Maren Frank

Der Schneesturm

 
Teresa hielt die Luft an, während sie den Kuchen vorsichtig aus der Form löste. Das Backwerk glitt auf die Glasplatte, Teresa schaute den Früchtekuchen von allen Seiten an, er war perfekt geworden, nirgends fehlte eine Ecke, jede Wölbung der Form war abgedruckt und zeigte sich auf der glatten Oberfläche.
Erleichtert atmete sie weiter, stellte den Kuchen zum Abkühlen auf die Fensterbank und ging zum Schrank, um in der Zwischenzeit schon mal die Schokolade zu schmelzen.
„Oh verdammt!“ Frustriert schlug Teresa die Schranktür zu, sie hatte gerade mal noch eine halbe Tafel Schokolade, das war natürlich viel zu wenig, um den Kuchen zu überziehen. Als Alternative hätte sie noch einen Schokoladenguss aus Puderzucker und Kakao anrühren können, doch den letzten Rest Kakao hatte sie am frühen morgen über das Tiramisu gestreut.
Es half nichts, wenn sie ihren Gästen heute Nachmittag einen Früchtekuchen mit Schokoladenüberzug servieren wollte, musste sie noch mal ins Dorf runter und Schokolade kaufen. Und zwar bald, denn am Heiligabend schlossen die Geschäfte um 12 Uhr.
Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr, kurz nach zehn, das sollte sie locker schaffen. Dick eingemummelt in ihren Wintermantel, mit Handschuhen und Pudelmütze versehen, machte sie sich auf den Weg.
Den Berg herunter kam sie gut voran, der Pfad war ausgetreten, da es seit drei Tagen nicht mehr geschneit hatte. Teresas Hütte lag etwas abseits vom Dorf, das hatte sie sich so ausgesucht, um wirklich eine Oase der Ruhe und Erholung zu haben, in die sie sich an freien Tagen zurückziehen konnte. Teresa war Anwältin, seit kurzem Teilhaberin in einer gut gehenden Kanzlei, die allerdings sehr viel ihrer Zeit beanspruchte. Die Berghütte war schon lange ein Traum gewesen, den sie sich letzten Frühling erfüllt hatte. Und nun würde sie das erste Weihnachtsfest darin verbringen, zusammen mit vier ihrer besten Freunde, die in ein paar Stunden kommen würden.
Der kleine Krämerladen hatte noch geöffnet und es herrschte sogar reger Betrieb, anscheinend hatten noch mehr Leute festgestellt, dass noch die eine oder andere wichtige Zutat zum Festessen fehlte.
Teresa kaufte gleich fünf Tafeln zartbitterer Schokolade, das war mehr als genug für den Kuchen. Sie grüßte ein paar Leuten zu, die sie kannte, plauderte noch kurz mit der Frau des Krämers und trat dann in die Kälte hinaus.
Die Schokolade sicher im Mantel verstaut, steckte sie die Hände in die Taschen und stapfte los. Es hatte zu schneien begonnen, kleine, feine Flocken, die vom aufkommenden Wind durch die Luft gewirbelt wurden.
Als der Schneefall stärker wurde, zog Teresa ihren Kragen höher. Berghoch war der Weg viel anstrengender, zumal die Flocken nun von Minute zu Minute dichter fielen und bald der Boden mit tiefem Schnee bedeckt war, in dem sich nur schwerlich laufen ließ.
Teresa blieb kurz stehen und drehte sich um, die kleinen Häuser des Dorfes sahen aus wie mit Puderzucker bestäubt, ein Anblick wie aus einem Wintermärchen. Lange Gelegenheit sich daran zu erfreuen hatte Teresa nicht, sie spürte die Kälte, wenn sie stehen blieb, der Wind pfiff ihr um den Kopf und die Hose erwies sich als nicht so warm, wie sie gedacht hatte.
Beim Laufen ging es besser, doch bald keuchte sie derartig vor Anstrengung, dass sie stehen bleiben musste. Auf einen Ast gestützt, den sie sich aufgehoben hatte, atmete sie tief durch.
Plötzlich kam eine Windbö heran, wirbelte ihr Schnee entgegen und packte sie, so dass sie zu Boden gerissen wurde.
Da sie sich auf keiner ebenen Fläche befand, führte der Sturz dazu, dass sie den Berg runter kugelte. Reflexartig griffen Teresas Hände nach allem, was möglich war, während ihr Gesicht die Bekanntschaft mit dem eiskalten Schnee machte.
