fing laut an zu lachen. Ja, er hatte tatsächlich seine Hausschuhe zu Hause vor lauter Aufregung vergessen! Er wollte ja unbedingt welche anziehen, schon allein, um Juliette damit eine Freude zu machen. Aber dann ... Halt einfach vergessen! Wie gut ihn mittlerweile seine Sekretärin kannte! Er konnte es nicht glauben! Umso dankbarer war er jetzt für diese Hausschuhe und natürlich wollte er sie dann auch tragen! Schnell packte er sie und sein geheimnisvolles Kinderbuch ein und eilte zum Vereinshaus.
 
Dort angekommen, stieg seine Nervosität weiter an. Was würden wohl alle sagen zu seinem Kinderbuch? Konnte er es auch gut genug rüberbringen? So was hatte er ja noch nie zuvor gemacht! Voller Aufregung ging er hinein. Seine Augen wurden immer größer. Wie schön es doch hier war! So hatte er sich nicht vorstellt! Alles ganz bunt und wohnlich zugleich. Man spürte sofort eine gewisse warme Atmosphäre und das man hier willkommen war. Im Eingangsbereich fand man eine Gardarobe und einen Wegweiser, damit man zunächst seine unnötige Kleidung ablegen konnte und später dann den Weg zum richtigen Raum fand. Er folgte zunächst den Wegweisern, die ihn in den Lesesaal im ersten Stock führten. Hier hin sollte er kommen, hatte ihm Juliette heute früh bei der morgendlichen Besprechung noch gesagt. Auf seinem Weg dorthin hörte sein Staunen nicht auf. Das was er schon im Eingangsbereich gesehen hatte, sah er auch hier: Bunt gestaltete Wände, überall Pflanzen und kleine Dekorationsmittel. Alles zusammen strahlte eine unwahrscheinliche Wärme aus. Er fühlte sich sehr wohl hier. Nun endlich stand er vor dem Lesesaal, dessen Tür zu war und auf der in großen Buchstaben stand: „LESESAAL - Bitte nur mit Hausschuhen oder Socken betreten! Bei Lesenachmittagen ist die Tür geschlossen zu halten. Eine Information dazu erhaltet ihr jeweils am ‚Schwarzen Brett’. In diesem Raum und davor wird um Ruhe gebeten, damit alle in Ruhe lesen können und/ oder dem Vorgelesenen zuhören können! Vielen lieben Dank! Eure Engel J“ Während er das las, hatte er gar nicht gemerkt, dass sich Juliette ihm bereits angenähert hatte. Daher war er ein wenig erschrocken, als sie ihn liebevoll und mit einem Lächeln auf den Lippen begrüßte.
 
„Hallo Benjamin! Schön, dass Du schon da Du bist! Ich hoffe, dass bei Gericht alles klar gut gegangen ist. Komm wir haben noch ein wenig Zeit. Lass uns in mein Büro gehen. Dort kannst Du alles ablegen, was Du dann nicht brauchst!“
 
„Ja, es ist alles klar gegangen! Da können wir morgen früh wieder drüber sprechen, wenn wir wieder in meinem Büro sind!“ antwortete er. Dann sah er verlegen zum Fußboden und sagte: „Danke auch für Deinen Karton!“ Dabei wurde er ein wenig rot.
 
„Kein Problem! Aber wenn Du nicht möchtest, brauchst Du die Hausschuhe nicht anzuziehen und darfst ausnahmsweise mit Straßenschuhen in den Lesesaal. Es ist halt nur so bei uns, dass dieser Raum und unser Relaxraum mit Teppichboden ausgelegt sind, um eine etwas andere Atmosphäre zu schaffen, um es wohnlicher zu machen. Daher haben wir halt die Regel aufgestellt, dass diese Räume nur mit Hausschuhen oder in Socken betreten werden sollen.“
 
„Nein, nein! Ich werde die Hausschuhe gern anziehen! Du hattest mit Deiner Botschaft nämlich Recht! Ich habe wirklich meine vor lauter Aufregung daheim vergessen!“ sagte er gleich. Nicht nur das er Juliette damit eine Freunde machen wollte, in dem er ihre Hausschuhe trug. Nein, er wollte sich auch den hier geltenden Regeln unterordnen. Hier gaben andere die Regeln vor, an der er sich jetzt zu halten hatte. Das wollte er auch tun.
 
Nun waren sie im Laufe des Gesprächs in Julietts Büro angekommen. Es war klein, aber fein und ebenso liebevoll eingerichtet, wie alles andere hier im Haus auch. „So, nun siehst Du, wo ich die Zeit verbringe, die ich nicht mit Dir verbringe! Na gut, wenn ich ehrlich bin, findet man mich eigentlich selten im Büro oder hauptsächlich wenn ich Abrechnungen usw. mache. Die Hauptzeit hier verbringe ich dann doch mit unseren Kindern und Jugendlichen, die im Übrigen schon ganz neugierig auf Dich sind, weil sie auf einen echten Rechtsanwalt treffen.“ sagte sie, wobei sie schmunzelte. „Wenn Du möchtest, kannst Du gern Deine Sachen hier lassen. Da kommt auf keinen Fall was weg, weil ich dann hier auch abschließen werde. Wenn Du möchtest, kannst Du gern auch vorher noch etwas trinken! Sag es mir ruhig!“ fuhr sie fort. „Weißt Du was ich jetzt möchte? Ich möchte gern die Räume hier sehen, wenn Du nichts dagegen hast und wir noch ein wenig Zeit haben. Meine Sachen würde ich aber schon gern hier lassen.“
 
Juliette nickte und zeigte ihm das ganze Objekt: In der ersten Etage befand sich neben dem Lesesaal und ihrem Büro noch der schon erwähnte Relax- bzw. Ruheraum. Hier war alles ein wenig abgedunkelt. „Hier können die Kinder leise Musik hören, sich ein wenig zurückziehen. Da wir auch Jugendliche haben, die herkommen, nutzen sie das auch gern als Rückzugspunkt für erste Annäherungsversuche.“ Erzählte sie ihm. Dabei musste sie ein wenig lachen. „Keine Angst! Wir kontrollieren in regelmäßigen Abständen, damit kein Blödsinn passiert! Aber weißt Du Benjamin, viele Jugendliche wollen den ersten Flirt nicht mit nach Hause nehmen oder dürfen es auch nicht, gerade bei den ausländischen Kindern ist das so. So haben sie hier einfach ein Versteck, einen kleinen Rückzugspunkt, wo sie sich letztendlich kontrolliert näher kommen können! Wir klären auch unsere Kinder hier auf! Sie kennen die klaren Regeln, an die sich alle zu halten haben! Diese Regeln besagen: Keinen Sex! Keine Drogen! Keine Zigaretten! Kein Alkohol! Keine Gewalt, egal in welcher Form!“ erklärte sie ihm. Benjamin sah sich einfach alles in Ruhe an und hörte ihr gespannt zu. Er wollte jetzt einfach nichts dazu sagen, sondern einfach ihr die Regie überlassen. Zum Schluss gelangten sie noch zum Hausaufgabenzimmer, in welchem die Kinder auch gern ihre Hausaufgaben erledigen konnten. Hier erfuhr Benjamin, dass Kinder dieses Angebot sehr gern annahmen, es aber freiwillig war. Hin und wieder gaben hier auch größere Schüler den Kleineren Nachhilfe. Über die Treppe gelangten sie wieder nach unten in das Erdgeschoss. Hier gab es nun neben der Gardarobe eine gemeinsame Küche, in der gemeinsam gekocht und gebacken wurde, einen Kreativraum zum Basteln und Gestalten mit einer kleinen Spielecke für die Kleineren, den Aufenthaltsraum der Betreuer und die sanitären Anlagen. Benjamin war von allem, was er sah, sehr begeistert. Dennoch schwieg er. Er wollte einfach alles auch ein wenig wirken lassen. Hinzu kam seine Aufregung vor der bevorstehenden Lesung.
 
Auf einmal nahm Juliette seine Hand und sagte: „Komm, gehen wir ins Büro Dein Buch holen und dann ist es soweit, Herr Rechtsanwalt! Ich bin genauso gespannt, wie die Kinder und genauso dankbar wie sie für Deine tolle Idee!“ sagte sie zu ihm und zog ihn schon mit sich, in ihr Büro. Sie holten das Buch, was er in Papier eingepackt hatte und seine Hausschuhe und gingen gemeinsam zum Lesesaal, wo sich jetzt die Türen öffneten. Es kam ihnen ein Geruch von warmen Tee und frischen Keksen entgegen. In kleine Gänge geteilt, standen Bücherregale zwischen denen wiederum Tische mit Stühlen standen. Hin und wieder wurde das ganze Bild von einem Sessel oder einem kleinem Sofa unterbrochen. Am anderen des Raumes, der wirklich sehr groß war, lagen Kissen und Decken auf dem Fußboden, die einen Halbkreis bildeten. Vorn in dessen Mitte stand ein alter Ohrensessel, der mit rotem Samt überzogen war. Benjamin war mehr als begeistert von dem, was er sah. Er konnte es kaum glauben. Wie in einer kleinen Bibliothek sah es hier aus und so fühlte man sich auch.
 
„Wo habt ihr all die Bücher her?“ fragte er ganz neugierig.
 
„Das sind alles Spenden! Du ahnst gar nicht, wie viele Bücher heute weggeworfen werden, obwohl sie doch noch in Ordnung sind. Wir sind dankbar für jedes Buch, was wir bekommen können, zumindest wenn es noch ganz ist und wir es auch für unsere Kinder und Jugendlichen verwenden können.“ antwortete Juliette
 
„Hier habt das hier echt schön gemacht!“ sagte Benjamin voller Begeisterung, wobei seine Augen strahlten.
 
„Die Kinder sagen, dass das hier unsere kleine Schatzkammer ist! Vielleicht haben sie damit auch ein wenig Recht. Nur muss man diese Schätze selbst finden. Es ist so Brauch an den Lesenachmittagen, dass unsere Zuhörer unten Platz nehmen auf den Kissen usw. Meist kuscheln sich die Kinder ein wenig in die Ecken ein. Sie können dabei Kekse essen und Tee trinken. Der Vorleser hat die Ehre in diesem alten Sessel zu sitzen, der sehr bequem ist. Einige unserer Vorleser wollen dann auch eine Decke. Vielleicht um sich dem Bild der anderen anzupassen. Aber mach Du es, wie Du es gern möchtest. Ich bin auf jeden Fall an Deiner Seite! Ich werde Dich kurz vorstellen und dann überlasse ich Dir das Feld!“
 
Mittlerweile hatte Benjamin seine lustigen Plüschhausschuhe angezogen. Auch der Raum füllte sich. Er beobachtete alles, was um ihn herum geschah, insbesondere Juliette, die hin und wieder mit großen und kleinen Gästen sprach, wobei sie es nicht lassen konnte, ihm hin und wieder einen verlegenen Blick zu zuwerfen. Seine Nervosität stieg sichtlich. Dann auf einmal wurden die Türen des Lesesaals geschlossen und sie kam wiederum auf ihn zu. Wieder nahm sie seine Hand und zog ihn sacht nach vorn zu dem alten Ohrensessel. Nun fing sie an zu sprechen und ließ dabei seine Hand nicht los. Entweder war sie gerade ebenso aufgeregt wie er oder sie wollte ihm einfach nur seine Angst nehmen oder sie wollte einfach nur seine Hand festhalten, weil sie sich dabei wohl fühlte.
 
„Meine Lieben! Danke, dass ihr so zahlreich heute erschienen seid. Heute ist unser Lesenachmittag etwas ganz Besonderes. Diesmal stellt keiner von Euch sein Lieblingsbuch bzw. seine Lieblingsgeschichte vor, sondern diesmal erzählt uns ein Erwachsener von seinem Lieblingsbuch aus seiner Kindheit. Und auch dieser Erwachsene, den wir heute zu Gast haben, ist ein ganz besonderer Mensch: Er ist ein erfolgreicher aber trotzdem warmherziger Rechtsanwalt, der regelmäßig für unsere Arbeit mit Euch Geld spendet.“ begrüßte sie alle. Und mit einem Lachen fügte sie hinzu: „Außerdem ist Benjamin auch mein Chef! Aber wenn er mir nicht die Möglichkeit gäbe, hätte ich nicht so viel Zeit für Euch!“
 
Alle lachten auf. Selbst Benjamin. Doch schon einen Moment danach ging das fröhliche Lachen in Klatschen über, weil sie dankbar waren für die Spenden, die er regelmäßig überwies. Jetzt bat Juliette ihn, Platz zu nehmen. Sie schaute ihn in die Augen, gab ihm einen zaghaften Kuss auf die Wange, lächelte ihn an und setzte sich zu anderen auf den Fußboden.
 
