Christine Wolny

Weihnachten bei Bibi Hendi und Gockelhahn

Der erste Schnee fiel in diesem Jahr schon sehr früh. Es wurde sehr kalt, und alle Hühner blieben jetzt länger in ihrem Nest.
Gockelhahn vergaß aber trotzdem seine Aufgabe nicht. Er huschte leise aus seiner wohligen Behausung, krähte draußen mal tüchtig und bewunderte seine Spuren im Schnee. Er bekam aber bald kalte Füße und nun schlüpfte er zu Bibi Hendi ins Nest, um sich zu wärmen. Sie wurde kurz wach, schimpfte kurz, weil ihr die kalten Federn ihres Gockelhahns nicht paßten und schlief dann wieder schnell ein.
Heute wollte es draußen gar nicht hell werden. Alles war noch still. Wahrscheinlich schliefen die anderen auch noch. Nicht einmal der Hund, der immer bei den Frühaufstehern war, bellte.

Es schneite weiter. Alles war herrlich weiß. Die Hundehütte bekam eine wunderschöne Schneehaube. Alles glitzerte. Es tat fast weh in den Augen.

Ab und zu äugte Gockelhahn nach draußen. Er war munter.Was sollte er heute unternehmen? Es war alles gefroren. Man fand keinen Wurm. Nun musste man mit dem Körnerfutter zufrieden sein.
Bibi Hendi träumte vom Frühling, von einem wunderschönen Spaziergang auf einer saftig grünen Wiese und lächelte im Traum.
Sie fühlte sich super wohl in ihrem Heubett und schaukelte sich immer mal wieder in einen neuen Traum.
"So ein Tag im Nest ist etwas Wunderschönes," sagte sie noch verschlafen zu Gockelhahn. Der jedoch war nicht ganz ihrer Meinung.

Er wollte was erleben. Es war ein Tag vor Weihnachten, und er wusste, daß die Menschen zu dieser Zeit sehr hektisch sind. Voriges Jahr hatte man sogar vergessen, die Körnerschale aufzufüllen. Das war sonst nie passiert.

Der Hund liebte Weihnachten besonders. Er bekam ein großes Stück vom Braten. Außerdem durfte er viele Knochen abnagen, und er war damit den ganzen Weihnachtstag beschäftigt.
Auch die Katze Lissy fühlte sich besonders wohl. Sie durfte im hell erleuchteten Wohnzimmer überall herumstöbern, bewunderte den Lichterbaum und hätte am liebsten die bunten Kugeln herunter geholt. Doch sie ließ es bei dem Wunsch, denn das hätte bedeutet, dass man sie hinaus in die Kälte geschickt hätte.

So wurde sie von den Kindern viel gestreichelt und von den Erwachsenen von einem Schoß zum andern gereicht. Das gefiel ihr. Sie wurde wegen ihres traumhaften Fells bewundert, und das wusste sie.
Einen Tag vor Heiligabend putzte sie sich stundenlang, damit sie auch ordentlich glänzte.

Gockelhahn trieb es nun mit aller Kraft nach draußen.
Nun war im Hause ordentlich Betrieb. Ein großer Tannenbaum wurde zurecht gestutzt. Man hatte alle Hände voll zu tun. Nach ihm sah keiner.
Er besuchte kurz den Hund, der schon voller Vorfreude war. Die gute Laune steckte Gockelhahn ein wenig an, und der Hund lud ihn in seine Hütte ein, sich doch bei ihm etwas die Füße aufzuwärmen.
Katze Lissy saß im Hause auf der Fensterbank und schaute den beiden zu. Ihr Schwänzchen ging hin und her, dann schleckte sie wieder ihr Fell. Dabei verrenkte sie sich, um ja jede Stelle zu säubern. Es sah allerliebst aus.

"Hoffentlich vergessen uns die Leute dieses Weihnachten nicht wieder," sagte Gockelhahn zum Hund. Der Hund, gutgelaunt, bot ein Stück Kuchen und Kekse an, denn die erhielt er zusätzlich zu seinem Braten. Das wusste er, und keiner sollte an Weihnachten hungern und frieren.

So konnte Gockelhahn mit einer guten Nachricht heimkehren. Das war sehr wichtig für ihn, denn er liebte sein Bibi Hendi, und er wollte ihr eine Freude bereiten.
Vorher sah er sich noch im Garten um, besuchte seinen Lieblingsplatz unter der Tanne und freute sich darüber, dass dort zum Glück kein Schnee lag. Zwar war die Kuhle vom Sommer noch da, aber sie war kalt und hart. Man müsste etwas Heu hinein legen, dann könnte man sich auch im Winter ein wenig dort aufhalten, dachte er bei sich.

Von diesem Platz aus konnte er alles überblicken, was im Haus und im Garten los war. Er war neugierig, und außerdem hatte er dann auch etwas zu erzählen. Da kam dann Leben in das Hühnerhaus, wenn er die Neuigkeiten berichtete, und das machte ihm großen Spaß.

Nun konnte Weihnachten kommen. Die Mahlzeiten waren gerettet. Sie hatten sogar etwas Süßes in Aussicht. Beide naschten gerne, und es kam sehr selten vor, dass sie Kuchen und Plätzchen erwischten. Meist war es nur ein kleines Stück, das einem Kind herunter fiel.
Die Menschen wussten nicht, dass Bibi Hendi und Gockelhahn auch Süßes liebten.

Überall waren nun Lichterbäume zu sehen. Gockelhahn staunte nicht schlecht, als er abends seine Tanne hell erleuchtet sah. Er weckte Bibi Hendi auf, denn so etwas hatte sie noch nicht gesehen.
Sie schauten lange hinauf bis zur Spitze und freuten sich über die vielen Lichter. Es war so wunderschön. und sie vergaßen dadurch das "Frühe zu Bett gehen."

Das machte ja nichts. Es war Weihnachten.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.12.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Humorvoll schreibt der Autor über eine Kindheit im Jahr 1949 in einem kleinen Dorf in der damaligen "Ostzone".
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