Iris Kater

Auf der Suche nach dem Weihnachtsmann

In ein paar Tagen war Weihnachten. In der letzten Nacht war der erste Schnee gefallen, und die Kinder hatten heute den ganzen Tag auf dem zugefrorenen See verbracht. Jetzt am Abend aber schien es als ob das kleine Dorf schlafen würde. Trotzdem waren einige Fenster noch erhellt. In einem der kleinen Häuser saßen Marie, Jonas und ihr Großvater vor dem brennenden Kamin. Sie hatten das Haus schon heute morgen mit ihren Eltern geschmückt und bastelten nun noch die letzten Weihnachtssterne.

„Glaubst du unser Baum wird dem Weihnachtsmann gefallen,“ fragte Marie ihren Großvater?“ „Aber natürlich, schließlich ist jeder Baum einzigartig,“ antwortete er. „Du glaubst doch nicht etwa noch an den Weihnachtsmann,“ lästerte ihr Bruder, „du bist ja noch ein richtiges Baby.“ Das war zuviel für Marie und fing mit ihrem Bruder an zu steiten.“Aber, aber,“ sagte ihr Großvater ruhig, „ich glaube ich muss euch eine Geschichte aus dem Drachenland erzählen. Dort wollte auch jemand nicht mehr an den Weihnachtsmann glauben.“ Marie und Jonas waren sofort still, schließlich kannte ihr Großvater die schönsten Geschichten und dann fing der an zu erzählen.

* * *

Es war ein kalter Dezemberabend im Drachenland. Egal wohin man schaute, alles war schon seit Tagen vom Schnee bedeckt. Die Drachen hatten sich in ihre Häuser zurückgezogen und warteten auf Weihnachten. Auch im Königsschloss war es ruhig geworden. Cado, der Drachenkönig saß mit seiner Frau Tara und seinen zwei Kindern Snisa und Estin vor einem warmen großen Kamin und grillte Bratäpfel. Sie hatten den ganzen Tag Plätzchen gebacken und das Schloss für den Weihnachtsabend geschmückt. Nicht nur, dass es jetzt in allen Räumen nach frisch Gebackenem roch, nein, überall funkelte es und auch der große Weihnachtsbaum erstrahlte in den verschiedensten Farben. „Kommt dieses Jahr wieder der Weihnachtsmann?“ fragte Snisa. „Aber den gibt es doch gar nicht!“ antwortete ihr Bruder. „Das ist eine Lüge,“ schrie Snisa und sprang auf „Papa, es gibt doch den Weihnachtsmann, oder?“ Doch bevor Cado antworten konnte fing Estin an seine kleiner Schwester zu hänseln. „An den Weihnachtsmann glauben doch nur die Babys,“ lachte er los, „weißt du denn nicht, dass unsere Eltern die Geschenke unter den Weihnachtsbaum legen!“

Damit war das Chaos perfekt. Snisa warf sich in Mamas Arme und fing lauthals an zu weinen: „Nein, es gibt ihn, ich weiß es ganz genau,“ schluchzte sie. „Natürlich gibt es ihn,“ versuchte ihr Vater sie zu trösten, „dein Bruder hat zwar nicht Unrecht, aber es gibt ihn tatsächlich. Natürlich legen auch wir einige Geschenke für euch unter den Weihnachtsbaum, aber eine ganze Menge davon bringt der Weihnachtsmann. Ich glaube, ich muss dir und deinem Bruder eine wahre Geschichte erzählen, welche ihn hoffentlich belehren wird. Ich kenne nämlich den Weihnachtsmann.“ „Du kennst den Weihnachtsmann?“ fragten Snisa und Estin wie aus einem Mund. „Ja,“ antwortete ihr Vater und ihre Mutter nickte unterstützend. „Wißt ihr,“ fuhr Cado fort, „ein paar Jahre, bevor ihr geschlüpft seid, war der Weihnachtsmann plötzlich verschwunden und das nur, weil die Kinder nicht mehr an ihn glauben wollten. Wenn ihr Lust habt, erzähle ich euch davon.“ „Ja Papa, bitte, bitte, bitte,“ hallte es durch den großen Saal, „bitte erzähle uns von dem Weihnachtsmann.“ „Gut, aber ihr müsst ganz still sein und gut zuhören.

