Hans-Georg von Rantzau

Der Weihnachtsfuchs

Ein Rotfuchs schlich durch die Prärie
's war Winter, kalt und eisig,
da stieß er auf ein Hasenvieh
bei einem Bündel Reisig.
 
Das Füchslein kratzte sich die Nas',
als es sich niedersetzte.
"Wünsch' gute Nacht, mein lieber Has',
das ist heut deine letzte!"
 
Der Hase hat nur kurz gefaucht
vor unsres Fuchsens Kraken:
"Ich werd' als Osterhas' gebraucht!" –
und schlug ihm einen Haken.
 
Da sprach der Fuchs: "Ich bin nicht doof,
es wird sich schon was finden",
und zog zu einem Hühnerhof,
er schlich sich ein von hinten.
 
Dem Füchslein war es angenehm
in diesem Stall voll Hennen,
das Oberhuhn sprach: "Trau schau wem!",
fing gackernd an zu flennen:
 
"Wir Hennen taugen nicht zum Fraß,
ich bitt' um Gnad' bis morgen.
Auch haben wir den Osterhas
mit Eiern zu versorgen.
 
Gleich kommt der Bauer durch das Tor,
zur Flucht sei dir geraten,
der Gockel schmort im Ofenrohr
und gart als Weihnachtsbraten!
 
Drum, lieber Fuchs, entferne dich
so weit das Auge reiche,
sonst zürnt der Bauer fürchterlich,
und dir geschieht das gleiche!"
 
Der Fuchs, der arg an Hunger litt,
er wollte nicht verschmachten!
Drum schien für seinen Appetit
'ne Gans nicht zu verachten.
 
Doch traf er im Gehege an
'nen ziemlich ollen Ganter,
und dieser alte Gänsemann,
der tobte wie ein Panther:
 
"Ich bin nicht deine Weihnachtsgans,
hau ab hier und verdufte!"
Da schwang er seinen Federschwanz
und sang zum Fuchs, dem Schufte:
 
"Fuchs, bleib ja der Gans gestohlen,
schleich dich, aber schnell,
ich werd' dir den Frack versohlen,
daß dir brennt das Fell!"
 
Der Fuchs nicht von der Stelle wich,
er wollt' nicht hungrig warten,
und unser armer Gänserich
besaß die schlecht'ren Karten.
 
Als der Fuchs nun weiter schnürte,
da roch 's nach frischen Fischen.
Schon wieder jemand Lust verspürte,
dem Fuchs eins auszuwischen:
 
"Den Fuchs, den hau' ich windelweich!",
hört man den Fischer fluchen:
"Das ist mein Weihnachtskarpfenteich,
hier hast du nichts zu suchen!"
 
Der Fuchs, er schmollt auf seinem Weg,
erlahmt vom steten Wandern,
denn so ein Festtagsprivileg
genossen nur die andern.
 
Da kroch der Fuchs in seinen Bau
und tat dem Schicksal hadern:
"Das ganze Jahr bin ich so schlau!",
das Blut schwoll in den Adern.
 
"Ich bin ein wunderschönes Tier
mit allerbesten Launen,
man sollte mich in voller Zier
als Weihnachtsfuchs bestaunen!
 
Was ist mein Pelz für eine Pracht,
vom Fuchsschwanz bis zum Scheitel,
er kleidet mich in schönster Tracht,
zum Glück bin ich nicht eitel!
 
Und wenn 's an Ruhme mir gebricht,
dann ist das wirklich schade,
denn Weihnachtsfüchse gibt es nicht,
noch nicht mal aus Schoklade!"
 
Der Fuchs verfolgte eine Spur,
im Schnee war'n lauter Tatzen,
er sah auf weiter Waldesflur
'nen großen Bären schmatzen.
 
"Du bist bestimmt der Weihnachtsbär,
ich kenne dich von Bildern",
begann das Füchslein seine Mär,
fing an, sein Leid zu schildern.
 
"Fürwahr", so sprach der Bär, "bestimmt
bin ich schon alt und weise,
ich war als Weihnachtsbär getrimmt
und oft auf großer Reise.
 
Da kommt man überall vorbei,
egal bei welchem Wetter.
Ich stamme aus der Mandschurei,
in China lebt mein Vetter.
 
Dort ist es gute alte Sitte:
Bei einem Glase Weines
gilt Fuchsfilet im Land der Mitte
als etwas extra Feines!
 
Ich sah 'nen Jäger mit der Büchs'
grad eben bei den Kiefern,
der war ganz scharf auf Weihnachtsfüchs',
will Restaurants beliefern!
 
Ich war im China-Restaurang,
es gibt dort Fuchsenbraten,
den ißt man bei Schalmeienklang
mit köstlichen Salaten!
 
Hör zu, mein Füchslein, auch wenn 's schad ist:
geweiht bist du dem Tode,
denn was in China delikat ist,
kommt hierzuland in Mode!
 
Als Weihnachtsfuchs bist du der Hit!" –
so sprach der Bär und brummte.
Das Füchslein lief im Sauseschritt
von dannen und verstummte.
 
Wie geht 's heut unsrem Weihnachtsfuchs?
Das ist wohl nie zu klären,
denn alles war ein Weihnachtsjux
des aufgebund'nen Bären...!
                                                                   vR       12/2003
 

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