Endlich fand sie einen Halt, eine Wurzel wuchs knorrig aus dem Boden empor. Lang ausgestreckt blieb Teresa mit einer Hand an der Wurzel liegen, wischte sich mit der anderen den Schnee aus dem Gesicht.
Der erste Versuch, langsam aufzustehen misslang, ihre Beine fühlten sich wie Pudding an, außerdem tat ihr linker Knöchel höllisch weh. Bewegen konnte sie den Fuß zwar noch, also war er scheinbar wohl nicht gebrochen, mit ziemlicher Sicherheit aber verstaucht.
Teresa zog sich in eine sitzende Position und tastete vorsichtig das Gelenk ab, verzog dabei schmerzerfüllt das Gesicht.
Bis zu ihrer Hütte konnten es höchstens noch fünfzehn Minuten Fußmarsch sein, zurück ins Dorf wäre es mindestens eine halbe Stunde, also hieß es nun, die Zähne zusammen zu beißen, vor zwei Jahren hatte sie sich beim Inline-Skaten mal den Arm gebrochen, das war auch nicht angenehm gewesen und trotzdem hatte sie noch Witze gemacht, während ihr schon der Gips angelegt wurde. Und in der Hockey-Mannschaft, in der sie einmal pro Woche spielte, ging es auch nicht gerade zimperlich zu, an das alles dachte Teresa nun, während sie aufstand und den Fuß probeweise belastete.
Als sie erst mal richtig stand, war es gar nicht mehr so schlimm und sie wollte schon drauflos marschieren, da fiel ihr auf, dass sie nicht wusste, in welche Richtung sie gehen musste. Bei dem Sturz musste sie vom Weg abgekommen sein, ein ganzes Stück vermutlich und die schneebedeckten Tannen sahen sowieso alle gleich aus.
Teresa beschloss, einfach geradeaus zu gehen, früher oder später würde sie so schon auf einen Pfad kommen, der im günstigsten Fall zu ihrer Hütte oder ansonsten zu einer anderen Hütte oder schlicht ins Dorf zurück führte.
Da sie letzteres aber vermeiden wollte, ging Teresa bergan, so war die Chance am größten, zu ihrer eigenen Hütte zu gelangen. Schnee war bei ihrem Sturz in ihre Stiefel gelangt, ihre Füße waren inzwischen eiskalt, aber zumindest betäubte das den Schmerz im Knöchel so weit, dass sie ihn kaum noch spürte.
Der Schneefall war unvermindert heftig, nahm sogar noch zu und immer wieder blies ein starker Wind, der ihr fast den Atem nahm. Zu sehen war kaum etwas, nur weiße Flocken und ab und zu ein Tannenzweig.
Nur langsam kam Teresa voran, sie wollte keinen zweiten Sturz riskieren. Bald musste sie ganz stehen bleiben, der Wind war zum Sturm angewachsen und drohte sie von den Beinen zu reißen.
Teresa ließ sich in den Schutz einer großen Tanne gleiten, die Zweige des Baums wirkten wie Windabweiser. Langsam bereute Teresa, die Hütte verlassen zu haben, warum hatte sie den Kuchen nicht einfach mit einem Puderzuckerguss überzogen? Den hätte sie auch hübsch dekorieren können und säße nun nicht hier mitten im Schneegestöber.
Angst kroch in ihr empor, was, wenn sie nicht mehr den richtigen Weg fand? Ihr Handy lag in der Hütte in der Ladestation, sie hatte vergessen, es mitzunehmen, schließlich hatte sie nicht damit gerechnet, es zu brauchen.
Blödsinn, sagte sie sich selbst, warum sollte sie sich fürchten? Es schneite, na und? Sie hatte sich doch weiße Weihnachten gewünscht. Und Carola, Tim, Denise und Roman waren sicherlich schon auf dem Weg zu ihr, wenn sie die Hütte verlassen vorfanden, würden sie sich sicher auf die Suche begeben.
Teresa lauschte, ob vielleicht Rufen zu hören war, doch nichts als das Heulen des Windes und Rascheln der davon bewegten Zweige drang an ihr Ohr.
Müde ließ sie ihren Kopf sinken, um gleich darauf aufzuschrecken, sie durfte nicht einschlafen, das würde den sicheren Erfrierungstod bedeuten. Sie spürte die Kälte schon nicht mehr, ein ungutes Zeichen.
Ihr fiel die Schokolade ein und mit klammen Fingern nahm sie eine Tafel hervor und schob sich ein großes Stück in den Mund. Viel nützte es nicht, aber wenigstens machte sie das enthaltene Koffein und der Zucker wieder munterer, dafür spürte sie die Kälte.