Ganz perplex schaute Benjamin sie an. ‚Was war das gerade?’ fragte er sich. Nein, er konnte jetzt nicht darüber nachdenken. Jetzt war er hier für die Kinder und er wollte ihnen eine Geschichte aus seiner Kindheit erzählen. Alle schauten ihn an und warteten und er wollte, dass das Warten für alle ein Ende hatte.
 
Er holte noch einmal tief Luft und erzählte ihnen die wunderbare Geschichte von „Josef, der verlorene Sohn“. Ja, sein Lieblingsbuch in der Kindheit war eigentlich eine Geschichte aus der „Bibel“. Es war die Geschichte, eines Jungen, der von seinen Brüdern verstoßen, verraten und verkauft wurden war. Mit Gottes Hilfe jedoch fand er einen Platz im Hause des Pharao. Doch wieder wurde er verraten, als er beschuldigt wurde, Unrechtes getan zu haben. So kam er ins Gefängnis für lange, lange Zeit. Doch Gott wachte über ihn und schenkte ihm eine besondere Gabe. Josef konnte Träume deuten. Als der Pharao davon erfuhr, ließ er ihn begnadigen und er trat erneut in seine Dienste. So war es möglich, dass Josef dem ägyptischen Volk zu Nutzen werden konnte und es durch eine schwere Dürre führen konnte. Während dieser langen Dürrezeit eilte das Volk zu den gefüllten Kornkammern des Pharaos. Aber auch andere Menschen, aus anderen Regionen kamen. So kamen auch seine Brüder, um nach Korn zu bitten. Doch sie erkannten ihren eigenen Bruder zunächst nicht. Er war gealtert, hatte Frau und Kinder und letztendlich sahen sie in ihm einen Ägypter. All die Erinnerungen an das, was sie ihm angetan hatten, kamen in Josef hoch. Doch er ließ am Ende die Vergebung siegen und verzieh seinen Brüder, brachte die Familie wieder zusammen.
 
Diese wunderbare Geschichte von Vergebung erzählte nun Benjamin den Anwesenden. Hin und wieder las er ein Stück aus seinem kleinen Buch vor. Alle lauschten ganz gespannt und am Ende wollte ein Junge wissen, warum er diese Geschichte so gern hatte. „Weißt Du, mein Junge. Diese Geschichte hat einen wichtigen Inhalt: Vergebung! Nicht der Hass oder Neid bringt uns voran oder macht uns glücklich, sondern die Vergebung, wenn uns etwas angetan wurde. Ich bin zwar Rechtsanwalt und zu mir kommen viele Menschen, den Unrecht widerfahren ist. Aber Unrecht und Unrecht ist nicht das Gleiche. Und selbst wenn wir vor Gericht gehen, um dort Recht zu bekommen, ist es dennoch wichtig, dass wir dem Menschen, dem wir etwas angetan haben, um Vergebung, Entschuldigung zu bitten. Und für den anderen ist es wichtig, dass er vergeben kann, auch wenn es manchmal eine Zeit lang dauert, bis wir soweit sind. Weil diese Geschichte einen so wichtigen Inhalt hat, hab ich sie so gern.“ antwortete Benjamin, ohne groß darüber nachdenken zu müssen. Als fertig gesprochen hatte, war es ganz ruhig im Raum geworden und auch Juliette war sprachlos. Er sah, wie ihr eine Träne das Auge hinunter floss, die sie aber schnell wegwischte, damit es keiner sehen konnte. Nach Minuten der Stille stand Juliette endlich auf. Alle klatschten noch einmal und sie übergab ihm als Dankeschön einen Strauß Blumen. Dabei drückte sie ihn erneut und flüsterte ihm ins Ohr: „Das hast Du gut gemacht! Alle waren sehr beeindruckt! Ich auch!“
 
Plötzlich drängelten sich ganz viele Kinder um die Beiden, die ganz viele Fragen an Benjamin hatten. Sie wollten so viel über seinen Beruf wissen und über ihn. Doch Juliette brach das Gedränge mit einem Vorschlag ab: „Was haltet ihr davon, wenn wir Benjamin nochmals einladen und er uns vielleicht was über seinen Beruf erzählt, aber nur wenn er Lust hast?“ Die Kinder klatschten mit Begeisterung in die Hände und riefen laut: „Bitte! Bitte! Bitte!“ Benjamin konnte weder den Kindern und erst Recht nicht Juliette diesen Wunsch abschlagen. Er verabschiedete sich von Kindern und ging mit Juliette in ihr Büro.
 
„Danke Benjamin!“
 
„Für was?“
 
„Für das alles hier! Die Geschichte hast Du wunderschön erzählt, auch wenn sie vielen doch bekannt ist. Die Kinder waren begeistert von Dir und sie konnten nicht glauben, dass ein Rechtsanwalt eine solche Geschichte in seiner Kindheit sehr gern hatte. Wenn ich ehrlich bin, kann ich das selbst auch immer noch nicht so recht glauben. Du hast mich sehr beeindruckt! Ich bin Dir auch sehr dankbar dafür, dass Du bei meiner spontanen Idee gleich eingewilligt hast, obwohl ich Dich doch überfahren habe. Du bist ein guter Mensch Benjamin!“
 
„Juliette! Du bist doch ebenso ein guter Mensch! Schau doch, was Du alles leistest, hier und in der Kanzlei. Ich ziehe meinen Hut vor Dir, wie Du das alles machst.“
 
Auf einmal klopfte es an der Tür. Kinder standen davor und wollten Juliette ganz dringend draußen sprechen. Sie ging für einen Moment hinaus und kam mit einem Lächeln im Gesicht wieder rein.
 
„Hast Du am Samstagabend bzw. Samstagnacht schon etwas?“ wollte sie nun auf einmal von Benjamin wissen.
 
„Nein! Bis jetzt noch nicht! Warum fragst Du?“
 
„Wir machen diesen Samstag unsere Sternenwanderung mit Picknick bzw. Lagerfeuer unterm Sternenzelt. Wir beobachten dabei den Sternenhimmel, schauen uns Sternbilder an und auch Planeten, die wir finden können. Auch ein Ausflug ins Planetarium ist dabei. Das ist vor dem Lagerfeuer der große Höhepunkt. Das ist immer sehr schön! Die Kinder möchten gern, dass Du dabei bist. Sie wollen sich mit dieser Einladung bei Dir bedanken. Ich finde diese Idee sehr schön und ich würde mich auch sehr freuen.“
 
Wow, das klang ein wenig nach Abenteuer, einer Entdeckungsreise und auch ein wenig nach Romantik. Da er noch nichts geplant hatte, nahm er dankend die Einladung an. Die Kinder hatten unter dessen an der Tür gelauscht. So konnte man kurz nach seiner Zusage laute Jubelschreie auf den Gängen hören. Juliette und Benjamin lachten nur.
 
Nun war es aber doch Zeit für Benjamin zu gehen. Er wollte nach diesem Erlebnisreichen Tag dann doch erst einmal tief Luft holen, um alles zu verarbeiten. So vieles Neues war auf ihn eingeflossen und so viele schöne Momente hatte er heute erlebt. Das musste einfach verdaut werden. Er wollte nur schnell noch Juliette die Hausschuhe wieder geben, als sie ihm entgegnete: „Nein! Behalte sie ruhig! Du kannst sie gebrauchen. Vielleicht ist Dir dann nicht mehr ständig kalt an den Füßen!“
 
„Danke Juliette! Wir sehen uns dann morgen!“ sagte er schüchtern, drückte sie zögerlich und kurz und ging.
 
So ging dieser sehr aufregende Tag langsam zu Ende. Als Benjamin zu Hause angekommen war, machte er es sich aber noch einmal richtig gemütlich, nachdem er das Feuer im Kamin angezündet hatte. Er öffnete eine Flasche Rotwein und zündete ein paar Kerzen an. Dann setzte er sich in einer seiner Sessel und lehnte sich einfach zurück. Dabei ging er einfach seinen Gedanken nach. Er schloss ein wenig die Augen und träumte vor sich hin, von all dem, was er heute erlebt hatte. Noch immer war er davon fasziniert, wie das Vereinshaus aussah. So einladend und gemütlich hatte er sich nicht vorgestellt. Auch die vielen Möglichkeiten, die die Kinder und Jugendlichen dort hatten, fand er toll.
 
Irgendwie hatte er bei diesem kurzen Rundgang mit Juliette auch seinen persönlichen Lieblingsraum entdeckt: Den Lesesaal. Er fand es super, wie man Kindern Wissen in Büchern vermittelte und somit auch die Freude am Lesen. In diesem Raum verspürte er eine ganz besondere Atmosphäre. Dieser Raum erinnerte ihn an seine Kindheit und an die alte Bibliothek seines Großvaters, der auch sehr, sehr viele Bücher hatte. Wie gern stöberte er dort in diesen! Wie oft hatte man ihn dort gefunden, wenn man ihn sonst nirgends fand. Hin und wieder war er auch beim Blättern durch die Bücher eingeschlafen. Dann legte ihm seine Großmutter einfach eine Decke über den Schoss, damit er nicht fror. Und an Weihnachten ... Ja, an Weihnachten stand in dieser Bibliothek ein kleiner Weihnachtsbaum, der dem Raum gerade dann noch einmal eine besondere Wärme gab. Ja, er liebte diesen Raum bei seinem Großvater sehr. Hier hatte er sein Interesse an Wissen entdeckt und auch das Interesse an seinem späteren Beruf. Auch sein Großvater war Rechtsanwalt und oftmals saß er dort und wälzte große Gesetzesbücher. Als Benjamin das entsprechende Alter ging er ihm gern zur Hand und suchte einfach Gesetzestexte für ihn heraus. Oh wie spannend war das für den Jungen Benjamin! Aber nicht nur das, war es, was ihn an seine Kindheit und seinen alten Großvater erinnerte. Auch die Geschichte von Josef hatte er ihm vorgelesen, immer wieder! Immer wieder bläute ihm der Großvater ein ‚Benjamin, neben der Liebe ist das wichtigste Gut, was wir uns tragen, die Kraft und Macht der Vergebung! Merke Dir das gut! Egal, wie viel Leid Dir widerfahren wird im Leben, vergib stets Dir selbst und Deinen Nächsten, denn oftmals tun wir Dinge, einfach so aus dem Bauch heraus, ohne vorher zu wissen, ob es richtig oder falsch war. Erst später erfahren wir die Konsequenzen und können das sehen. Verzeihe den Menschen, die Dir etwas angetan haben und bitte andere Menschen um Verzeihung, wenn Du ihnen Leides getan hast!’
 
Benjamin war aber nicht nur in Gedanken bei seinem alten Großvater und der Bibliothek, sondern er war auch in Gedanken bei Juliette, die ihm immer mehr gefiel. Wie viel Gefühl und Zeit sie doch, neben ihrem harten Arbeitstag bei ihm, in den Verein steckte. Wo nahm sie nur all die Kraft her? Überall, in den Räumen des Vereinshauses, bei den Kindern und bei den Mitarbeitern spürte man ihre Wärme, Hingabe und ihre Liebe zu dem, was sie tat. Nur an diesen einen Nachmittag hatte sie ihm so viel gegeben, ohne es vielleicht zu wissen. Gleichzeitig hatte sie ihn überrascht mit so vielen kleinen Dingen, Gesten, die für andere unsichtbar geblieben waren: Einfach nur, dass sie ihn an die Hand genommen hatte, ihn festgehalten hatte, als sie alle zum Lesenachmittag begrüßte ... Das sie ihm Glück wünschte mit einem kleinen Kuss auf die Wange ... Wie sie am Schluss sich eine kleine Träne aus ihrem Gesicht wischte, in der Hoffnung, dass es keiner merken würde ... Ihre Art, wie sie ihm für etwas doch so Selbstverständliches dankte ... Ja, und natürlich die Sache mit den Hausschuhen. Das zeigte doch, wie gut sie ihn schon einschätzen konnte und kannte. Das alles fiel ihm jetzt auch wieder ein und ließen ihn in seinen Gedanken kreisen. Oh, war dieses Gefühl gut! Da war es doch das Mindeste, was er tun konnte, dem Wunsch der Kinder nachzukommen. Warum sollte er ihnen nicht einmal erzählen, welche Aufgaben ein Rechtsanwalt hat und wie sein Alltag aussieht. Sie hatte ihm so viel gegeben, dass er nun auch etwas zurückgeben wollte und das tat er genau damit. Mit all diesen wunderschönen Gedanken an Juliette und die Erinnerungen an seine Kindheit ging er dann irgendwann ins Bett. Zuvor sah jedoch nochmals auf seinen besonderen Bilderrahmen und nickte nur dabei mit einem Lächeln im Gesicht.
 
