Ramona S.
Kritisches Weihnachtsgedicht
Weihnacht’ naht, die Kasse klingt
Aus Kaufhaus-Boxen drängt und dringt
Schmeichelnd die Festtags-Melodie
-verkommt zur Breiten-Sinfonie.
Und aus den Winkeln aller Städte
Strömen Massen in die Tempel
-des Konsums, und kaufen Krempel
den wohl ein and’rer gerne hätte.
Selbst der ärgste Spar-Mentor
Kommt nun aus seinem Loch hervor
Und verschleudert, was er hart
Sich vom Munde abgespart.
Auch in der Kulturhauptstadt
Wo man sonst Manieren hat
Plündern Massen dieser Tage
Die Läden wie `ne Wildschweinplage.
So zaubert jeder aus der Kiste
Die eig’ne Prioritätenliste
Und drückt sie Menschen in die Hand
Die ihm vertraut und anverwandt.
Und dann, kurz vor dem Festtagsschmaus
Bricht noch die Massenpanik aus
Ein jeder scheint bloß eins zu denken
„Was soll ich meinen Lieben schenken?“
Der wahre Geist in Weihnachtstagen
Bleibt vielen allzu oft verborgen:
Für jene unter uns zu sorgen
Die dieser Tage gar nichts haben.
So hab’ ein Herz wenn du erwägst
Ob du den Fremden übersiehst
Der frierend vor dem Kaufhaus liegt
Aus dem du volle Taschen trägst…
Vorheriger TitelNächster TitelEin hiesiges Käseblatt, das zweimal wöchentlich in relativ großer Auflage erscheint, hatte kürzlich seinen alljährlichen Gedichtwettbewerb ausgerufen- Ziel war es, die Worte Kulturhauptstadt, Spar-Mentor, Prioritätenliste, Wildschweinplage und Breiten-Sinfonie in einem Weihnachtsgedicht unterzubringen. Als Anerkennung sollten die zehn "besten" Dichter jeweils einen Tannenbaum erhalten.
Ich für meinen Teil wollte diesen einer gemeinnützigen Organisation zukommen lassen und habe dies unter meiner Einsendung vermerkt- zudem ging es mir weniger um den Gewinn als um die Tatsache, eine Chance nutzen zu können um ein kleines Zeichen zu setzen...doch was geschah? Man verpasste mir einen Maulkorb. Zehn Gedichte wurden aus angeblich "weit über 100" Werken ausgewählt- und was ich lese ist nichts weiter als lächerliches Feiertags-Geplänkel ohne Sinn und Verstand...Ich habe es nun hier veröffentlicht, damit es wenigstens nicht ganz ungelesen bleibt. Um ehrlich zu sein, hat mir dieser Boykott kritischer Ansichten einen gehörigen Stoß versetzt und alles, woran ich glaube und wofür ich kämpfe, erschütternd in Frage gestellt. Möglicherweise liegt es nur an der resignativen und ignoranten Mentalität dieser Stadt- doch wenn nicht? Woran soll ich glauben? Es ging mir weder um den Sieg, noch um etwaige Anerkennung oder sonstigen persönlichen Profit aus diesem Wettbewerb. Ich wollte lediglich eines: Augen öffnen, Menschen zum Nachdenken bewegen.
Ramona S., Anmerkung zum Gedicht
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.12.2008.
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