An dem Zweig vorbei lugte sie in den Schnee, die Flocken wirbelten in jede erdenkliche Richtung, unmöglich, sich dabei zu orientieren. Aber wie lange konnte sie unter der Tanne warten?
Sie zwang sich, Finger und Zehen zu bewegen, erstarrte aber im nächsten Moment. Irgendetwas vor ihr hatte sich bewegt, was für ein Tier würde bei diesem Schneesturm durch die Gegend laufen? Oder hatte sie sich das nur eingebildet, war es ein Zweig gewesen, der da eben entlang gehuscht war?
Nein, da war es wieder, Teresa konnte etwas braunes sehen, aber für einen Hasen war es zu groß und außerdem stimmte die Körperform nicht. Nun bereute Teresa, in Biologie nie richtig aufgepasst zu haben, sie hatte keinerlei Ahnung, welche Tiere in den Bergen lebten, wage erinnerte sie sich an Heimatfilme, die sie vor Jahren geguckt hatte, da waren Rehe und Gemsen herumgesprungen, hin und wieder waren auch Füchse oder Eichhörnchen zu sehen gewesen.
Einen Augenblick später konnte sie gut erkennen, was da vor ihr stand; ein kleiner Mensch. Nein, verbesserte sie sich, kein Mensch im herkömmlichen Sinn, denn sie - denn soviel war zu sehen - war gerade mal etwa 40 Zentimeter groß, hatte eine Knollennase und rote Bäckchen.
Teresa glaubte im ersten Moment an eine von der Kälte verursachte Halluzination, doch die kleine Frau stand auch noch da, nachdem sie die Augen kurz geschlossen hatte.
„Kommen Sie vom Zirkus?“ fragte Teresa, denn etwas anderes fiel ihr nicht ein.
„Zirkus? Was ist das?“ erwiderte die Frau und trat einige Schritte näher. Langes braunes Haar fiel ihr um die Schultern, sie trug Kleidung, die normalerweise einer Puppe gepasst hätte, aber an ihr war nichts puppenhaftes.
Teresa war zu verblüfft, um auf die Frage zu antworten. „Wer bist du?“
„Mein Name ist Julika. Und wie heißt du?“
„Teresa.“ Immer noch starrte sie die kleine Fremde an. „Ich habe dich noch nie gesehen, wo wohnst du?“
„Na hier, du sitzt doch schon seit bald einer Stunde auf meiner Wohnungstür.“
Wie von der Tarantel gestochen sprang Teresa auf, bereute es gleich darauf, da ihr Knöchel das mit stechendem Schmerz quittierte.
„Was ist mit dir? Bist du verletzt?“ fragte Julika mit sanfter Stimme.
„Es geht schon, ich hab mir nur den Knöchel verstaucht, als ich gestürzt bin. Und dann wurde der Sturm so schlimm, dass ich Schutz unter einer Tanne suchte.“ Teresas Augen suchten der Boden ab, aber da war nichts, was wie eine Tür aussah, nur getrocknete Nadeln.
„Der Sturm ist wirklich recht heftig, ich wollte nur schnell noch ein paar Nüsse holen, da wurde er stärker. Und als ich zurückkam, sah ich dich da sitzen, ich hoffe, ich habe dich nicht zu sehr erschreckt.“
„Nein“, log Teresa.
„Darf ich dich auf eine Tasse Tee einladen oder möchtest du lieber hier sitzen bleiben? Doch ich warne dich, es ist gefährlich so draußen zu sitzen.“
„Ich nehme deine Einladung gern an.“ Fasziniert beobachtete Teresa wie Julika eine unter Tannenadeln verborgene Platte anhob und sich lächelnd zu der jungen Anwältin umdrehte.
Ein Gang führte in die Erde hinein, Teresa konnte Treppenstufen erkennen, doch es sah ziemlich eng aus. Die kleine Frau hob auffordernd die Hand. „Komm schon, du passt schon da durch.“
Teresa setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen und zu ihrem Erstaunen war der Gang breiter als es von oben aussah. Zwar musste sie den Kopf einziehen, aber sie konnte problemlos hinter der kleinen Frau herhumpeln. „So etwas habe ich ja noch nie gesehen.“
Julika lächelte über ihr Staunen, das sich in ihrem Gesicht zeigte, während sie alle Einzelheiten des Raumes aufnahm. „Ich lebe schon seit vielen Jahren hier, einige meiner Freunde haben ähnliche Behausungen.“
„Warum wohnst du hier?“ Die Worte waren heraus, ehe Teresa nachgedacht hatte. Natürlich war diese Frage taktlos, sie hatte vor nicht mal einem Jahr einen Zwerg vertreten, der seinen Arbeitgeber wegen Diskriminierung verklagt hatte. Den Prozess hatte sie gewonnen und der kleinwüchsige Mann hatte sich überschwänglich bei ihr bedankt.