Der nächste Tag im Büro verlief ruhig. Eigentlich fast ein ganz normaler Arbeitstag. Benjamin und Juliette sprachen sehr viel mit ihren Blicken und Gesten. Dabei lag ein gewisser Zauber in der Luft. Scheinbar spürten sie ihn beide. Aber keiner von beiden wollte darüber sprechen. Manchmal ist es auch einfach nur schön, über etwas gemeinsam schweigen zu können und sich einmal nicht mit dem gesprochenen Wort zu verständigen. Das Einzige, worüber sie nebenher sprachen, war der grobe Ablauf des Samstages und der damit verbundenen Sternenwanderung. Jetzt erfuhr er auch, dass sie mit einigen Kindern gemeinsam im Vereinshaus übernachten würde und auch dazu lud sie ihn herzlich ein.
 
Der Samstagabend kam und Benjamin freute sich schon sehr darauf. Wie vereinbart, trafen sie sich alle beim Antritt der Dunkelheit im Nachbarort am Planetarium, wo sie gemeinsam für eine Stunde einen Ausflug in den Weltall machten. Auch, wenn es zum Teil hier sehr dunkel war, konnten sich Benjamin und Juliette hier nicht wirklich näher kommen, auch wenn dies sicher ein geeigneter Ort dafür gewesen wäre. Aber sie setzten sich absichtlich auseinander zwischen die Kinder, damit sie diese besser kontrollieren konnten. Nach diesem Ausflug ins Weltall liefen sie alle zur Feuerstelle, wo bereits das Lagerfeuer brannte. Hier gab es nun Verpflegung für alle Hungrigen und Durstigen: Stockbrot, Folienkartoffeln und natürlich auch Marshmellows und Würstchen am Stock. Nachdem alle gestärkt waren, traten sie mit Taschenlampen versehen, den Marsch nach Hause an. Der Himmel war sternenklar und hin und wieder blieben ein paar Kinder stehen, um einfach am großen, weiten Himmelszelt nach Sternen zu schauen, die sie zuvor im Planetarium gesehen hatten. Wie ruhig und schön es doch war. Benjamin genoss die klare Luft. Er vergaß dabei sogar sein Bein. Hier war er für niemanden ein Krüppel, sondern einfach Benjamin, der Rechtsanwalt, zu dem alle Kinder aufschauten. Das ehrte ihn sehr! Jetzt ließen Juliette und die anderen Erwachsenen die Kinder einfach machen. Hin und wieder schauten sie danach, ob auch alle noch zusammen waren. Nicht das man eines der Kinder unterwegs verlor. Jetzt hatte sie auch ein wenig mehr Zeit, um mit Benjamin zu sprechen.
 
„Schön, dass Du da bist!“ sagte sie.
 
„Schön, dass ihr mich eingeladen habt!“
 
„Wirst Du heute Abend mit im Vereinshaus bleiben?“
 
„Wenn Du das möchtest, werde ich das gern tun!“
 
„Einen Schlafplatz für Dich haben wir, wenn Du das möchtest! Die Kinder werden mit zwei Erwachsenen im Relaxraum schlafen und wenn Du möchtest, kannst Du mit dazu kommen oder aber im Lesesaal schlafen. Morgen früh bereiten wir dann noch gemeinsam Frühstück vor und danach gehen alle heim.“
 
„Ich werde mir überlegen, wo ich schlafen werde. Mach Dir nur nicht so viele Gedanken!“
 
Sie sprachen weiter und weiter und dabei merkten sie gar nicht, wie sich ihre Hände näher kamen. Als sie endlich am Vereinshaus angekommen waren, liefen sie, wie frisch verliebt, Hand in Hand zusammen und Juliette hatte ihren Kopf an seine Schulter gelehnt. Sie ließ Benjamin aber nicht los! Nein, sie wollte seine Nähe spüren und sie wollte jetzt nichts verbergen. Und Benjamin? Ihm ging es ebenso! Schnell teilte sie allen mit, dass Benjamin mit übernachten würde. Außerdem erklärte sie noch kurz den Kindern die „Spielregeln“ zur Übernachtung, mit der Bitte um Disziplin. Die anderen begleitenden Erwachsenen hatten aber auch Augen im Kopf und gemerkt, was sich scheinbar zwischen Juliette und Benjamin abspielte und so schoben sie auf einmal Wichtiges vor, um nach Hause zu gehen. Juliette willigte ein und dachte, dass sie das schon hinbekommen würde. So viele Kinder waren es ja nun auch nicht, für die es nun erst mal hieß, die sanitären Anlagen aufzusuchen. Von nun an hatten die Kinder 30 Minuten Zeit, um sich ihre Zähne zu putzen, sich notdürftig zu waschen, sich ihre Pyjamas anzuziehen und sich auf ihre Matte mit Schlafsack und Kopfkissen zu legen. In der Zwischenzeit spielte Juliette ein wenig ruhige Musik im Relaxraum ein, welche die Kinder zum Abschalten und Einschlafen animieren sollte. Seltsamerweise waren die Kinder diesmal besonders schnell und es dauerte nicht lange und alle lagen auf ihren Matten. Schnell sprach sie noch ein paar ermahnende Worte und machte lehnte dann die Tür von außen an.
 
Dann ging sie zu Benjamin, der es sich in der Zwischenzeit im Lesesaal ein wenig gemütlich gemacht hatte. Er hatte es sich auf dem Sofa bequem gemacht und stöberte ein bisschen in den Büchern, wie es früher auch bei seinem Großvater tat. Es war erst gegen 21 Uhr und Lust zum Schlafen hatte er noch nicht. Juliette, die jetzt eine Flasche Rotwein und zwei Gläser in den Händen hielt, gesellte sich zu ihm.
 
„Magst Du ein Glas Wein mit mir trinken?“ wollte sie von ihm wissen.
 
„Kannst Du zaubern?“ fragte er lächelnd. „Wenn Du Dich ein wenig zu mir setzen möchtest, können wir das gern tun!“ fuhr er fort.
 
„Nein, ich hab immer etwas Wein und Sekt hier in meinem Büro eingeschlossen. Manchmal ziehe ich mich hier einfach noch gern zurück, wenn alle raus sind. Manchmal gehe ich einfach auch nur nochmals durch das leere Haus und genieße die Ruhe und schaue auf das, was unsere Kinder so gemacht haben z. B. im Kreativraum ihre Kunstwerke. Aber es gibt auch Tage, an denen wir Betreuer einfach mal ein Glas Wein zusammen trinken, z. B. wenn jemand Geburtstag hatte oder wie letztes Jahr als Diana ihren Falk geheiratet hat. Da haben wir einfach mit den Kollegen hier ein wenig gefeiert und auf das Brautpaar angestoßen. Die beiden haben sich im Übrigen hier kennen und lieben gelernt. Damit die Kinder aber nicht ran können, steht der Alkohol in meinem Büro unter Verschluss und wir trinken auch nicht vor den Kindern!“
 
Jetzt sah sie Benjamin ganz tief in die Augen und wie zwei Magneten wurden sie von einander angezogen. Dabei mussten beide ein wenig kichern, denn sie fühlten sich ein bisschen wie die Jugendlichen nebenan, die ihrer ersten Liebe begegneten. Und so kam, was kommen musste: Sie küssten sich das erste Mal. Erst war es nur ganz zaghaft. Doch nachdem sie sich mit einem Lächeln im Gesicht nochmals angesehen hatten, folgte ein langer, leidenschaftlicher Kuss, der von so viel Sehnsucht sprach auf beiden Seiten.
 
Nach diesem musste sich Juliette jedoch erst einmal davon stehlen. „Ich will nur schnell nach den Kids schauen! Bitte geh nicht weg!“ erklärte sie ihm kurz und verschwand schnell im Nachbarzimmer. So schnell, wie sie verschwunden war, kam sie auch schon wieder zurück. „Es ist alles in bester Ordnung. Die Kids schlafen ruhig.“ Sie kuschelte sich wieder an Benjamin und trank mit ihm noch ein Glas Wein. Immer wieder küssten sie sich. Aber viel zu reden gab es an diesem Abend bei den beiden nicht. Nach einer Weile schaute Juliette wieder zu Benjamin: „Liest Du mir noch eine Geschichte zur Gute Nacht vor? Ich find das so schön, wenn Du vorliest.“ bat sie ihn. „Was soll ich Dir denn vorlesen?“, „Egal! Einfach eine Gute-Nacht-Geschichte. Bitte!“, „Okay, aber nur wenn Du eine Decke und ein Kissen holst, damit wir uns ein wenig einkuscheln können!“ antwortete er ihr, wobei er lachen musste. Er stand auf und schaute sich in den Bücherregalen eine Weile um, bis er endlich scheinbar das geeignete Buch gefunden hatte. Er legte sich auf das große Sofa. Juliette kuschelte sich an ihn heran und sie deckten sich mit der Decke zu. „Welche Geschichte wirst Du mir vorlesen?“, wollte Juliette neugierig wissen. „Ein wunderschönes Märchen! Das Märchen vom Aschenbrödel! Ich hoffe, dass Du es magst!“, „Klar mag ich das! Lies einfach vor! Ich werde Dir zuhören und genießen!“ So sprach Juliette und drückte sich noch ein wenig mehr an Benjamin ran, der nun begann eines der schönsten Märchen vorzulesen. Doch irgendwann … Ja, irgendwann waren beide eingeschlafen! So lagen sie da schlafend und sich umarmend auf dem Sofa. So verbrachten sie ihre erste gemeinsame Nacht.
 
In den Morgenstunden wurden sie dann durch das fröhliche, laute Lachen der Kinder auf den Gängen geweckt. Ganz verschlafen sahen sich die beiden an. Benjamin strich Juliette sanft über ihr Gesicht und strich ihr dabei ihre langen, braunen Haare mit der pinken Strähne aus diesem. Dabei schmiegte sie ihr Gesicht an seine Hand und ließ ihn spüren, wie wohl sie sich fühlte. Er küsste sie zaghaft und sagte: „Juliette, Du bist eine wunderbare Frau und ich habe Dich sehr lieb gewonnen!“ Wieder küsste er sie. „Benjamin, ich habe Dich auch sehr lieb und das schon sehr lange!“ gab sie ihm zurück. Dabei kuschelte sie sich unter der Decke nochmals richtig an ihn. Dieser Moment hätte ewig dauern können. Die Zeit hätte stehen bleiben können. So sehr genossen die Beiden diese kostbaren Momente. Doch weder blieb die Zeit stehen, noch dauerte dieser Moment ewig an. Für Juliette rief die Arbeit. Erst jetzt als sie aufstehen wollte, merkte sie, dass Benjamin scheinbar beim Vorlesen eingeschlafen war, denn dabei fiel das Märchenbuch runter. Jetzt konnte sie sich das laute Lachen nicht mehr verkneifen. Sie gab Benjamin noch rasch einen Kuss und eilte dann raus. Sie drehte sich nochmals zu ihm um, sagte ihm, dass er eine frische Zahnbürste in ihrem Büro finden würde und dass sie ihn in der Küche zum Frühstück erwarten würde. Als Juliette die Küche betrat, war ihr Erstauen groß, denn die Kinder hatten schon alles fertig eingedeckt. Oh wie freute sie sich darüber! Benjamin, der sich in der Zwischenzeit ein wenig frisch machte, ging einfach noch ein wenig seinen Gedanken nach … Nun war es passiert: Sie hatten sich geküsst, immer wieder! Sie hatten die Nacht gemeinsam verbracht, auch wenn das keine Absicht war, sondern eher Zufall. Oh, wie schön war doch dieses Gefühl! Oh, wie gut ging es doch Benjamin! Es war so schön! Er war ganz in Gedanken versunken, als er auf einmal Juliettes Stimme hörte: „Benjamin! Benjamin, komm bitte! Das Frühstück ist fertig! Wir warten auf Dich!“ Schnell eilte er hinaus zu Juliette und den Kindern, die bereits alle schon am gedeckten Tisch saßen. Wie schön sie alles hergerichtet hatten. Juliette begrüßte Benjamin am Frühstückstisch mit einem erneuten Kuss. Dabei brach unter den Kindern ein fröhliches Gelächter aus, so dass auch Juliette und Benjamin mit Lachen anfangen mussten mit Lachen. Dabei ließ sich Juliette einfach in Benjamins Arme fallen. Sie sah ihn an, sah ihn tief in die Augen und flüsterte leise: „Ich bin so froh, dass es Dich gibt! Ich gebe Dich nicht mehr her!“ Sie frühstückten rasch, verabschiedeten die Kinder, räumten noch ein wenig auf und dann war auch für sie die Zeit des Abschieds gekommen. Es fiel ihnen sichtlich schwer, sich von einander zu verabschieden, aber dennoch … Es ging nicht anders. Außerdem würden sie sich schon am nächsten Tag im Büro wiedersehen. Also waren es nur ein paar Stunden, die sie nun ohne einander verbringen mussten. Immer wieder küssten sie sich an der Tür, umarmten sich und sahen sich tief in die Augen. Doch irgendwann gelang es den frisch Verliebten sich doch von einander zu trennen.
 
