Bettina Szrama

Buchvorstellung: Die Giftmischerin

 

  Kurzbeschreibung

Die Hansestadt Bremen im frühen 19. Jahrhundert. In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, intelligent und schön, sehnt sich die junge Gesche nach Glanz und Reichtum. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ihr jedes Mittel recht. Skrupellos und heimtückisch tötet sie alle, die ihrem Erfolg im Weg stehen.

Pressestimmen

"Mit Tiefgründigkeit und Originalität gelingt Bettina Szrama das Kunststück, nach einer wahren Begebenheit die Giftmischerin Gesche Gottfried trotz ihres kaltblütigen Wesens als lebendigen und sehr sympathischen Charakter präzise nachzuzeichnen. Ein rasanter, äußerst spannender Roman, der an Verstrickungen, Lügen und Intrigen nicht zu wünschen übrig lässt." Volkmar Joswig, Literaturkritiker


Leseprobe:

Mehrere Wochen kämpfte sie mit sich und dem Rest eines schlechten Gewissens. Denn sie hatte Angst und dachte mit Schaudern daran, was mit ihr passieren würde, käme jemand hinter ihren mörderischen Plan. Dass Gerhard sterben musste, war für sie längst eine beschlossene Sache.
Endlich, an einem trüben Wintermorgen, fasste sie den schrecklichen Entschluss. Es war ein Morgen, wie für einen Mord geschaffen. Heulend zog der Wind um das Gemäuer. In schauerlichen Tönen rüttelte er an den Dachziegeln, während eisiger Schneeregen im Halbdunkel klirrend gegen die Fensterscheiben peitschte. Unter dem Vorwand, es fehle an Honig, schickte sie die Magd aus der Küche und bereitete Gerhard selbst das Frühstück zu. Ihr Herz begann, vor Aufregung und Angst zu jagen. Sie hielt die Luft an, um sich zu beruhigen, und zog rasch das Papier aus dem Mieder. Vor Aufregung wollte das Arsenik nicht auf der Messerspitze bleiben. Es fiel immer wieder zurück auf das Papier. Letztendlich aber schaffte sie es und mischte Gottfried etwas von dem Pulver in den frisch gebrühten Tee.
Später, im Salon beim gemeinsamen Frühstück, vermochte sie in seiner Gegenwart keinen Bissen zu sich zu nehmen. Ziemlich wortkarg saß sie ihm an dem gedeckten Tisch gegenüber und beobachtete, wie er das Gift langsam aus der Schale schlürfte. Sie hasste es, wenn er beim Frühstück, entgegen aller Etikette, den Tee wie ein Bauer zu sich nahm. An diesem Morgen jedoch empfand sie sein Schlürfen wie eine Melodie, obgleich ihr das Herz vor Furcht in der Brust zu zerspringen drohte. Sie wunderte sich nur, dass es ihm anscheinend sehr viel besser ging. Gerhard zeigte sich seit langer Zeit wieder einmal von seiner besten Seite. Er machte einen ausgeschlafenen, heiteren Eindruck. Lediglich das Gesicht schien etwas zu stark gepudert. Anscheinend hatte Gerhard vor, einen seiner zahlreichen Gläubiger aufzusuchen. Das verriet der dreiteilige Anzug aus mausgrauem Wollstoff, den er zu einer farbigen Weste aus schwerem Brokat trug. Den grauen Zylinder und einen Schirm aus Seide hatte er zum Ausgehen bereit auf der englischen Kommode neben dem Kachelofen abgelegt.
"Es ist schön, dass mir wieder einmal meine Gemahlin persönlich das Frühstück serviert und mich dabei mit ihrer Schönheit beehrt. Lang ist's her!", bemerkte er ein wenig ironisch, aber aus ehrlichem Herzen. Er freute sich über ihre Anwesenheit und streichelte sie mit liebevollen Blicken. Es war wie ein schwacher Hoffnungsschimmer.
"Oh Herrgott, warum ist uns das Glück nicht vergönnt? Warum gibt es kein Mittel gegen die schleichende Krankheit?", bemerkte er einmal zwischen zwei Bissen und kaute mit mahlenden Bewegungen. Die Krankheit hatte ihn einige Zähne gekostet.
Gesche beobachtete lauernd, jede seiner Bewegungen. Dabei lächelte sie und hörte ihm zu.
"Lass uns Zeit, chérie, es wird sicher alles wieder gut."
Als er die Schale erneut anhob, wich sie seinem Blick aus. Sie befürchtete, dass er ihre Gedanken lesen könnte, und rührte nachdenklich in ihrem Tee. Dabei nahm sie nur schwach wahr, was er sprach. Sie dachte unentwegt an die qualvoll verendenden Mäuse, während sie ängstlich darauf bedacht war, nichts zu sich zu nehmen.
Welch ein Unglück. Ich werde weinen und schwarze Kleider tragen, als sei ein Stück von mir gestorben. Aber er muss weg, schoss es ihr immerzu durch den Kopf, bis sie ein völlig neues Gefühl durchströmte, als sie sich Gottfrieds Gesicht ins Gedächtnis holte. Verzweifelt hielt sie sich an seinem Bild fest, an den weichen Zügen, den melancholischen Augen, den glatten Händen und an der wohlklingenden Stimme. Die angenehmen Gedanken wichen jedoch rasch wieder der Angst. Ein letztes Mal verspürte sie so etwas wie Reue, und sie versuchte das Schicksal aufzuhalten, indem sie Gerhard die Teeschale aus der Hand riss, die er sich erneut von Beta füllen ließ.