Es war vor ein paar Jahren und wie auch heute war in ein paar Tagen Weihnachten. Auch damals saßen euere Mutter und ich vor dem Kamin und grillten Bratäpfel, dass ist nämlich schon eine sehr alte Tradition. Draußen tobte ein Schneesturm und wir waren froh, dass wir es warm hatten, als plötzlich jemand laut an unsere Türe klopfte. Als wir öffneten stand dort ein kleiner Kobold und zitterte. Natürlich baten wir ihn herein, und als er sich ein wenig aufgewärmt hatte sagte er: „Ich danke euch, dass ihr mich so herzlich aufgenommen habt. Seit Tagen irre ich nun schon auf der Suche nach ihm umher.“ „Nach wem suchst du denn?“ fragte euere Mutter damals und er antwortete: „Den Weihnachtsmann!“

Wir waren sehr erstaunt, denn um diese Jahreszeit hatte der Weihnachtsmann viel zu tun, denn er muss sich ja um die ganzen Wunschlisten kümmern und die Herstellung der Geschenke überwachen. Aber diesmal war es nicht so. In den Jahren zuvor glaubten immer weniger Kinder an den Weihnachtsmann und es kamen auch immer weniger Wunschlisten. Dadurch wurde der Weihnachtsmann so traurig, dass er nicht mehr Weihnachtsmann sein wollte, und er verschwand einfach. Deshalb waren alle seine Kobolde auf der Suche nach ihm. Aber der Weihnachtsmann war nirgendwo zu finden. Schließlich ist er auch der Weihnachtsmann und kann zaubern. In der Menschenwelt war er nicht, und deshalb fingen die Kobolde an das Drachenland zu durchsuchen. Aber hier war er auch nicht. Unter den Kobolden brach Panik aus. Schließlich gab es ohne Weihnachtsmann kein Weihnachtsfest. Der kleine Kobold war außer sich und saß weinend vor unserem Kamin. Wir überlegten lange hin und her, wie wir den Kobolden helfen konnten, aber das war gar nicht so einfach. Schließlich hatten sie schon alles abgesucht. Doch dann hatte euere Mutter eine Idee.

Denn wenn er nicht mehr auf der Erde war, vielleicht war er ja im Wolkenland. Dort, wo die Sonne wohnt. Da hatte natürlich noch keiner gesucht. Also machte ich mich mit dem Kobold auf, den Weihnachtsmann zu suchen. Um diese Jahreszeit war es aber sehr schwierig ins Wolkenland zu gelangen, denn man kann nur mit Zauberei dorthin oder wenn man an einem Regenbogen hochklettert. Doch wo soviel Schnee lag wie hier, gab es keinen Regenbogen. Also brauchten wir einen anderen Zugang zum Wolkenland. Aber der einzige andere Zugang den es gibt, der ist in der Menschenwelt und zwar in Irland. Um Weihnachten herum liegt dort auch eine ganze Menge Schnee, aber wenn einer der Kobolde dort seinen Topf mit Gold öffnet, dann erscheint ein Regenbogen, egal was für eine Jahreszeit wir gerade haben.

An einem solchen Regenbogen sind wir dann hochgeklettert, ganz hinauf bis in die Wolken. Im Wolkenland ist alles aus Wolken gemacht. Die Straßen, die Häuser, Bäume und Blumen. Und, selbst wenn ihr es nicht glaubt, man kann auf den Wolken laufen. Da oben wohnen die Gewitterhexe, die Wolkenhexe, die Regenhexe und eine ganze Menge anderer guter Hexen, die sich um das Wetter kümmern und darum, dass auf der Erde alles blüht. Die Königin dieses Wolkenlandes ist die Sonne und ihr König ist der Mond. Nur leider sehen sie sich sehr selten. Deshalb versuchen sie manchmal morgens ein paar Minuten zusammenzusein. Das ist immer dann, wenn Sonne und Mond gemeinsam zu sehen sind. Es war sehr mühsam, den Regenbogen hinaufzuklettern, aber als wir dann vor dem großen Eingang zum Wolkenland standen wussten wir schon, dass der Weihnachtsmann sich hier versteckt hatte. Wieso? Weil er eine leuchtende Spur mit Geschenken und Weihnachtskugeln hinterlassen hatte. So wie es aussah hatte er sich seinen großen Sack an den Spitzen der Eingangstür eingerissen und einige Sachen verloren. Der Spur zu folgen war einfach. Sie führte quer durch das ganze Wolkenland bis hin zum Königsschloss.