„Es gefällt mir im Wald, ich mag nicht bei den Menschen leben, sie sind so anders als die Waldbewohner meiner Art.“
„Aber du bist doch auch ein Mensch.“
Julika lachte hell auf. „Glaubst du das wirklich? Oh, ich denke, der Schnee hat auch dein Gehirn durcheinander gewirbelt. Sieh mich doch an.“
Teresa blickte die kleine Frau an, die sich vor ihr um die eigene Achse drehte. Jetzt erst fiel ihr auf, dass Julikas Kopf gar nicht so besonders menschenähnlich war, wie es sonst bei Kleinwüchsigen üblich war. Die Nase hatte die Form einer Knolle, die großen blauen Augen waren von vielen Lachfältchen umgeben, die Wangenknochen sehr hoch und mit runden Backen. Und die Ohren... Sie waren gebogen wie bei Elfen-Darstellungen in Märchenbüchern. Außerdem war ihre Gestalt nicht gedrungen, alles passte proportional zueinander, war nur eben viel kleiner. Und der Raum hier, kein Fernseher, kein Telefon, dafür alle Möbel auf eine kleine Person gezimmert. Ein kalter Schauer kroch Teresa über den Rücken. „Was bist du dann?“
„Ein Waldgeist.“ Julika zuckte mit den Schultern. „Oder ein Gnom, Troll sagen auch manche, aber ich glaube, dass ist ein eher negatives Wort. Aber wenn du mich fragst, so bin ich nur Julika, nicht mehr und nicht weniger, alles andere ist doch egal. Und jetzt mache ich uns erst mal eine Tasse Kräutertee zum Aufwärmen. Setzt dich doch, das ist sicher bequemer als so gebeugt zu stehen.“
Teresa kam der Aufforderung nur zu gern nach und nahm auf einem niedrigen Sofa platz, dass sicherlich mindestens drei Kleinwüchsigen Sitzgelegenheit geboten hätte und für sie gerade so reichte. Zum ersten mal war sie froh, dass sie mit ihren 1.60m immer schon zu den Kleinsten gezählt hatte und recht zierlich war. Teresa sah sich weiter um, Regale befanden sich an den Wänden, darauf verschiedene Gefäße und ein paar Bücher in normaler Größe, seltsam anmutend in diesem Lilliput-Haushalt.
Es dauerte nicht lange, bis Julika mit zwei dampfenden Tassen zurück kehrte. „Hier, das wird dich aufwärmen, aber zieh besser die nassen Schuhe aus, sonst erkältest du dich noch.“
Nur zu gern gehorchte Teresa, Julika holte eine Decke und mit dem warmen, mit Honig gesüßtem Tee in der Hand, fühlte Teresa sich schon viel besser. „Was machst du den ganzen Tag so?“
Julika hatte ihr gegenüber Platz genommen. „Ich sammle Kräuter, Nüsse und Beeren, besuche Freunde. Manchmal gehe ich auch ins Dorf, aber das ist selten, denn die Menschen haben Angst vor uns Waldbewohnern.“
„Warum?“
„Ich weiß es nicht genau, vermutlich hängt das mit irgendeinem alten Glauben zusammen, dass Trolle böse sind und kleine Kinder verschleppen. Aber das sind nur Geschichten, mir jedenfalls ist niemand bekannt, der jemals so etwas getan hätte. Und sieh mich doch an, niemand meiner Art ist mehr als eine Handbreit größer als ich, wie sollen wir denn einen Menschen verschleppen können?“
„Da hast du recht“, stimmte Teresa ihr zu. Und furchteinflößend wirkte Julika wirklich nicht, im Gegenteil, sie war ihr äußerst sympathisch.