"Nein!", rief sie leichenblass. Aber noch bevor Gerhard sich von seiner Überraschung erholte, kam sie wieder zur Besinnung und mahnte ihn lediglich mit zitternder Stimme: "Du musst dich beeilen Gerhard!"
Als Miltenberg das Haus verlassen hatte, ging sie auf ihr Zimmer und legte sich, unter dem Vorwand, leidend zu sein, in ihr Bett. Beta, die Magd, brachte ihr eine Karaffe mit warmer Milch und Honig und hielt besorgt ihre kalte Hand. Gesche nippte an der Milch und schob Betas Hände mit dem Glas zurück. Dann zog sie das Mädchen, in einem plötzlichen Anflug von Selbstmitleid, zu sich herunter. Sie sah ihr lange in die Augen und bemerkte nachdenklich: "Beta, du bist meine einzige wirkliche Vertraute. Wie gut, dass ich dich habe. Gott wird es dir vergelten."
In den späten Nachmittagsstunden meldete Beta die Kutsche ihrer Freundin Marie. Zu jeder anderen Zeit hätte Gesche sich über die seltene Abwechslung gefreut und die Freundin auf eine Limonade empfangen. Jetzt winkte sie mit Kopfschmerzen müde ab und lief zum wiederholten Mal unruhig die Stufen zum Fenster hinauf. Aber kein Polizeikommissar kam, ihr Gerhards Tod zu melden. Stattdessen stand Gerhard ganz plötzlich in einem unbedachten Augenblick hinter ihr in der Tür. Er war so leise die Stufen heraufgekommen, dass sie zu Tode erschrocken herumfuhr. Sein Anblick ließ sie zwar erleichtert aufatmen, zugleich aber spürte sie die maßlose Enttäuschung. Hatte das Gift etwa nicht gewirkt? Aufmerksam studierte sie seine Züge. Wirkte er nicht blasser als sonst? Ging er nicht auffällig krumm? Waren seine Augen nicht röter als gewöhnlich?
Die Antwort auf ihre Ängste ließ nicht lange auf sich warten. "Du musst heute allein dinieren, chérie", sagte er müde und stützte sich schwerfällig am Rahmen ab. "Mein Kopf schmerzt, und mich plagt ein seltsamer schwärzlicher Durchfall. Würdest du der Magd Bescheid geben, dass sie mir den Nachtstuhl an das Bett stellt."
Es kam ihr vor, als hatte er Mühe, aufrecht zu stehen. "Oh, mon aimé!" Sie setzte eine mitleidige Miene auf. "Ich bringe dir selbst gemachten Apfelessig gegen den Durchfall und Holunderblüten mit Wein gegen den Kopfschmerz."
Liebevoll rieb sie ihm später Nacken und Schläfen mit selbst gemachtem Holunderblütenwein ab und machte ihm anschließend einen Halswickel aus Quark. Sie blieb an seinem Bett, deckte ihn zu, als sie sah, dass er fröstelte, und las ihm geduldig eine Novelle von Herrn von Kleist vor. Die Geschichte der Marquise von O. berührte Gerhard so sehr, dass er in Tränen ausbrach. Als Gesche ihn fragte, warum er weinte, bemerkte er: "Ach mein Herz hat Luft bekommen, nach meines Vaters Tod konnte ich nie weinen. Diese Tränen fließen für meinen Vater."
Am nächsten Tag lief er wieder im Haus umher, ging in die Werkstatt, gab den Gesellen Anweisungen, kam zurück, lief in die Küche und stolperte anschließend hastig auf den Nachtstuhl. Von dort hörte sie ihn qualvoll stöhnen. Danach ging er wortlos zu Bett und schlief sogleich ein. Einen Tag später, um die Mittagszeit, kam er plötzlich auf den Stock gestützt die Treppe herunter. Er befand sich in einem solchen jämmerlichen Zustand, dass Gesche vergaß, dass sie die Ursache seiner Leiden war, und ehrliches Mitgefühl für ihn empfand.
"Bitte, chérie, geh wieder auf dein Zimmer. Ich bringe dir gleich etwas Wein mit Ei an das Bett", bat sie ihn und vermied es, in das eingefallene leichenblasse Gesicht zu sehen. Gerhard litt seit den Nachtstunden an einem schrecklichen Erbrechen. Doch er überhörte ihre Bitte und beugte sich schwankend über das Geländer. Gesche stürzte helfend hinzu und versuchte, ihn zu stützen, damit er nicht kopfüber in die Diele fiel. Dankbar griff er nach ihrer Hand und drückte sie in einer warmen Geste an sein Herz. Dann erst stierte er verloren auf die schwarze Kutsche im unteren Eingang. Sie wusste, wie sehr er an dem Wagen hing, hatte er ihn doch einst mit seinen eigenen Händen gefertigt.
"Wenn ich sterbe, verkaufe diesen Wagen und lass mich vom Erlös beerdigen", sagte er plötzlich, mit einer Stimme, die ihr in der gewölbten Diele so hohl und verloren vorkam, dass sie befürchten musste, dass er längst ahnte, wer seine Mörderin war.