Aber glaubt nur nicht, dass nur weil wir ihn gefunden hatten unsere Reise zu Ende war. Denn der Weihnachtsmann wollten nicht mehr zurück zum Nordpol. Ganz im Gegenteil, er fühlte sich bei der Sonne sehr wohl, denn hier war es warm und die Sonne freute sich darüber, dass sie einmal Besuch hatte. Er fühlte sich alt und hatte keine Lust mehr jedes Jahr alle Kinder zu besuchen, wenn ja doch ein großer Teil nicht an ihn glaubte. Doch, so darf man das nicht sehen, es lohnt sich immer Anderen etwas Gutes zu tun, auch, wenn es nur ein paar vereinzelte Kinder waren, die an ihn glaubten. Aber, was wäre die Welt ohne ein Weihnachtsfest. Sie wäre traurig und leer. Manchmal muss man halt auch an etwas glauben, was man nicht sieht. Nicht immer lässt sich alles so erklären, wie es dein Bruder gerne hätte. Der Weihnachtsmann war sehr traurig darüber, dass man nicht mehr an ihn glaubte, wo er doch jedes Jahr die schönsten Geschenke brachte.“ „Aber, er hat mir doch in den letzten Jahren Geschenke gebracht,“ drängelt sich Snisa dazwischen, „und ich fand sie immer toll. Ich meine, er bringt doch wieder jedes Jahr die Geschenke, also hast du ihn doch überredet wieder zurückzukommen.“

„Aber natürlich,“ beruhigte Cado seine kleine Tochter, „der Weihnachtsmann ist nun einmal der Weihnachtsmann. Bei dem Gedanken daran, dass auch nur ein Kind weinen würde, war er plötzlich gar nicht mehr eingeschnappt. Und selbst, wenn dieses eine Kind das letzte Kind wäre, welches an ihn glauben würde, nur für dieses Kind lohnt es sich.

Als die Kinder damals unruhig wurden, weil die Vorweihnachtszeit nicht mehr so war wie sonst, hat er gesehen, dass er gebraucht wird. Und wenn ihr ihm eine Freude machen wollt, dann legt doch einmal ein Geschenk für ihn unter den Weihnachtsbaum. Er wird es bestimmt finden und wissen, dass der Glaube an ihn nicht verlorengegangen ist.“ „Ich glaube, ich werde ihm etwas basteln,“ rief Estin und sprang auf. „Ich dachte,“ schmunzelte Snisa, „an den Weihnachtsmann zu glauben wäre nur etwas für Babys.“

Cado und Tara lachten und nahmen ihre Kinder fest in den Arm. „Weihnachten ist eben nicht nur das Fest der Liebe sondern auch der Wunder,“ lachte Cado und holte den ersten Bratapfel aus dem Feuer bevor sie sich daran machten, dem Weihnachtsmann eine große Überraschung zu basteln.

* * *

Damit schloss der Großvater seine Geschichte. „Und,“ fragte er Jonas, „glaubst du immer noch nicht an den Weihnachtsmann?“ „Ich weiß nicht, vielleicht gibt es ihn ja doch,“ schmunzelte Jonas und stand auf, „vorsichtshalber werde ich ihm aber doch ein Geschenk unter den Weihnachtsbaum legen.“ Da fingen alle laut an zu lachen. Ihr Lachen war noch bis tief in den Wald hinein zu hören und wurde vom Wind weit, weit weg getragen...vielleicht ja sogar bis hin zum Weihnachtsmann.

... aus Cado's Drachenjahr
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 31.05.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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