„Hast du Hunger?“
„Eigentlich schon“, erwiderte Teresa. Sie hatte bloß die Löffelbiskuits gegessen, die sie nicht für das Tiramisu hatte verwenden können und das war schon Stunden her gewesen. Wie lange genau wusste sie nicht, denn ihre Uhr zeigte nichts mehr an, vermutlich hatte sie Schnee abbekommen oder die Batterie war leer. „Nur steht in meiner Hütte ein fast fertiges Festmenü, da ich Freunde zum Weihnachtsessen eingeladen habe.“
„Richtig, jetzt ist ja wieder Weihnachten, da sieht immer alles so hübsch geschmückt aus. Wir feiern es zwar nicht, aber ich sehe mir gern alles an. Und was deine Freunde angeht, die Straßen sind gesperrt, sie werden vorerst nicht herkommen können.“
„Dennoch würde ich sie gern benachrichtigen, damit sie sich keine Sorgen machen.“
„Tut mir leid, aber das ist wirklich nicht möglich. Du musst schon warten, bis der Sturm nachgelassen hat. Aber sei nicht traurig, ich koch uns erst mal was leckeres.“ Behände verschwand Julika in einem angrenzenden Raum.
Lange musste Teresa nicht warten, begleitet von einem verführerischen Duft tischte Julika ein köstliches Menü auf, das unter anderem eine Pilzsuppe und ein Hauptgericht mit herrlich gebackenen Äpfeln enthielt. Zum Nachtisch teilten Teresa und Julika sich eine Tafel der Schokolade, die Teresa noch im Mantel hatte.
„Schokolade ist etwas wunderbares“, sagte Julika und schloss genießerisch die Augen. „Leider ist die im Wald nicht zu finden.“
„Was meinst du, wie lange der Schneesturm wohl noch dauert?“
„Vor morgen früh solltest du nicht rausgehen, jetzt ist es sowieso viel zu dunkel, um einen Weg zu finden. Da gehe noch nicht mal ich raus und ich kenne mich wirklich gut hier aus.“ Julika betrachtete sie. „Ich hoffe, es gefällt dir bei mir.“
„Deine Wohnung ist toll.“ Das meinte Teresa ehrlich, ihr gefiel die gemütliche Atmosphäre viel besser, als die Designereinrichtungen bei ihren Freunden.
Die nächsten Stunden verbrachten sie mit Reden, Julika war eine aufmerksame Zuhörerin, konnte aber auch selbst fesselnd erzählen. Als Teresa müde wurde, streckte sie sich auf der Couch aus, sie hatten vorher noch eine Liege daran gestellt, so dass sie bequem liegen konnte.
Sie schlief wunderbar und es dauerte einige Sekunden, bis sie sich nach dem Aufwachen zurechtfand und erinnerte.
„Guten Morgen.“ Julika hatte bereits Tee gemacht. „Der Sturm hat aufgehört, wenn du möchtest, bring ich dich ins Dorf. Oder zu deiner Hütte, was dir lieber ist.“
„Danke.“ Teresa trank einen Schluck aus der dargebotenen Tasse. „Das wäre wirklich sehr nett von dir.“
Julika hielt ihr Versprechen und führte Teresa sicher bis zu ihrer Hütte. Weit war es nicht, sie mussten keine zehn Minuten gehen. Zum Abschied bedankte Teresa sich noch mal herzlich bei der kleinen Frau und schenkte ihr die restliche Schokolade. Julika winkte ihr noch zu, dann huschte sie von dannen.
Teresa betrat ihre Hütte und griff sogleich zum Handy. Eine Nachricht war drauf und sie hörte sie ab: „Hallo Teresa, hier ist Carola, ich habe gerade den Wetterbereicht gehört, ein Schneesturm zieht auf. Wir haben uns entschlossen, heute nicht zu dir hoch zu fahren, ich hoffe, du bist nicht zu enttäuscht. So, wie das Wetter wieder besser ist, kommen wir und holen alles nach, vorab schon mal frohe Weihnachten.“
Lächelnd hängte Teresa das Telefon wieder ein und machte sich daran, den Früchtekuchen mit einem Puderzuckerguss zu überziehen. Sie war gerade damit fertig geworden und hatte ein paar Ilexzweige aus grünem Marzipan als Verzierung angebracht, als es an der Tür klopfte und ihre vier Freunde eintraten.
„War es gruselig hier so ganz allein im Schneesturm zu sitzen?“ wollte Tim wissen.
„Überhaupt nicht“, erwiderte Teresa und lächelte. Von ihrer neuen Freundin erzählte sie nichts, das würden die anderen ja doch nicht verstehen.
Nach den Feiertagen kehrte der Alltag wieder ein, doch wann immer Teresa am Wochenende zu ihrer Berghütte fuhr, hatte sie eine Tafel Schokolade im Gepäck und suchte jene Tanne auf, an der ihre Freundschaft begonnen hatte. Und Julika freute sich jedes mal, sie auf eine Tasse Kräutertee in ihr kleines Reich einzuladen.

 

ENDE

 
 
 
 
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.11.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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