Eine von vielen Rezensionen;
Bremens blondes Gift... (Redakteur: Stephanie Forster)


Im März 1785 erblickte Gesche Margarethe Timm zusammen mit ihrem Zwillingsbruder Johann Christoph in Bremen das Licht der Welt. Gute vierzig Jahre später würde dieses noch unschuldige Kind als eine der skrupellosesten Serienmörderinnen Deutschlands in die Geschichte eingehen...

Die Autorin Bettina Szrama hat sich der wahren Geschichte der Gesche Gottfried angenommen und es ohne Partei zu ergreifen geschafft, deren Leben, ihre vermutlichen Beweggründe und ihren Charakter so zu beschreiben, dass man während der Lektüre eine vielschichtige, teilweise erschreckend gefühlskalte, aber dennoch sehr sympathische Frau kennenlernt, die verzweifelt versucht, ihr vermeintliches Glück zu finden.
Gesche wuchs in ärmlichen Verhältnissen im Schneiderhaushalt ihrer Eltern Johann und Margarethe Timm auf, schon früh darauf bedacht, den eigenen Reichtum zu mehren. Sie bestahl ihre Eltern, verstand es aber immer, die Schuld von sich zu weisen. Im Alter von 21 Jahren heiratete sie den wohlhabenden Sattlermeister Johann Miltenberg und glaubte sich am Ziel ihrer Träume. Doch schnell musste sie erkennen, dass ihr Mann nicht nur äußerst verschwenderisch lebte und sein Vergnügen bei zweifelhaften Damen suchte, sondern bereits schwer krank war. Dennoch scheint ihre Ehe relativ glücklich gewesen zu sein, denn Miltenberg war trotz seines Lebenswandels stets darauf bedacht, seine junge und schöne Frau glücklich zu machen. Sogar eine Affäre mit seinem besten Freund Michael Gottfried forcierte er regelrecht. Doch schließlich wurde Miltenberg das erste Mordopfer Gesches. Um sich ein Leben an der Seite des Geliebten Gottfrieds zu ermöglichen, tötet sie ihren Ehemann, damals noch mit großen Skrupeln, durch die Beigabe Arsens in seine Mahlzeiten.
Er ist ein Klotz am Bein, dachte sie und verzog das Gesicht bei der Erinnerung, was von ihm übrig blieb, wenn er Mantel und Frack ablegte. Schon längst war sie zu der Überzeugung gekommen, dass sein Leben nur eine Qual für ihn war. Sterben müsste er, einfach so sterben, so wie in Kotzebues Schauspiel Graf Benjowsky durch den Giftmörder Kasarinoff. Das Stück wollte ihr nicht mehr aus dem Sinn. Sie schloss die Augen und träumte von Gerhards Tod, von der Freiheit mit Gottfried und ihrer Liebe, die sie in grenzenloser Gier genossen.