Von da an waren die Beiden ein Paar und das nicht nur in der Arbeitswelt. Dennoch wollten sie es langsam angehen lassen, um nicht gleich alles zu überstürzen und alles wieder kaputt zu machen. Schließlich sahen sie sich schon die ganze Zeit im Büro. Ab und an verbrachten sie gemeinsame Nachmittage oder Abende. Sie genossen jeden Moment, den sie füreinander hatten und miteinander verbringen konnten. Aber trotzdem … Sie ließen sich viel Zeit. Für eines vor allem wollte sich Benjamin besonders viel Zeit lassen: Für ihre erste gemeinsame Nacht. So ging die Zeit ins Land und allmählich wurde es Weihnachten. Doch diesmal war Weihnachten anders, als all die anderen Jahre. Dieses Jahr freute sich Benjamin auf Weihnachten. Er freute sich so, wie er es als Kind tat, denn die Beiden hatten vor, den Heiligen Abend und die Nacht zusammen zu verbringen. An diesem Abend wollte Benjamin auch etwas zeigen, was er zuvor noch jemanden gezeigt hatte und worüber auch noch nie zuvor im letzten Jahr gesprochen hatte:
 
Der Heilige Abend kam. Benjamin war ganz aufgeregt. Es war ein sehr schöner Abend, den sie in Zweisamkeit miteinander verbrachten. Nach der Bescherung bat er Juliette auf seinen Balkon, denn genau hier war das Wunder geschehen, vor einem Jahr. Er hatte den Balkon schon zuvor hergerichtet mit Kerzen, zwei Gläsern und einer Flasche Wein. Auf die Balkonstühle, die er zusammengestellt hatte, hatte er zwei Decken gelegt, damit es ihnen an diesem sternenklaren, winterlich verschneiten Abend nicht zu kalt werden würde. Er bat Juliette hinaus und nun …
 
„Juliette, ich möchte Dir etwas zeigen bzw. was erzählen, was ich zuvor noch keinem erzählt oder gezeigt habe. Ich hoffe, dass Du mich nicht auslachen wirst. Ich hoffe, dass Du ein wenig an Wunder glaubst!“ sagte Benjamin.
 
Sie sah ihn verwundert an, denn sie wusste nicht, was jetzt kommen würde. Dann zeigte Benjamin ihr zunächst den Bilderrahmen, der sonst immer über seinem Bett hing und in welchem er die Feder mit dem goldenen Rand und die Botschaft von Klara aufbewahrte. Danach zeigte er ihr auch die Feder, die zum Boden fiel, als sie nach ihrem Vorstellungsgespräch bei ihm, sein Büro verlassen hatte. Dann erzählte er Juliette die ganze Geschichte, die sich vor einem Jahr am Heiligen Abend abgespielt hatte. Gespannt lauschte sie Benjamins Worten. Als er fertig war mit seinen Ausführungen sah sie ihn einfach an mit großen Augen. Sie konnte nicht anders, als ihn zu küssen.
 
„Du lachst mich nicht aus oder erklärst mich auch nicht für verrückt?“ wollte Benjamin nun von ihr wissen.
 
Sie schüttelte mit dem Kopf. „Nein Benjamin, dass mache ich nicht! Ich finde diese Geschichte so wundervoll, so rührend und so liebevoll. Ich glaube auch an Wunder und an die Macht der Liebe! Warum also sollte ich Dich dann auslachen, wenn Du mir von einem scheinbaren Wunder, dass Du erleben durftest, erzählst? Warum sollte ich das tun, wenn ich scheinbar ein wichtiger Bestandteil dieses Wunders bin, ohne es bisher gewusst zu haben? Benjamin, ich finde diese Weissagung des Engels wunderschön und wir sollten ihm einfach dankbar dafür sein, dass er uns all das geschenkt hat. Wir sollten ihm dankbar sein, dass er uns einander geschenkt hat und dieses Wunder geschehen ließ! Benjamin, ich habe Dich in diesem knappen Jahr, was wir uns jetzt kennen, lieben gelernt. Und sei Dir gewiss, dass ich Dich sehr liebe, so wie Du bist! Mir ist relativ egal, wer Du vorher warst. Für mich zählt, wer Du heute bist und wie Du zu mir bist, wie Du zu den Kindern im Verein bist. Auch sie lieben Dich sehr! Außerdem hast Du etwas getan, was kein Mann vor Dir getan hat: Du hast gewartet mit unserer ersten gemeinsamen Nacht! Das alles zählt! Dafür liebe ich Dich!“
 
Benjamin war von ihren Worten sehr beeindruckt und konnte es nicht glauben, was sie sagte. Sie hatte ihn so sehr gerührt, dass ihn jetzt die Tränen rollten. So glücklich war er! So sehr liebte er seine Juliette, mit der er in dieser Nacht, die erste gemeinsame Nacht verbrachte. Doch zuvor noch dankten die beiden gemeinsam dem Engel Klara für all das, was er den beiden geschenkt hatte. Umso mehr konnten sie nun, nach all dem Warten diese ihre erste gemeinsame Nacht miteinander verbringen, die dadurch etwas ganz Besonderes und Wundervolles wurde.
 
Von diesem Tag an, dem Heiligen Abend in diesem Jahr, gingen Benjamin und Juliette noch mehr gemeinsam durchs Leben. Juliette versuchte weiterhin Benjamin als seine Angestellte in seiner Kanzlei zu unterstützen und Benjamin wiederum versuchte sie bei ihrer ehrenamtlichen Arbeit zu unterstützen. Die beiden ergänzten sich hervorragend und waren ein tolles Paar, bei dem es scheinbar nur bergauf gehen konnte. Sie genossen die Zeit, die sie miteinander waren. Sie waren für einander sehr dankbar und zeigten sich immer wieder ihre Liebe, die sie füreinander in ihren Herzen trugen. Es hätte alles nicht besser laufen können. Doch das Schicksal schlug noch einmal zu:
 
Eines abends, Benjamin und Juliette hatten es sich gerade gemütlich gemacht, klingelte es an der Tür. Benjamin öffnete diese und vor ihm stand ein ehemaliger Freund aus alten Zeiten, aus Zeiten, in denen Benjamin noch der Lebemann war und keine Party und auch keine Frau ausließ. Benjamin wunderte sich sehr, aber dennoch freute er sich und ließ Falk rein. Juliette stellte sich ihm vor und sie kamen schnell wieder ins Gespräch.
 
Falk erzählte Benjamin, dass er von seinem Schicksal gehört hatte und es ihm sehr leid tat. Es würde ihm auch leid tun, dass er sich in dieser schweren Zeit nicht einmal bei Benjamin gemeldet und ihm beigestanden hatte. Falk selbst war auch schon immer ein Lebemann. Schon immer! In seinem Job als Schönheitschirurg lag ihm die Frauenwelt zu Füßen und er ließ nichts anbrennen. Früher waren die beiden oft gemeinsam um die Häuser gezogen. Angeblich hätte es ihm jedoch an Zeit gefehlt, sich nach dem Schlaganfall um Benjamin zu kümmern. So saßen nun die beiden Männer da und sprachen viel über ehemalige, gemeinsame Freunde und Sachen, die sie gemeinsam erlebt hatten.
 
In diesem Moment kam sich Juliette ein wenig verloren vor. Benjamin war wie ausgewechselt. So kannte sie ihn nicht! Sie wusste zwar, dass er vor ihr ein sehr bewegendes und aufregendes Leben gehabt haben musste, aber davon wollte sie immer nichts weiter wissen. Für zählte noch immer, wie Benjamin zu ihr war und wie sie ihn kennen gelernt hatte. Also distanzierte sie sich von dem was sie da hörte. Außerdem kam in ihr immer mehr die Frage auf, was denn Falk für ein „guter Freund“ sei, wenn er noch nicht einmal die Zeit gefunden hatte, um Benjamin in seiner schwersten Zeit beizustehen. Das verstand sie einfach nicht. Dennoch nahm sie den Besuch von Falk geduldig hin, allein aus Liebe zu Benjamin. Außerdem würde der ja auch mal wieder gehen und wer weiß, wann er sich das nächste Mal bei Benjamin wieder melden würde. Vielleicht hatte der ja auch einfach nur Langeweile und hatte gerade keinen anderen gefunden, der Zeit mit ihm verbringen wollte. So dachte Juliette. Doch leider kam alles anders.
 
Falk wurde im Laufe der Zeit zu einer Art Dauergast. Außerdem rief er ständig Benjamin an. Irgendwann fingen die beiden auch wieder damit an, gemeinsam auf Tour zu gehen. Hin und wieder begleitete Juliette anfangs noch das Männergespann. Doch eines Tages fühlte sich Juliette nur noch wie das dritte Rad am Wagen und konnte auch das Gebrotze von Falk nicht mehr ertragen. So ließ sie die Männer dann bei ihren Touren allein.
 
Aber nicht nur, dass die beiden sich jetzt ständig trafen oder miteinander telefonierten. Nein, Benjamin fing an, sich zu verändern. Scheinbar wollte er doch wieder ein wenig der Lebemann von früher sein. Oftmals kam er nachts nicht nach Hause, während Juliette auf ihn wartete. Er hielt hin und wieder die Verabredungen mit Juliette nicht ein oder ließ sogar Versprechen, die er den Kindern im Vereinshaus gemacht hatte, einfach so platzen, wegen Falk. Scheinbar hatte sie an dem Tag, als sie ihm das erste Mal begegnet war mit ihrem unguten Gefühl doch recht gehabt. Das machte sie sehr traurig.
 
Eines Tages wollte sie das alles nicht mehr hinnehmen und bat Benjamin um ein Gespräch. Sie erzählte ihm, dass sie gemerkt hatte, wie er sich veränderte. Sie erzählte ihm, dass sie es sehr traurig fand, dass er sich weder an Versprechen noch Verabredungen hielt. Sie erzählte ihm, dass auch die Kinder im Verein deswegen traurig waren und sie es nicht verstehen konnten. Sie erzählte ihm, dass sie sich hinten ran gestellt fühlte und ihn einfach auch nicht verstehen konnte. Sie erzählte ihm, dass sie sich seinetwegen ganz viele Gedanken machen würde und das ihn doch sehr lieben würde.
 
Benjamin hörte ihr zwar zu, aber dabei schaute er ständig auf die Uhr. Mit einem „Ich hab jetzt leider keine Zeit mehr!“ beendete er nach einer Weile kurzer Hand das Gespräch. Jetzt liefen Juliette die Tränen. Sie verstand ihn einfach nicht mehr! Was war nur aus dem Mann geworden, den sie lieben gelernt hatte und den sie eigentlich, tief in ihrem Herzen, immer noch sehr liebte? Immer wieder musste sie dabei auch an den Heiligen Abend denken, den sie gemeinsam verbracht hatten und der so schön und so voller Gefühl war. Sie verstand nicht, wie ein Mensch einen anderen Menschen so sehr zum Negativen beeinflussen konnte. Irgendwo kam ihr dann auch der Verdacht auf, dass er vielleicht wieder eine seiner alten Frauengeschichten angefangen hatte. Warum redete er nicht mehr mit ihr? Was hatte sie vielleicht falsch gemacht? Juliette war sehr verzweifelt und traurig! Obwohl sie aber gerade eine Abfuhr von Benjamin, wollte sie es später dennoch noch einmal versuchen, mit ihm zu sprechen.
 
So machte sie zunächst ihre Arbeit in der Kanzlei, so gut es nur ging. Mit ihrer Arbeit für den Verein versuchte sie sich ein wenig von all den Gedanken um Benjamin ein wenig abzulenken. So recht gelang es ihr aber nicht. Als sie am Abend völlig erschöpft zu Benjamin heim kam, war dieser doch tatsächlich einmal da und das wollte sie auszunutzen.
 
„Benjamin, können wir bitte noch einmal in Ruhe mit einander sprechen? Mir ist das wirklich sehr wichtig! Du bist mir wichtig!“
 
„Ja, dass können wir gern tun!“ antwortete er ihr zu ihrem großen Erstaunen.
 
