Carla Kröhnert

Wenn Weihnachten verloren geht

Es ist der 23te Dezember, gedankenverloren sitzt ein junges Mädchen spät abends auf einer Parkbank, alles ist strahlend schön Geschmückt. Ein riesiger Tannenbaum, steht hellerleuchtet mitten im Park.
Um sie herum stehen lauter Buden, mit allerlei Weihnachtsgebäck, mit allerlei Weihnachtsschmuck. Karusells drehen sich zu lustigen Weihnachtsliedern im Kreis. Über allem liegt ein Weihnachtsduft, Kekse, Bratäpfel, Zuckerwatte, Glühwein, es richt nach Zimt. Lauter Menschen laufen herum, sie lachen, sie kaufen, sie essen und trinken. Einsam sitzt das Mädchen am Rand des Parkes und schaut traurig dem Weihnachtstrubel zu.

Da quitscht etwas neben ihr auf, erschrocken schaut sie in die Richtung und sieht einen alten Mann mit einem vollgepacktem Einkaufswagen auf sich zukommen.
“Darf ich mich zu dir setzen,“ wird das Mädchen von ihm gefragt, nickend macht sie etwas Platz. Das Mädchen schaut ihn neugierig an, der alte Mann ist schon sehr alt...sehr sehr alt, so einen weißen Bart hab ich noch nie gesehen denkt es. Seine Kleidung sieht merkwürdig aus, nichts passt wirklich zusammen, seine Hosen sind schon oft geflickt worden und über seinem Wintermantel hat er sich noch eine Wolldecke gezogen. Um den Kopf hat er einen großen ausgefransten Schal gebunden, wo ein alter Hut drunter vorlugt und seine Handschuhe sind voller Löcher. Auch der Einkaufswagen ist merkwürdig vollgestopft, da sind zwei Kissen zu sehen, da sind ein paar Tüten drinne wo Socken und andere Kleidung rausschaut. Ein kleines Radio und eine alte Tasche liegen obendrauf und ein kleines Stofftier mit einer leuchtend roten Nase schaut frech über den Rand.
Der alte Mann schaut das Mädchen von der Seite an und fragt,“ magst du mir erzählen warum du hier so alleine im Dunklem sitzt, anstatt dort drüben mit den anderen deinen spaß zu haben?“ Das Mädchen schaut traurig wieder dem lustigem Trubel zu und antwortet,“ ich mag nicht, meine Oma ist im Oktober gestorben und Weihnachten ohne sie ist einfach kein Weihnachten.“ Verständnisvoll schaut der alte Mann zu dem Mädchen runter,“ ja sowas ist schlimm, wenn man einen Menschen den man liebt verliert, das kann ich verstehen.“

“Ich hab auch immer vorher soviel spaß gehabt wie die da drüber, ich hab mir nie wirklich gedanken über Weihnachten gemacht,“ erzählt das Mädchen weiter,“ alles war schön, es gab leckeres essen, viele Geschenke, schöne Musik, überall war alles mit vielen Lichterketten und Kerzen geschmückt und es roch überall immer so schön. Weihnachten war immer das schönste Fest im Jahr und jetzt möchte ich am liebsten davor davon laufen.“
“Weißt du eigentlich warum Weihnachten gefeiert wird?“ fragt der alte Mann das Mädchen. “Naja, weil sich da die ganze Familie trifft, es wird zusammen gegessen und Geschenke ausgetauscht,“ antwortete es,“ und bisher fand ich das immer toll, aber jetzt kommt es mir so oberflächlich vor.“ Der alte Mann schaut jetzt auch zum Trubel rüber und meint,“ ja leider ist Weihnachten sehr oberflächlich geworden, den meisten gehts nur noch darum das leckerste Essen, die schönsten Geschenke und den schönsten Tannenbaum vorweisen zu können. Kaum einer weiß noch wie Weihnachten entstanden ist und wenn sie es doch wissen vergessen sie es wieder, denken nicht daran. Wie wertvoll und groß die Geschenke sind, die man bekommt, nur noch das ist den meisten wichtig. Mich macht das alles auch immer traurig.“
Mit Tränen in den Augen schaute das Mädchen zum Himmel und flüsterte,“ ich würde alle Geschenke dafür geben meine Oma wieder bei mir haben zu dürfen.“