Da Miltenberg schon lange krank war, dachte damals niemand an einen Mord, doch ab diesem Zeitpunkt schien das Töten Gesches perfektes Mittel zu sein, um ihre Ziele zu erreichen, sodass sie es immer dann anwandte, wenn ihr jemand im Weg zu stehen schien.
Es schien ganz so, als hätte das Verbrechen ihr Leben in ruhige Bahnen gelenkt und die Wogen geglättet. Doch dem war nicht so. Unter den sanften Wellen der Oberfläche brodelte ein glühender Vulkan. Denn tief im Inneren ihrer Seele war Gesche ganz und gar nicht zufrieden.


So tötete sie bereits eineinhalb Jahre später kurz hintereinander ihre Mutter und zwei ihrer Töchter, denen wenige Monate später auch der eigene Vater und im Jahr darauf der ehemals geliebte Zwillingsbruder folgten. Auch ihr zweiter Ehemann Gottfried blieb nicht verschont, doch noch immer ahnte niemand etwas von den Morden. Gesche wurde von allen sehr bemitleidet und bewundert, wie sie die Schicksalsschläge verkraftete und ihre Lieben bis zum grausamen Tod pflegte. Noch viele Tote und Geschädigte folgten, bis Gesche Gottfried im Jahr 1828 schließlich entlarvt und vor Gericht gestellt wurde. Drei Jahre später wurde ihr Todesurteil gesprochen und vollzogen. Es war die letzte öffentliche Hinrichtung der Stadt Bremen.

Obwohl man als Leser dieses Romans bereits von Anfang an weiß, was passieren wird, ist man von der ersten Seite an gefesselt von der widersprüchlichen Figur der Gesche Gottfried. Zunächst verfolgt man nur ihr Aufwachsen im Hause der Eltern und ihre Entwicklung zur eitlen, aber sehr einfühlsamen jungen Frau, die einfach nur den ärmlichen Verhältnissen entfliehen möchte. Die Beweggründe für ihren ersten Mord erscheinen einem noch nachvollziehbar, schließlich geht es um die große Liebe. Doch je weiter die Geschichte geht, desto faszinierter ist man von der Gefühlskälte, die Gesche entwickelt, von der Skrupellosigkeit, mit der sie lästige, aber auch innig geliebte Menschen aus dem Weg räumt, teilweise innerhalb weniger Tage!
Ohne die wahren Geschehnisse zu beschönigen, hat die Autorin mit großem Erzähltalent eine berührende, schockierende und tragische Geschichte erzählt, die bis zum Ende gefangen nimmt und begeistert. Am Ende des Buches sind alle Morde Gesche Gottfrieds chronologisch aufgelistet, sodass man nicht den Überblick verlieren kann. Aufmachung und Gestaltung des Buches aus dem Hause Gmeiner sind besonders hübsch geworden, auch das passende Lesezeichen fehlt wie immer nicht.
Ein tolles Gesamtpaket, das sich zu lesen lohnt.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 2012-07-14. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).