Wieder erzählte sie ihm alles, was sie ihm heute schon einmal gesagt hatte. Wieder sagte sie ihm, dass sie ihn sehr lieben würde und ihn nicht verlieren möchte. Wieder erzählte sie ihm, dass sie einfach nur verstehen wollte und daher das Gespräch mit ihm suchte.
 
„Meine Liebe! Ich habe mich nicht verändert! Ich lebe mein Leben, so wie ich es schon immer getan habe. Schade, dass Du nicht verstehen kannst, dass es neben Dir, den Kindern und der Kanzlei auch noch meine alten Freunde gibt, mit denen ich hin und wieder ein wenig Zeit verbringen möchte.“
 
„Benjamin, sieh doch mal in den Spiegel! Natürlich veränderst Du Dich! Ich kann es gut verstehen, dass Du Dich ab und an mit Deinen Freunden treffen möchtest. Dagegen hab ich doch auch nichts! Aber ich habe etwas dagegen, wenn unter Deinem Lebenswandel andere leiden! Es tut mir sehr leid, wenn Du das nicht merkst!“ So beendete Juliette traurig das Gespräch mit Benjamin, dem sie scheinbar völlig egal war.
 
Sie aßen gemeinsam später zu Abendbrot. Es blieb aber still. Juliette versuchte sich die Tränen zu verkneifen. Sollte sie ihm so egal geworden sein? Das konnte doch nicht sein. Später setzte sie sich auf das Sofa und wollte noch ein wenig in einem Buch lesen. Sie hatte die Hoffnung, dass er dazu kommen würde und vielleicht doch ein wenig noch mal mit ihr sprechen würde. Doch da irrte sie sich. Stattdessen kam er auf sie zu. Gab ihr einen Kuss und verschwand mit den Worten, dass es etwas später werden könnte. Kaum war er zur Tür hinaus liefen ihr Tränen, wie ein kleiner Rinnsaal aus ihren Augen. Seine Ignoranz tat ihr so weh. Irgendwann ging sie mit dicken, verheulten Augen ins Bett. Sie lag aber noch sehr lange wach und dachte immer wieder darüber nach. Am Morgen danach, wachte sie neben Benjamin auf, der scheinbar irgendwann in der Nacht gekommen war, als sie schon eingeschlafen war. Es dauerte nicht lange und er wachte auch auf. Oh je, er roch schrecklich! Nach Tabak und Alkohol und irgendwelchem Parfüm. Nein, sie wollte gar nicht wissen, wo er sich in der Nacht rumgetrieben hatte und sie wollte sich auch nicht mit ihm streiten. So machte sie für beide das Frühstück fertig, was auch ganz ohne Worte lief. Juliette wollte einfach nicht mit ihm sprechen! Sie war so sehr in Gedanken versunken, dass sie sogar erschrak, als er ihr einen Kuss auf die Wange gab. Sie sah ihn an und versuchte ein wenig zu lächeln, was ihr aber sichtlich schwer fiel. Später im Büro tat sie einfach ihre Arbeit, ohne Benjamin großartig weiter wahrzunehmen. Doch während ihrer Arbeitszeit fasste sie einen Entschluss, denn er noch an diesem Abend erfuhr ...
 
Als er an diesem Abend nach Hause kam, war alles irgendwie anders. Benjamin wusste aber noch nicht so richtig was. Er spürte es nur in sich. Zunächst machte er sich auch keine Gedanken darüber, dass Juliette noch nicht daheim war. Vielleicht war sie noch im Verein, traf sich mit Freunden oder war einkaufen. Gesagt hatte sie ihm nichts. Aber das brauchte sie auch nicht ständig seiner Meinung nach. Es wurde später und später. Doch Juliette kam nicht. Langsam machte sich Benjamin doch seine Gedanken und versuchte sie zu erreichen. Doch ihr Handy war ausgeschalten und weder in ihrer Wohnung, noch im Vereinshaus war sie zu erreichen. Er fing an, sich Sorgen zu machen. So beschloss er kurzerhand, sich ins Auto zu setzen und sie suchen zu fahren. Im Vereinshaus war das Licht aus. Also war auch keiner da. Und bei ihr daheim ... Da war es in den Fenstern auch dunkel. In der Kanzlei würde sie wohl kaum noch sein, dachte er. Also versuchte er es dort gar nicht erst. ‚Wo konnte sie noch sein?’ überlegte er nun. Freunde und Familie konnten ihm auch nicht weiterhelfen. Voller Angst und Sorge um Juliette und ein wenig mit den Nerven am Ende, fuhr er wieder nach Hause. Es war nun schon nach Mitternacht und von ihr noch immer keine Spur. Auch wenn er sich noch so sehr sorgte, er konnte jetzt einfach nichts weiter tun. Schließlich hatte er morgen einen anstrengenden Tag und spätestens im Büro würde er sie dann wiedersehen. So dachte er zumindest. Er beschloss ins Bett zu gehen und als er die Tür zum Schlafzimmer öffnete, sah er einen großen Teddybären mit einem Pflaster um sein Bein auf dem großen Bett sitzen. Neben dem Teddy lag ein Zettel:
 
„Mein lieber Benjamin! Ich kann nicht mehr! Darum gehe ich! Ich habe versucht mit Dir zu sprechen, aber Du wolltest das immer wieder nicht! Mir tut das sehr leid! Ich möchte Dich aber nicht allein Deinen Weg gehen lassen! Darum stelle ich Dir Johannes zur Seite. Ja, er heißt Johannes, wie der Lieblingsjünger Jesu. So besonders, wie sein Name ist auch der Teddy selbst. Hast Du das Pflaster an seinem Bein gesehen? Es ist ein Zeichen für die Wunden, die Du in Dir tief drin trägst und die Du mir nicht zeigen möchtest. Es soll Dir helfen, Deine Wunden heilen zu lassen. Das ist die erste Besonderheit. Die zweite Besonderheit an diesem Teddy ist etwas, was Du mit bloßem Auge nicht sehen kannst: Johannes hat ein Herz. Er hat ein Herz, genauso wie ich es auch habe. Ein Herz, wie Du es auch tief in Dir zurzeit verborgen trägst. Es soll Dich darauf besinnen, dass unser Herz wichtig ist und nicht das, was wir an der Oberfläche sehen! Und vielleicht, vielleicht denkst Du auch hin und wieder an die Geschichte mit Klara ... Eines aber noch zum Schluss: Benjamin, ich liebe Dich noch immer sehr, aber kann das alles nicht mehr, diese Oberflächlichkeit, die ich in den vergangenen Wochen und Monaten erlebt habe. In Liebe Deine Juliette“
 
Während er diese Zeilen las wurde er traurig und wütend zugleich. Er schimpft wild und ganz unbemerkt liefen ihm auch ein paar Tränen das Gesicht hinunter. Er schimpfte dabei auch auf dem Engel, der scheinbar sein Geschrei vernommen hatte. Benjamin war sehr wütend auf ihn, weil er in seinen Augen sein Versprechen nicht gehalten hatte. Doch der Engel Klara stand jetzt in hellem Schein neben ihn und schüttelt einfach nur mit dem Kopf:
 
„Benjamin erinnere Dich genau an das, was ich Dir gesagt habe, damals! Erinnere Dich genau an meine Botschaft! Erinnere Dich auch daran, wie gut es Dir mit Juliette ging, bevor Falk erneut in Dein Leben trat. War bis zu dem Zeitpunkt nicht alles genau so, wie ich es Dir versprochen habe? Habt ihr beiden mir nicht noch am letzten Heiligen Abend gedankt, voller Glückseeligkeit?“ sprach Klara mit ruhigen Worten und verschwand darauf auch schon wieder.
 
Aber Benjamin wollte das alles scheinbar nicht sehen und auch nicht hören. Er dachte auch immer noch daran, dass er spätestens am nächsten Tag Juliette im Büro treffen würde. Dann konnte er mit ihr reden. Doch auch im Büro war sie nicht. Stattdessen fand er im Briefkasten eine ordnungsgemäße Kündigung von ihr. ‚Na toll! Dreht sie jetzt völlig durch? Was hab ich denn falsch gemacht? Jetzt lässt sie mich auch hier noch hängen und ich muss mich noch um einen Ersatz für sie kümmern! Ach, soll sie doch! Scheinbar hat sie das alles eh nur aus Mitleid gemacht, weil sie dem armen Krüppel helfen wollte! Scheinbar war sie auch nur deswegen mit mir zusammen und weil sie an mein Geld wollte! Soll sie doch!’ dachte er jetzt wütend. Er wollte ihr nicht hinterher rennen, denn in seinen Augen hatte er keinen Fehler gemacht.
 
Eine neue Sekretärin hatte er durch die Hilfe von Falk schnell gefunden. Ein hübsches, junges Ding. Genau richtig als Vorzimmerdame! Ablenkung fand er auch in seinen Unternehmungen mit Falk und anderen ehemaligen Freunden. Nur ganz selten dachte er an Juliette und die Kinder und wenn es mal wieder soweit war, half ihm sein neuer bester Freund der Alkohol ganz schnell beim Vergessen. Das war oftmals an den Wochenenden so, wo keiner seiner Freunde wirklich Zeit für ihn hatte, wo sie unbedingt Zeit mit ihren Familien verbringen mussten.
 
So kam auch in diesem Jahr wieder die Weihnachtszeit. Doch diesmal war sie genauso einsam, wie all die Jahre zuvor. Seine Freunde waren alle bei ihren Familien und zu seiner Familie wollte er einfach nicht. Ein seltsames Gefühl stieg in ihm auf, dass er jedoch gleich wieder mit Alkohol versuchte zu betäuben. Doch scheinbar gelang ihm das nicht so recht. Benjamin erinnerte sich an dieses besondere Weihnachten im letzten Jahr, welches er mit Juliette verbracht hatte. An diesem Abend, in dieser Nacht erlebten sie ihr gemeinsames erstes Mal, was etwas ganz Besonderes war. Außerdem hatte Benjamin ihr an diesem ganz besonderen Abend von seinem Engel Klara erzählt. Wie glücklich war er doch an diesem Abend! Wie glücklich war er in all der Zeit, die er mit Juliette verbracht hatte … Ihm fiel wieder ein, wie alles zwischen den beiden begonnen und das sie sich immer die Zeit gelassen hatten, die sie brauchten. Ja, er erinnerte sich an ihre erste gemeinsame Nacht als Paar, damals als sie einfach so im Lesesaal des Vereinshauses eingeschlafen waren, während Benjamin ihr das Märchen von Aschenputtel vorgelesen hatte. An all das erinnerte er sich jetzt und dabei lief ihm eine Träne über sein Gesicht. Scheinbar hatte er doch alles falsch gemacht und scheinbar hatte Juliette mit ihren Worten doch Recht gehabt, als sie ging. Oh, wie vermisste er sie jetzt!
 
Auf einmal erschien erneut der sein Engel Klara und mit seinem Schein leuchtete der Engel genau auf den Teddy Johannes, den er zum Abschied von Juliette bekommen hatte. Diesmal sprach Klara nicht. Klara war einfach da und rief ihm nur den Teddy ins Gedächtnis zurück. Langsam ging er auf seinen Teddy Johannes zu und nahm ihn hoch: „Johannes, weißt Du wie dumm ich eigentlich war, dass ich nicht um sie gekämpft habe? Weißt Du, dass Juliette eigentlich der wunderbarste Mensch ist, dem ich je begegnet bin? Warum nur habe ich sie nicht für voll genommen? Warum hatte er sich nicht die Zeit genommen, um sie einfach mal in Ruhe anzuhören, auf sie einzugehen? Warum nur hatte er nicht um sie gekämpft? Weißt Du, wie sehr sie vielleicht gelitten hat und mich doch bei ihrem Abschied geliebt haben muss? Jeder andere wäre einfach gegangen, vielleicht noch mit ein wenig Geschrei und Streit! Aber sie ist ganz in Ruhe gegangen und sie hat mir Dich noch zurückgelassen, damit Du mir zeigst, welchen Schatz ich verloren habe ... Damit Du mich wachrüttelst ... Damit Du mich auf meinem Weg begleitest! Wie stark sie doch eigentlich an diesem Tag gewesen sein muss! Wie dumm war ich nur! Jetzt sitze ich wieder alleine hier! Ach nein, ich bin ja nicht allein! Du bist hier, kleiner Teddybär Johannes und Klara, mein Schutzengel ist auch hier, so wie er immer da war, all die Jahre.“ All diese Gedanken und noch einige mehr erzählte Benjamin nun seinem Teddybär. Dabei liefen ihn heftig die Tränen.
 