“Den Wunsch kann ich dir leider nicht erfüllen, das weißt du auch aber komm mit ich zeig dir etwas.“ stand der alte Mann auf. Das Mädchen schaut nochmal zum Weihnachtsmarkt rüber und geht mit dem alten Mann neugierig mit. Sie mußten nicht weit laufen, der alte Mann wollte mit ihr zur Kirche gehen. Erschrocken blieb das Mädchen stehn, “nein da kann ich nicht reingehen, ich glaube nicht mehr an Gott.“ Gütig meinte der alte Mann,“ das mußt du auch gar nicht, Gott fordert nicht das man an ihn glaubt, sein Haus ist für alle da. Für alle die alleine, einsam, traurig und voller Schmerz sind, egal ob man an ihn glaubt oder nicht.“
Zögernd betrat das Mädchen die Kirche, es war ganz dunkel, nein vorne rechts neben dem Altar brannten Kerzen. Zwei lange Reihen mit weißen kleinen Kerzen, die ein leises aber warmes Licht verströmten. Der alte Mann führte das Mädchen dort hin und nahm eine von den kleinen Kerzen, die davor auf einem Tisch lagen, hielt sie an eine andere die schon brannte und steckte sie in eine von den kleinen Kerzenhaltern. Dann nahm er die Hand von dem Mädchen und sagte,“ Liebe Oma von diesem Mädchen hier, ich wünsche dir in deiner jetzigen Welt das du immer gesund, immer fröhlich und immer glücklich bist. Dieses Mädchen hier liebt dich über alles und ist so voller Schmerzen das sie vergessen hat das du immer bei ihr bist, immer in ihrem Herzen jetzt zu Hause bist.“

Dem Mädchen liefen die Tränen übers Gesicht, Tränen die endlich rauskommen konnten, Tränen die sie bis dahin immer wieder unterdrückt hat, unterdrücken mußte. Ganz fest drückte sie die Hand des alten Mannes und sagte leise danke. Lächelnd aber ohne ein Wort ging der Mann mit dem Mädchen an der Hand raus auf den Friedhof. Auf dem Grab ihrer Oma leuchtete ein kleines Licht das es hell erstrahlen ließ. Weinend kniete sich das Mädchen hin.“ Omi ich hab dich ganz doll lieb, es tut so weh das du gestorben bist. Ich vermisse dich so sehr, es tut mir leid das ich seit deiner Beerdigung nicht mehr hier war.“ Der alte Mann wühlte kurz in seinem Einkaufswagen und zauberte eine wunderschöne Rose hervor, die er dem Mädchen gab. Vorsichtig steckte sie die Rose in eine Vase und stellte sie in das leuchtende Licht. Voller Liebe und Wärme schaute sie auf das kleine schneebedeckte Grab ihrer Oma, die Rose erblühte in herrlichen Farben auf. Da hörte sie wieder das quitschen, drehte sich um und sah den alten Mann weggehen,“ Wer bist du,“ rief es hinterher,“ und sehe ich dich wieder?“ “Ja wir sehen uns wieder,“ antwortete er ihr,“ jedes Jahr um diese Zeit, schau in dein Herz dann findest du mich.“ Schon löste er sich langsam im Nebel auf und war aufeinmal weg. Verwundert dachte das Mädchen noch über ihn nach, da ertönten die Kirchenglocken. Laut schlugen sie zwölfmal in die Nacht hinein, als sie verklangen hörte das Mädchen auf einmal leise Klocken am Himmel und schaute nach oben. Über ihr zog ein Licht über den Friedhof hinweg und das Mädchen könnte schwören das es Hufgetrappel hören würde. Da erklang nochmal die Stimme des alten Mannes von weitem, “ Ich wünsch dir Frohe Weihnachten.“

Wenn fremde Menschen zufällig an den Feiertagen bei dem Grab vorbeikommen wundern sie sich über dieses helle warme Licht das aus dem nichts zu kommen scheint und eine wunderschöne Rose aufblühen läßt. Das Mädchen, mittlerweile zu einer jungen Frau geworden, lächelt dann nur leise und flüstert danke, sie hat nie wieder Weihnachten verloren.

Carla...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.12.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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