Mein lieber alter schwarzer Kater,
während ich frühstücke siehst du mich an, mit deinen grünlich gesprenkelten Augen.
Sie sind matt geworden in letzter Zeit.
Deine Schnurrhaare schneeweiß, dein Fell lange nicht mehr so glänzend wie vor Jahren.
Vor den vielen Jahren, als du zu mir kamst.
19 Jahre. Und du warst schon kein Katzenbaby mehr.
Pancho hatten sie dich genannt, ich nannte dich Dicky, weil du so einen enormen Appetit entwickelt hast. Und den man dir bald ansah.
Es war schwierig mit dir am Anfang.. Niemand hatte dir beigebracht auf eine Katzentoilette zu gehen.
Und so lag jeden Morgen an genau der gleichen Stelle in der Badewanne ein Häufchen.
Es gab ständig Streit mit dem damaligen Lebensabschnittsgefährten.“
Blöder Kater“, schrie er, Schaff‘ das Schweinevieh aus dem Haus.“
Ich hab IHN aus dem Haus geschafft, denn du warst mir lange ans Herz gewachsen. So wie ein Kind, das besonders kränklich und schwierig ist.
Besucher waren dir immer suspekt. Legten sie ihre Jacken oder Mäntel gedankenlos auf einen Stuhl, konnte ich sicher sein, daß du als bleibende Erinnerung einen feuchten Fleck darauf hinterlassen hattest.
Freunde, bzw. Leute, die darauf hin nicht mehr kamen, haben wir beide verschmerzt. Sie waren es nicht wert.
Einmal bist du vom 4. Stock vom Balkon gefallen. Stundenlang habe ich nach dir gerufen, dich gesucht – und letztendlich brachte dich eine Hausbewohnerin, unter deren Bett du über die Terrasse geflüchtet warst. Mit weit aufgerissenen, angstvollen Augen hast du mich angestarrt.
Aber dein dickes Fell hatte dich beschützt.
Du bist diese ganzen, manchmal schweren Jahre mit mir gegangen. So oft umgezogen.
Hast einige meiner sogenannten Freunde überstanden, von denen keiner auch nur annähernd soviel Charakter hatte wie du.
Du hast sie alle überlebt an meiner Seite.
Und nun bist du alt.
Ich weiß, daß dein Leben langsam zu Ende geht.
Ich weiß, daß du nicht mehr ganz gesund bist.
Und das ist es, was mir Angst macht.
Du schaust mich so vertrauensvoll an,
und nach all‘ unseren schönen gemeinsamen Jahren möchte ich nicht daß du leidest.
Aber du schnurrst wenn ich dich kraule.
Du stößt immer noch mit deinem Köpfchen an meine Hand. Jeden Morgen. Gerade wenn ich, wie jetzt, meine Zeitung lesen will. Verlangst deine Messerspitze voll Butter. Und ich gebe sie dir, obwohl ich weiß, daß du nicht fett fressen darfst.
Sie hat begonnen, die Zeit des Abschiednehmens.
Immer wenn du etwas schwerfällig durch den Raum gehst muß ich daran denken.
Und daran, daß vielleicht ICH entscheiden muß wann dein Lebens zu Ende geht,
damit du nicht leidest.
Mein lieber alter Freund, gib mir ein Zeichen wenn du kannst.
Ich möchte, daß du friedlich schnurrend, ohne Schmerzen in meinen Armen
zu deinen alten Gefährten gehst.
Ich habe dich lieb.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.06.2002.
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