Da hörte er auf einmal wieder die Stimme seines Schutzengels, der nun erneut zu ihm sprach:
 
„Benjamin, höre genau auf das was ich Dir jetzt sage werde! Ich werde heute zum vorletzten Mal zu Dir sprechen! Danach werde ich nur noch einziges Mal mit Dir reden. Wann das sein wird, wirst Du zu gegebener Zeit merken und vielleicht auch in Deinem Herzen spüren! Ich habe Dich immer begleitet und ich werde Dich auch weiterhin begleiten. Ich werde Dir auch immer wieder erscheinen und immer für Dich sein, wenn Du es zu lässt! Aber ich werde dann nicht mehr in Worten mit Dir sprechen, denn wir Engel dürfen mit Euch Menschen nur für eine bestimmte Zeit reden. Die Sprache ist für auch ein Geschenk, welches wir angenommen haben. Benjamin, es ist nie zu spät, einen Fehler, den man einmal gemacht hat, wieder gut zu machen! Erinnere Dich an Deine Geschichte mit der Vergebung! Sie wird Dich begleiten und dann werden Dein Herz und Deine Seele auch wieder geheilt! Aber denke immer daran, dass Du das auch wirklich wollen musst, weil es sonst nicht funktioniert! Überlege Dir gut, was richtig war und was falsch war, was Du gemacht hast! Überlege Dir gut, wie es in Deinem Herzen wirklich aussieht! Überlege Dir gut, wer Deine wahren Freunde sind und wen Du nicht dazu zählen kannst! Überlege Dir gut, was eigentlich wahre Freunde ausmachen! Denke über all das in Ruhe nach: Positives und Negatives! Und höre auf Dein Herz, ganz und gar und schau nicht immer nur auf die Oberfläche, die zwar manchmal lustig und amüsant sein kann, aber auch sehr viel zerstören kann!“ so sprach der Engel und verschwand und auch diesmal ließ er einen Zettel mit einer Botschaft zurück auf dem nur zwei Worte standen: „Vergebung“ und „Liebe“. Auch eine Feder ließ er wieder zurück. Wieder hob Benjamin beides auf und wieder rahmte er es ein und wieder hing es über sein Bett. Den Teddybären Johannes mit dem Herz und dem Pflaster stellte er behutsam auf seinen Nachttisch. Dazu legte er Juliettes Abschiedsbrief und auch eine kleine Kerze stellte er dazu. Danach ging er zu Bett und seltsamerweise schlief er auch relativ ruhig.
 
Da zwischen Weihnachten und dem Neuen Jahr reichlich Zeit war, nahm es sich diesmal auch ganz bewusst Zeit für sich selbst. Er setzte sich hin und schrieb all das was der Engel ihm gesagt hatte auf. Aber auch seine Gedanken schrieb er dabei auf. Dabei merkte er, wie er sich immer mehr mit sich selbst auseinander setzte. Er schrieb wirklich auf, was er im letzten Jahr alles an Positiven erlebt hatte und was Negativ war. Komischerweise kam bei den negativen Dingen doch sehr häufig der Name seines eigentlichen Freundes Falk vor und bei den Positiven tauchte immer wieder der Name Juliette auf. Dabei wurde immer klarer, dass Juliette recht hatte, mit ihrer Vermutung, dass ihm Falk nicht gut tun würde und auch nie gut getan hatte. Ja, sie hatte Recht damit, dass er ihn doch eigentlich im Stich gelassen hatte, als er damals nach dem Schlaganfall einen Freund brauchte. Falk hatte sich damals genauso abgeseilt wie auch einige andere aus seinem Freundeskreis. Er schrieb aber noch etwas auf: Die Geschichte über Vergebung, die er damals den Kindern vorgelesen hatte. Diese Geschichte bedeutete ihm so viel, denn damals war er an diesem Tag das erste Mal Juliette näher gekommen bzw. hatte sie an diesem Tag einen großen Schritt auf ihn zugemacht. Doch eine Frage blieb in ihm noch offen: Was sollte er mit Juliette machen? Wie sollte er mit ihr umgehen? Er liebte sie noch immer und wollte sie auch gern wieder zurückhaben, wenn sie ihm die Chance dazu geben würde. Er hatte nie ein Wort zu der Trennung gesagt. Er hatte weder um sie gekämpft, noch hatte er auch nur einmal danach gefragt, wie es ihr geht. Und weil er einmal so schön in diesen Tagen am Schreiben war, beschloss er, ihr einen Brief zu schreiben:
 
„Liebe Juliette! Es ist spät und vielleicht ist es auch zu spät, dass ich Dir diese Zeilen schreibe. Mir sind sie jedoch sehr wichtig und ich hoffe sehr, dass Du sie auch bis zum Ende lesen wirst. Zunächst möchte ich Dir sagen, dass es mir sehr leid tut, was ich Dir angetan habe und auch, dass ich nie um Dich gekämpft habe oder danach gefragt habe, wie es Dir geht. In den letzten Tagen ist mir einfach klar geworden, dass mir einfach der Mut dazu gefehlt hat, in den Spiegel zu sehen, schon als Du mir geraten hast das zu tun. Mir hat aber auch der Mut dazu gefehlt, auf Dich zuzugehen und um Dich zu kämpfen. Stattdessen habe ich all die vielen Gedanken an Dich im Alkohol bei Party ertränkt. Aber nun war ich an einem Punkt, wo ich das nicht mehr konnte. Ich habe den Mut zusammen genommen und habe in den Spiegel geschaut! Ja! Ich habe festgestellt, dass Du Recht hattest, mit all den Dingen, die Du mir kurz vor der Trennung gesagt hast! Du hattest Recht damit, dass ich mich verändert habe! Du hattest Recht damit, dass ich auf einmal wieder oberflächlich wurde! Du hattest Recht damit, dass Falk nie ein wirklicher Freund für mich war. Diesmal aber ist es nicht er, der den Kontakt abbricht, sondern ich bin es, der nun nicht mehr möchte! Meine wirklichen Freunde und auch Dich habe ich damit ins Abseits geschossen und habe Menschen verletzt, die mir eigentlich das Liebste und Wichtigste waren und die immer auf ihre Weise für mich da waren, als ich jemanden gebraucht habe! Ich habe so viele Fehler gemacht und bin dadurch und durch meine eigene Dummheit wieder dort gelandet, wo ich eigentlich nicht wieder hinwollte. Das alles und noch einiges mehr habe ich beim Blick in den Spiegel erkannt. Ich möchte aber heute auch den Mut zusammen nehmen und Dich einfach um Vergebung bitten, für all das Leid, was ich insbesondere Dir angetan habe. Bitte verzeih mir! Verzeih mir all die Tränen, die Du wegen mir hattest! Verzeih mir bitte! Ich liebe Dich noch immer sehr und ich wünschte, dass es vielleicht irgendwann noch eine zweite Chance für uns geben könnte. Und vielleicht, aber nur vielleicht, können wir uns einfach einmal treffen und über alles reden! Es grüßen Dich ganz lieb und herzlich Johannes, Klara und Benjamin
 
PS: Grüße die Kinder ganz lieb von mir!“
 
Er nahm diese Zeilen und steckte sie zusammen mit einer Feder in einen großen Briefumschlag. Er hatte außerdem die Geschichte über die Vergebung ein wenig mit selbstgemalten Bildern gestaltet und zu einem kleinen Büchlein gebastelt. Auch das steckte er jetzt mit in den Umschlag. Als er diesen zum Briefkasten brachte, spürte er, wie sein Herz ganz sehr schlug. Bummbumm ... Bummbumm! Aber er hatte letztendlich nichts zu verlieren!
 
So kam das Neue Jahr! Die ersten Wochen gingen ins Land und nichts war großartig geschehen. Nur den Kontakt zu Falk hatte er abgebrochen. Hier war aber nicht feige, sondern er sagte ihm den wahren Grund für seine Entscheidung:
 
„Falk ich denke, dass Du nicht gut für mich bist, denn eigentlich warst Du nie für mich da, als ich wahre Freunde gebraucht habe! Es tut mir leid!“  So einfach konnte es gehen.
 
Eines freitags im Monat Februar läutete ganz unverhofft die Gegensprechanlage im Büro und seine neue Sekretärin meldete eine Frau Moretti bei ihm an, die zu ihm wollte, aber keinen Termin hatte. Mit dem Name Moretti konnte Benjamin zunächst nichts anfangen, aber da er gerade Zeit hatte, wollte er sie willkommen heißen.
 
Die Tür öffnete sich zunächst nur einen Spalt und Benjamin schaute gespannt hin. Auf einmal fiel eine kleine weiße Feder mit goldenem Rand zu Boden. Jetzt wusste er, wer Frau Moretti war. Juliette!!!! Ja tatsächlich kam kurz darauf Juliette herein. Nun wurde er ganz nervös, weil er nicht wusste, was nun kommen würde. Irgendwie hatte er auch etwas Angst! War sie verärgert oder sauer wegen seines Briefes? Er wusste es nicht, denn er hatte sie seit Anfang November letzten Jahres nicht mehr gesehen. Zunächst begrüßten sie sich freundlich mit Handschlag und als er ihr einen Platz anbieten wollte, lehnte sie ab. Nun war er sehr erschrocken! ‚Also war sie scheinbar doch wütend!’ dachte er.
 
„Hast Du etwas Zeit?“ wollte sie von ihm wissen und er nickte.
 
„Dann zieh Dich bitte an und begleite mich!“ forderte sie ihn auf.
 
‚Was soll das nun werden?’ fragte sich Benjamin. Aber er kam ihrem Wunsch nach. Schließlich war sie da und wollte sie wollte sich Zeit für ihn nehmen.
 
So fuhren sie gemeinsam zum Vereinshaus. Doch was sie hier wollten, konnte sich Benjamin nicht erklären. Sie gingen hinein und hinauf zum Lesesaal. Jetzt verband Juliette ihm die Augen und führte ihn hinein. Jetzt musste er sich ganz und gar auf seine anderen Sinne verlassen und vor allem Juliette vertrauen. Dann hörte er ihre Stimme:
 
„Ich werde die Augenbinde noch nicht abnehmen. Aber was ich Dir sagen möchte, möchte ich Dir hier sagen, weil dieser Ort für mich etwas Besonderes geworden ist. Damit Du Dich einfach auf meine Worte konzentrieren kannst, sollst Du nichts sehen. Ich hoffe, dass das für Dich in Ordnung ist.“
 
Benjamin nickte nur wortlos, auch wenn er noch immer nicht wusste, was ihm Juliette zu sagen hatte und was sie mit ihm vor hatte. Sie griff nach seinen Händen, um ihm ein wenig Sicherheit zu geben in dieser Dunkelheit, die sie für ihn bestimmt hatte.
„Benjamin, Du bist nur hier, weil jemand wollte, dass ich Deinen Brief lese. Als den im Briefkasten hatte, wollte ich ihn eigentlich erst ungeöffnet einfach wegwerfen. Aber irgendwas hat mich davon abgehalten. Ich glaube, dass Du Deinem Schutzengel sehr dankbar sein solltest! Ich war ehrlich gesagt auch sehr überrascht, über den Inhalt des Umschlages: der eigentliche Brief, die Feder und das Buch, dass Du selbst gestaltet hast. All das hab ich immer wieder zur Hand genommen. Deine Zeilen und das Büchlein hab ich auch immer wieder gelesen, immer wieder, um nach einer Antwort zu suchen, was ich tun soll. Anfangs war ich einfach nur sehr wütend auf Dich, weil Du Idiot damals nicht gekämpft hast und weil Du Dich jetzt erst gemeldet hast. Ich war traurig, weil Du Wunden wieder aufgerissen hast mit Deinen Zeilen, bei denen ich dachte, dass sie schon verheilt wären. Scheinbar waren sie es doch noch nicht! Ich habe immer wieder dagesessen und geheult, weil Du mir damals so wehgetan hast. Ich habe auch geheult, weil mir die ganzen schönen Dinge, die wir zusammen erlebt haben, wieder eingefallen sind. Ich habe auch geheult, einfach wegen Deiner Worte und weil Du Idiot endlich den Mut dazu hattest, in den Spiegel zu schauen und all das aufzuschreiben. Auch, wenn ich es schade fand, dass Du mir das alles nicht ins Gesicht hast. Ich habe beim Lesen Deiner Zeilen gemerkt, wie viele Gefühle ich noch für Dich habe, wie lieb ich Dich eigentlich noch habe.
 
Nach dem ich mich von Dir getrennt habe, weil ich einfach nicht mehr konnte, haben mir die Kinder hier sehr viel Kraft gegeben, aber gleichzeitig habe ich in ihren Augen immer wieder Dich gesehen. Als wir Weihnachtsfeier hatten, hat sogar ein Kind gesagt, dass es sehr schade ist, dass Du nicht dabei sein kannst. Dabei lief mir eine Träne runter. Gerade die Kinder haben es nicht verstanden, dass Du Dich nicht einmal bei ihnen gemeldet hast. Aber ich bin ehrlich! Ich kann es verstehen! Ich glaube, dass es vielleicht nicht so gut gewesen wäre. Ich habe ihnen gesagt, dass Erwachsene manchmal einfach eine Zeit auch ohne einander klarkommen müssen und das auch sein kann, dass man vielleicht jemanden doch nicht ganz so lieb hat, wie man eigentlich dachte. Diese Kinder hier, kannst Du eigentlich auch als Deine Schutzengel bezeichnen, denn ich habe ihnen von Dir erzählt, von Deinem Brief! Wieder haben sie mir Mut gemacht, den Schritt auf Dich zuzugehen. Ich musste schrecklich lachen und eigentlich weinen zur gleichen Zeit, als jemand von ihnen sagte: ‚Juliette, Du liebst Benjamin noch immer, auch wenn Du es nicht zugeben möchtest!’ Kinder haben die Eigenschaft, dass sie Dinge spüren, die wir manchmal einfach versuchen zu verstecken oder zu überspielen. Das habe ich immer an Kinder so sehr bewundert! Die Kinder haben auch hier, an dem, wie Du jetzt hier bist, ein wenig Schuld! Aber das wirst Du schon noch erleben möchtest.
 
Etwas ist noch daran Schuld, dass Du heute hier bist: Deine Geschichte von Josef und der Vergebung! Wer hätte einmal gedacht, dass sie mal zu Deiner Geschichte wird und ein Stück weit auch zu Deinem Schicksal? Ich glaube wohl keiner! Ich fand es schön, dass Du Dich daran erinnert hast und ich fand es schön, dass es für Dich auch ein wenig Mittel zum Zweck wurde.
 
Benjamin, wenn Du es ehrlich meinst, was Du geschrieben hast, möchte ich Dir vergeben, so wie Josef einst seinen Brüdern vergeben hat, einfach weil ich gemerkt habe, wie sehr ich Dich noch immer liebe und weil ich es einfach toll finde, wie Du jetzt auf einmal kämpfst!“
 
Jetzt nahm sie Benjamin die Augenbinde ab und wollte nur noch in seine Augen schauen. Dabei erblickte er auf einmal an der Decke des Lesesaals einen aus kleinen Lichtern gestalteten Sternenhimmel.
 
„Das war die Idee der Kinder! Als Erinnerung an unseren ersten gemeinsamen Abend!“ sagte sie ihm lächelnd und sah ihn ganz tief in seine Augen, die jetzt voller Tränen waren.
 
„Hast Du das ernst gemeint, dass Du mir noch eine zweite Chance gibst?“ wollte er wissen, wobei er ein wenig schluchzte und sich die Tränen aus dem Gesicht wischte.
 
„Ja, die bekommst Du, weil ich Dich einfach noch immer zu sehr liebe! Aber ich hoffe, dass Du Falk wirklich abgeschossen hast! Der war nicht gut für Dich! Ich war so erschrocken, wie Du immer oberflächlicher wurdest, ohne es zu merken! Du bekommst sie aber auch, weil ich denke, dass es sehr wichtig ist, jemanden, der um Vergebung bittet, Vergebung zu schenken, zumindest mit einer zweiten Chance! Mehr Chancen wird es jedoch nicht geben!“
 
„Juliette, ich liebe Dich so sehr und habe das eigentlich erst so spät erkannt! Auch die Sache mit Falk! Auch das hab ich erst so spät bemerkt! Ich werde Dich nicht wieder hergeben! Ich werde nicht noch einmal mit ansehen, wie alles nochmals kaputt geht! Ich möchte mit Dir glücklich werden, wieder glücklich werden und ich möchte mit Dir alt werden! Ich bin Dir sogar, für das was Du mir immer wieder gegeben hast und was Du mir immer wieder gibst! Aber weißt Du was? Ich bin auch Deinen Kindern hier so dankbar, dass sie Dir das gegeben haben, was Du gebraucht hast und das sie gemerkt haben, wie Du fühlst!“  Nun musste er ein wenig lachen wegen der Kinder, an die er jetzt dachte.
 
Sie hielt ihn noch immer an der Hand und sah ihn ganz verstohlen an. „Ich hab Dich ganz schön vermisst, auch wenn Du mir ganz schön wehgetan hast!“ sagte sie zu ihm.
 
„Du hast mir auch ganz schön gefehlt und ich war ganz schön dumm so einen Schatz wie Dich einfach so herzugeben! Aber noch mal mache ich das nicht!“
 
Er zog sie jetzt ganz nah an sich und konnte nicht anders, als sie einfach zu küssen. Juliette ließ sich das auch gefallen und so standen sie eine ganze Weile und küssten sich innig. So merkten sie noch nicht einmal, dass inzwischen einige Kinder reingekommen waren und ihnen dabei zusahen. Erst als eines der Kinder anfing zu kichern, schraken sie auf und unterbrachen. Nun mussten sie mit den Kindern gemeinsam lachen, wobei sie sich immer noch nicht losließen. Wieder sahen sie sich an und schlossen sich ganz fest in die Arme. Immer wieder küssten sie sich dabei. Nebenbei dankte Benjamin den Kindern für die Idee mit dem Sternenhimmel im Lesesaal, was es noch ein wenig gemütlicher hier machte. Die Kinder erklärten ihm dann, dass sie der Meinung waren, dass er und auch Juliette diese zwei Dinge gern hatten: Bücher und Sterne. Darum hatten sie diese miteinander vereint.
 
Leider wurde diese wunderschöne Versöhnung durch das Klingeln von Benjamins Handy gestört, wobei ihm seine Sekretärin an einen wichtigen Termin erinnerte. So musste er sich leider zunächst verabschieden.
 
Kurz nachdem er gegangen war, klingelte sein Handy schon wieder. Aber diesmal war es eine Kurznachricht von Juliette: „Wenn Du heute Abend noch nichts vor, Lesenacht hier, nur wir beide mit Übernachtung und Verköstigung.“
 
Da gab es gar keine Frage und er willigte ein! Nach seinem Termin ging er noch einmal schnell nach Hause und holte ein paar notwendige Sachen und machte sich nochmals frisch. Gegen 20:00 Uhr trafen sie sich dann vor dem Vereinshaus. Juliette hatte schon einiges vorbereitet: Ein wenig zu Essen und etwas zu Trinken sowie auch etwas Wein. Ein paar Decken lagen auf dem Fußboden und ein paar Kerzen strahlten unter dem Sternenhimmel. So nahmen sie die beiden an diesem Abend und in dieser Nacht zunächst ganz viel Zeit, um nochmals über alles in Ruhe zu sprechen, was passiert war. Auch wollte Benjamin wissen, was Juliette denn nun beruflich machen würde, nachdem sie bei ihm spontan gekündigt hatte. So erfuhr er, dass sie als Sekretärin in Teilzeit bei einem guten Freund arbeitete und dass sie die andere Hälfte der Teilzeit nun auch hier im Verein mit bezahlter Arbeit verbrachte. So konnte sie sich noch mehr der Arbeit mit den Kindern widmen. Sie sprachen einfach sehr und sehr lange an diesem Abend bzw. in dieser Nacht, wobei sie sich immer wieder berührten, streichelten und küssten. Manchmal sahen sie sich dabei einfach nur ganz wortlos in die Augen. Sie schwiegen dann gemeinsam und genossen einfach die Stille.
 
Als es schon sehr spät geworden war, beschloss Benjamin tatsächlich seiner Juliette noch eine Gute-Nacht-Geschichte vorzulesen und kurzerhand griff er wieder zur Geschichte vom Aschenputtel. Nach dem sich beide ein wenig frisch gemacht hatten und sich unter die Decken gekuschelt hatten, legte sich Juliette in seine Arme und er las aber der Stelle weiter, wo er einst, vor ein paar Monaten aufgehört hatte, weil sie beide eingeschlafen waren. Aber auch diesmal gelang es ihnen nicht, dass sie das Märchen zu Ende brachten. Wieder schliefen sie beide irgendwann ein ….
 
Da sie beschlossen hatten, sich wieder ganz viel Zeit zu lassen und auch für einander zu nehmen, sahen sie sich an diesem Wochenende nicht weiter. So hatte jeder von Beiden etwas Zeit für sich, um über das Geschehene nachzudenken.
 
Am Montag darauf hatte Benjamin jedoch noch eine Überraschung für Juliette: Als sie nachmittags in ihrem Büro im Vereinshaus fleißig am Arbeiten war, klopfte auf einmal ein Bote, der nach ihr fragte. Sie nickte bestätigend und nahm von ihm ein kleines Päckchen entgegen. Seltsamerweise hatte das Päckchen jedoch keinen Absender. So öffnete sie es ganz vorsichtig, weil sie nicht wusste, was auf sie wartete. Doch schon bald entdeckte sie einen Teddybären. Dabei fing sie an zu schmunzeln, erst recht, als sie die Botschaft las:
 
„Meine liebste Juliette, bitte nimm diesen kleinen Brummbär als kleines Geschenk entgegen. Sollte ich je wieder anfangen, mich zu verändern, ohne es zu merken, dann zeig mir diesen kleinen Kerl ganz schnell, denn so will ich nie wieder werden! Ich liebe Dich über alles und bin Dir sehr dankbar! Dein Benjamin.“
 
So ging die Zeit ins Land. Benjamin und Juliette nahmen sich die Zeit, die sie brauchten und kamen sich immer näher. Sie genossen die Zeit, die sie miteinander verbringen durften, sehr. Sie genossen es aber auch sehr, dass sie im Beruf nicht mehr miteinander zusammenarbeiteten, weil sie auf diesem Weg nicht den ganzen Tag zusammen gluckten. Das tat ihrer Beziehung sehr gut! Benjamin nahm sich aber auch wieder Zeit für die Kinder im Verein und griff nun auch wieder da seiner geliebten Juliette so weit, wie es ging unter die Arme. Aber auf gemeinsame Nächte wollten sie nicht mehr verzichten.
 
Allmählich näherte sich auch in diesem Jahr wieder das Weihnachtsfest. Draußen fiel Schnee und überall brannten die Lichteln in den Fenstern. Diesmal wollte es Juliette zu einem ganz besonderen Fest machen, weil sie eine kleine Überraschung, ein ganz besonderes Geschenk, für Benjamin hatte. So kam alle Jahre wieder der Heilige Abend. Dieses Jahr hatten sie für den zweiten Weihnachtsfeiertag beide Familien eingeladen, auch wenn weder diese noch Benjamin den wahren Grund für diese Einladung kannten. Sonst hatten sie immer an einem Feiertag die eine und am anderen Feiertag die andere Familie besucht. Doch in diesem Jahr bestand Juliette darauf, dass sie doch unbedingt am gleichen Weihnachtsfeiertag zu ihnen kommen sollten.
 
Der Baum war festlich geschmückt sowie auch das ganze Haus von Benjamin, in dem sie mittlerweile die meiste Zeit zusammen lebten. Einige kleine Gaben lagen unterem Weihnachtsbaum, die für die liebe Verwandtschaft gedacht waren. Auch der Weihnachtsbraten war bereits fertig vorbereitet. Es schien alles perfekt zu sein. An diesem Heiligen Abend gingen Benjamin und Juliette zunächst gemeinsam in die Kirche zur Christmette. Hier dankten sie dem Herrn ganz besonders für all das, was er ihnen erneut geschenkt hatte. Danach liefen sie ganz gemütlich Hand in Hand nach Hause.
 
„Juliette, Du strahlst heute besonders! Was ist mit Dir los?“ wollte Benjamin wissen.
 
Sie gab ihm nicht wirklich eine Antwort, sondern schüttelte einfach nur mit Kopf und lächelte weiter vor sich hin. Noch wollte sie ihre kleine Überraschung nicht verraten!
 
Zu Hause endlich angekommen, machten sie es sich vor dem Feuer im Kamin gemütlich. Nach einer Weile stand Juliette auf und fing an zu kramen und zu wirbeln. Benjamin war ganz verwundert und wusste nicht so recht, was sie jetzt vor hatte. Er sollte es aber bald erfahren. So aßen sie ganz gemütlich zusammen das Abendessen und warteten gemeinsam auf die Zeit der Bescherung. Jetzt rief Juliette auf den Balkon, den nur ein paar kleine Kerzen zum Strahlen brachten. Sie nahm ihn bei der Hand und sagte:
 
„Ich liebe Dich sehr Benjamin und ich bin sehr froh darüber, dass wir uns in den letzten Monaten so sehr wieder zusammengerauft haben. Ich habe heute Abend, an diesem besonderen Abend, der nicht nur durch die Geburt von Jesus besonders ist, sondern auch durch unsere eigene Geschichte, ein ebenso besonderes Geschenk für Dich. Es ist zwar klein, aber glaube mir, wenn ich Dir sage, dass es von Herzen kommt!“
 
Nun küsste sie ihn und gab ihm eine kleine Schachtel. Er wusste nicht recht, was er sagen sollte, denn er wusste auch nicht, was ihn nun in dieser kleinen Schachtel erwarten würde. So öffnete er diese und es sah darin einen kleinen hellblauen Schuh und einen kleinen rosafarben Schuh mit einem Bild dazu. Zunächst war Benjamin einfach nur sprachlos! Dann umarmte er seine Juliette ganz fest und küsste sie immer wieder. Dabei konnte er es sich aber nicht verkneifen, dass die Tränen anfingen zu laufen.
 
Dann holte er kurz Luft und gab auch ihr eine kleine Schachtel, als sein Weihnachtsgeschenk, von dem sie auch nichts wusste. Auch Juliette öffnete das Kästchen und es strahlten ihr zwei Ringe entgegen. Sie sah ihn an und er fragte sie: „Ich liebe Dich über alles und Du hast mich immer wieder bezaubert! Du hast mir immer wieder so viel gegeben! Willst Du meine Frau werden?“ fragte er sie jetzt.
 
Mit Tränen in den Augen konnte sie nicht anders, als ihm diese Frage einfach mit einem „Ja, ich will!“ zu beantworten.
 
Nun lagen sie sich wieder in den Armen, hielten sich fest und küssten sich immer wieder. Nun glaubten sie ganz fest an Wunder, denn das konnte nicht einfach ein Zufall gewesen sein, dass er ihr den Heiratsantrag an diesem Abend machte, an dem sie ihm wiederum zeigte, dass ihre Liebe bereits andere Früchte getragen hatte, mit seinem Kind unter ihrem Herzen. Nach einem kurzen Moment des Luftholens lehnten sie sich aneinander und schauten in den weihnachtlichen Sternenhimmel. Plötzlich wurde es ganz hell und Klara, sein Schutzengel stand vor Ihnen:
 
„Heute werdet ihr ein letztes Mal meine Stimme hören, aber ich werde immer bei Euch sein und über Euch wachen!“ sprach Klara.
 
„Klara, ich danke Dir von ganzem Herzen, dass Du mir immer wieder zu Seite gestanden hast, dass Du mit mir gesprochen hast und mich hin und wieder auch zurecht gewiesen hast! Ich danke Dir, dass Du mich nicht aufgegeben hast! Danke, dass Du in mir das Wunder hast geschehen lassen! Ich bin Dir aber sehr dankbar dafür, dass Du heute diesen Moment mit uns teilst, in dem wir sehr glücklich sind!“ sagte Benjamin jetzt, während er seine Juliette ganz fest hielt.
 
„Das Wunder, lieber Benjamin, hast Du selbst geschehen lassen, in Dir selbst, in Deinem Herzen, weil Du Vertrauen hattest und Mut sowie Kraft Dein Leben zu verändern! Ich bin nur ein einfacher Wegbereiter, an dem Du geglaubt hast, immer wieder! Ihr beide hattet den Mut, Euch wieder neu zu vertrauen und Euch eine zweite Chance zu geben! Den Lohn dafür haltet ihr heute in euren Händen, mit dem Kind, welches Juliette unter ihrem Herzen trägt und dem Entschluss, auch weiter euer Leben miteinander zu teilen, auch wenn einmal schlechte Zeiten kommen werden oder es mal Streit geben wird. Vergesst nie, wie sehr ihr beide dafür gekämpft habt, dass ihr heute hier so glücklich miteinander stehen könnt! Vergesst nie, an die Wunder und die Kraft in euch selbst zu glauben! Haltet an einander fest, egal was kommt! Glaubt und vertraut! Das ist meine Botschaft heute an Euch: Glaubt, vertraut und vergebt! Ich werde immer bei Euch sein und über Euch wachen. Manchmal könnt ihr mich noch sehen, aber hören, könnt ihr mich dann nicht mehr, denn ich werde heute Nacht mein Geschenk der Sprache wieder verlieren!“ sprach Klara.
 
Dann wurde es ruhig! Für einen kleinen Moment standen sie einfach da: Benjamin, Juliette und Klara. Dabei genossen sie einfach den Augenblick. Benjamin hatte Klara so viel zu verdanken, denn schon zweimal hatte Klara ihm den Kopf an Weihnachten gewaschen und ihm den Weg gewiesen. Nie war Klara ihm von der Seite gewichen.
 
„Klara, die Federn, die immer wieder zu Boden gingen, warst Du das?“ wollte er noch von ihr wissen.
 
Klara nickte nur kurz und sagte: „Aber Du warst es, der mir vertraut hast und hast die Zeichen zu deuten gewusst! Und darum geht es so oft: Hin und wieder einfach Zeichen deuten zu können, egal wie klein sie sind. Und es geht auch immer wieder darum, Vertrauen aufzubauen und Vertrauen zu können!“
 
„Warte noch kurz! Ich möchte Dir noch etwas zeigen! Ich möchte, dass Du es siehst!“ sprach Benjamin ganz hektisch und holte rasch die Bilderrahmen mit den Federn und den Botschaften. „Schau! Das hab ich alles aufgehoben und gerahmt, damit ich Dich und Deine Worte nicht vergesse! Du hast mir so viel gezeigt und ich habe so viel von Dir gelernt! Ich bin Dir sehr dankbar dafür, dass Du mich niemals im Stich gelassen hast! Danke! Danke von ganzem Herbem!“
 
Doch was war das jetzt? Hatte Klara tatsächlich eine Träne in ihren Augen? Ja, es war wirklich so! Dem Schutzengel Klara, der sonst immer so stark war, lief eine Träne vor Rührung runter und als sie auf dem Fußboden auftraf, wurde sie zu einer Perle. Ganz sanft sagte sie: „Hin und wieder können auch Engel Gefühle haben! Danke Benjamin für dieses besondere Geschenk, was Du mir auf diesem Wege gemacht hast, ohne es zu wissen! Nun ist es aber Zeit für mich! Ich glaube an Euch und werde Euch nicht vergessen! Habt keine Angst!“
 
Mit diesen letzten Worten und einer neuen goldüberzogenen Feder, die zu Boden ging, verschwand Klara. Juliette hob die Feder und die Perle auf und sagte ein wenig traurig zu Benjamin: „Wenn wir ein Mädchen bekommen sollte, soll es Klara heißen! So werden wir uns immer an Klara erinnern!“ Benjamin konnte ihr mit Worten keine Antwort geben und so schloss er sie einfach in die Arme. Sie waren an diesem Heiligen Abend in diesem Jahr sooo glücklich, dass es dafür keine Worte gab.
 
Den ersten Weihnachtsfeiertag verbrachten sie allein und nahmen sich dabei ein wenig Zeit, um das Geschehene der letzten Nacht zu verarbeiten. Am zweiten Weihnachtsfeiertag kamen ihre Eltern zu Besuch, die schon ganz neugierig darauf waren, was die beiden wohl für eine Überraschung hatten. So erzählte Juliette zunächst, dass sie vorhatten im nächsten Jahr zu heiraten und Benjamin fügte nur hinzu, dass sie das noch tun wollten, bevor ihr Kind das Licht der Welt erblicken würde. Nun freuten sich ihre Familien mit ihnen und gratulierten ihnen von ganzem Herzen dazu.
 
Im Mai des darauf folgenden Jahres, an einem warmen, sonnigen Frühlingstag gaben sich Benjamin und Juliette das Ja-Wort. Dabei nahm Benjamin sogar den Nachname von Juliette an, um ihr so nochmals zu zeigen, wie sehr er sie liebte. Sie nahmen sich auch die Zeit, um für zwei Wochen in die Flitterwochen zu fahren. So wollten sie vor der Geburt ihres ersten, gemeinsamen Kindes noch einmal Kraft tanken und die Zeit zu zweit genießen. Im Juli war es dann soweit und Juliette brachte eine kleine, gesunde, wunderschöne Tochter zur Welt. Wie sie es sich versprochen hatten, gaben sie ihr den Namen Klara.
 
Am ersten Abend nach der Geburt des kleinen Mädchens geschah aber noch einmal ein letztes Wunder:
 
Nachdem alle neugierigen Besucher wegwaren und es langsam Abend wurde, erschien plötzlich Klara, der Schutzengel und strahlte mehr als je zuvor. Sie legte vorsichtig ihren Finger auf den Mund, um somit zu signalisieren, dass sie nicht stören wollte und auch nicht das friedlich schlafende Kind wecken mochte. Ganz leise erklang dann doch noch einmal Klaras Stimme:
 
„Für diesen ganz besonderen Anlass habe ich noch einmal meine Stimme bekommen!“ sagte sie mit liebevoller, warmer Stimme. „Ich bin gekommen, um Euch zwei ebenso besondere Geschenke zu überreichen! Doch vorab sollt ihr wissen, dass ich auch bei eurer Hochzeit anwesend war. Ihr konntet mich nur in der Kirche nicht sehen, weil das auch für uns Engel ein ganz besonderer Ort ist und wenn ganz viele im Hause unseres Herrn sind, sind auch von Schutzengeln ganz viele anwesend, ohne dass ihr es merkt! Aber nun möchte ich Euch meine Geschenke überreichen. Ich bitte Euch, dass ihr Euch zu Eurem Kind stellt.“ Das taten die beiden auch und waren gespannt, auf das, was nun kommen würde. „Ich bin gekommen, um Euch alle drei zu segnen, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, heute und in alle Ewigkeit! Als Zeichen für diesen besonderen Segen, den nicht alle Menschen empfangen, nehmt diese drei goldenen Ringe. Tragt sie in Demut und Ehrfurcht sowie in Liebe zu unserem Herrn, der über alles wacht. Den für die kleine Klara hebt gut auf und gebt ihn ihr, wenn sie soweit ist. Das ist mein erstes Geschenk. Mein zweites Geschenk ist nur die kleine Klara, die einen wunderschönen Namen hat. Ich hab ihr jemanden mitgebracht, den ihr, als ihre Eltern, nur heut sehen werdet.“ Auf einmal erschein ein weiterer Engel. „Das ist Julius, der von nun an Klara als ihr persönlicher Schutzengel in ihrem Leben zur Seite stehen wird. Julius kann noch nicht sprechen, denn er muss sich dieses Gott gegebene Geschenk ebenso erst verdienen, wie ich es auch musste. Ich werde Euch aber weiterhin zur Seite stehen, wie ich es Euch versprochen habe. Nun aber gehet hin in Frieden und vergesst uns nicht!“
 
Mit diesen allerletzten Worten verschwanden die Schutzengel Klara und Julius. Zuvor legten sie jedoch noch die drei goldenen Ringe, welche ein Kreuz und einen Engelsflügelchen eingraviert hatten, auf das kleine Kinderbettchen. Auch diesmal fanden sie wieder eine kleine Perle, eine Engelsträne, auf dem Fußboden, nur das nun da nicht nur eine kleine Engelsfeder lagen, sondern zwei: Eine von Klara und eine von Julius.
 
Aber auch Juliette und Benjamin hatten noch zwei besondere Geschenke für ihre kleine Tochter Klara: In den Monaten bis zur Geburt von ihr hatten sie alles zusammengetragen, was sie seit dem Schlaganfall von Benjamin und dem ersten Erscheinen des Schutzengels erlebt hatten. Das schrieben sie auf und fassten es mit all den Botschaften und Engelsfedern zu einem Buch zusammen, welches sie ihrer Tochter, gemeinsam mit den beiden besonderen Teddybären nun anlässlich ihrer Geburt schenkten. So wollten sie ihr ein Leben zeigen, dass sie etwas ganz Besonderes ist. „Liebe, Glaube und Vertrauen sind die wahren Wegweiser im Leben! Das haben wir gelernt und das möchten wir Dir als Geschenk mit auf Deinen Weg geben!“ lautete die Widmung des Buches und somit schließt sich auch die Geschichte über ganz besondere Weihnachten.
 
Doch wie es so oft ist, wo eine Geschichte endet, beginnt eine neue Geschichte ... Vielleicht die über Klara und ihren Schutzengel Julius?
 
  

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.05.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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