Werner Leder

Weihnachtsgeschichte

Vor einer sehr sehr langen Zeit lebte einmal ein kleines armes Mädchen. Es wohnte mit seiner schwerkranken Mutter in einer halbverfallenen Hütte am Rande eines unüberschaubaren Waldes.
 
Jeden Tag ging das kleine Mädchen in den tiefen dunklen Wald um Beeren, Kräuter und Pilze zu sammeln. Denn es hatte sich um alle lebensnotwendigen Dinge zu kümmern, da seine Mutter gar zu krank und hilflos im Bett lag.
 
Von nirgendwoher bekam die Mutter Geld, um für sich und ihr Kind Speise,Trank und Kleidung zu kaufen. Hilfreiche Menschen aus der Stadt stellten ab und zu alte, abgetragene Kleidung und Speisereste vor die Tür der windschiefen Hütte.
 
Nun aber verschlimmerte sich die Krankheit der Mutter mehr und mehr, so daß sich das Mädchen noch mehr Sorgen machte und es bald am Ende seiner Kräfte angekommen war.
 
In früheren Jahren hatte die Mutter ihrem Töchterchen immer zu Weihnachten ein festes Wintermäntelchen aus den geschenkten Stoffresten genäht. In diesem Jahr aber verschlimmerte sich ihre Krankheit so sehr, daß sie auch in der Weihnachtszeit gar nicht mehr aus dem Bett kam.
 
Da mußte das kleine Mädchen am heiligen Abend in einem hauchdünnen Kleidchen in den bitterkalten und tief verschneiten Wald gehen, um etwas essbares für sich und die Mutter zu suchen.
 
Als es vor Kälte zitternd im dunklen Wald ankam, sahen das Eichhörnchen, der Rabe und das Rehlein das kleine frierende Mädchen, das ganz traurig und bitterlich weinend daher kam.
 
Da sprach das Eichhörnchen zu dem kleinen Mädchen: "Wir Tiere im Walde wissen alles über dich und deine kranke Mutter. Wir wollen euch beiden helfen. Komm, ich zeige dir jetzt mein Bucheckernversteck dort an dem dicken Baumstamm,tief unter dem Laub. Nimm davon soviel du tragen kannst".
 
Nun kam auch der majestätische Rabe daher und hatte einige Walnüsse in seinem großen Schnabel. "Für dich kleines Mädchen, damit du und deine Mama nicht so hungern müsst", sagte er und blickte dem Mädchen liebevol ins Gesicht.
 
Das Rehlein aber sprang jetzt ganz ausgelassen um das Mädchen herum und sprach: "Folge mir".
Es führte das kleine Mädchen zu einem uralten Baum, befreite mit seinen kleinen Füßchen eine mächtige Wurzel vom Laub und sprach: "Schau, hier wächst das wohlschmeckendste Moos im ganzen Wald, nimm soviel du in deinem dünnen Kleidchen tragen kannst".
 
Das Mädchen nahm sein Röckchen wie eine Schürze hoch, tat die Bucheckern vom Eichhörnchen und die Walnüsse vom Raben hinein, und obenauf legte sie das herrlich grüne und nach Wald duftende Moos vom Rehlein.
"Danke ihr lieben Tiere des Waldes", rief das kleine Mädchen beim Abschied dem Eichhörnchen, dem Raben und dem Rehlein zu.
"Halt an, halt an, warte noch", rief da das Füchslein aus dem Unterholz. "Ich will dir bei dieser bitteren Kälte meinen Pelz zum wärmen geben". Da nahm das kleine Mädchen dankbar den Pelz, zog ihn an und schnell war es ihm ganz warm geworden.
"Danke, danke ihr lieben Tiere des Waldes", rief das Mädchen beim Abschied allen zu, "ihr habt mich sehr reich beschenkt". Und es machte sich fröhlich auf den Weg nach Hause.
 
Als nun das kleine Mädchen seine Hütte schon von weitem sah, rief es so laut es konnte: "Mutter, Mutter, ich komme heim!"  Die schwer kranke Mutter hörte zwar ihr Kind rufen, konnte ihm aber nicht antworten, da sie gar zu schwach war.
Da stand plötzlich wie aus dem Nichts gekommen ein wunderschöner strahlender Engel vor dem kleinen Mädchen - und er sprach: "Wohin gehst du in der heiligen Nacht, bei Eis und Schnee und bitterer Kälte?" - "Heim zu meiner lieben Mutter,die liegt schwer krank in ihrem Bett. Ich bringe ihr das Essen, welches mir die lieben Tiere im Wald geschenkt haben", antwortete das Mädchen.
"Was trägst du da für einen wunderschönen Pelz"? fragte jetzt der Engel das Mädchen. "O, den hat mir das liebe Füchslein geschenkt, da ich gar so sehr fror", antwortete das Mädchen. "Gib ihn mir", sprach da der Engel, "ich habe noch einen sehr weiten Weg vor mir heute, in der heiligen Nacht. Hier, nimm diesen goldenen Stein dafür". - "Das ist wahrlich ein schlechter Tausch", sagte das Mädchen, "einen so herrlich warmen Pelz gegen einen bitterkalten,wenn auch goldenen Stein, einzutauschen".
"Nein, nein, nein, du wirst es nicht bereuen", rief da der Engel, "dieser goldene Stein ist etwas ganz besonderes. Er ist aus purem Golde und doch wie ein durchscheinendes Glas, ich brachte ihn geradewegs aus der himmlischen Stadt Jerusalem mit auf die Erde. Nimm ihn und wenn du an Gottes Liebe glaubst, wird es dir und deiner schwer kranken Mutter bald besser gehen".
 
Das kleine Mädchen hatte nun einen Hoffnungsschimmer - lieber die letzte Wegstrecke frieren als für immer in Armut leben, dachte es sich.
Es vertraute dem strahlenden Engel und tauschte den Fuchspelz gegen den goldenen Stein. Sie lächelten sich liebevoll an und beide gingen ihres Weges.
 
Als das kleine Mädchen in das Zimmer der Mutter kam, stöhnte diese arg vor Schmerzen. "Ach Mutter", rief weinend das Mädchen, "wenn ich dir doch bloß helfen könnte". Da, plötzlich erfüllte sich der ganze Raum mit hellem Schein. Alles war in ein überirdisch schönes Licht getaucht - und ein himmlischer Chor begann wunderschön zu singen: "Friede, Friede, Friede auf Erden, alles Unglück muß zum Glück jetzt werden. Friede, Friede in allen Herzen,vergehen müssen nun auch die Schmerzen".
 
Als nun der Engelchor verklungen war, erhob sich, wie durch ein Wunder, die Mutter freudestrahlend und gesund von ihrem Krankenbett und rief voller Glück:"Mein geliebtes Töchterlein,wie wunderbar das alles ist, du kamst in mein Zimmer und plötzlich erstrahlte es in einem wunderschönen überirdischen Licht. Der himmlische Chor sang das Lied vom Frieden auf der Welt und in den Herzen der Menschen - und ich wurde wieder gesund".
Da umarmten sich Mutter und Tochter ganz inniglich vor lauter Glück und Freude. Sie aßen dankbar von den schönen Dingen, die ihnen die lieben Tiere des Waldes geschenkt hatten.
 
Den goldenen Stein aber tat das Mädchen in sein Schatzkästlein, damit es ja nie verloren ginge; denn es ahnte wohl, daß es all das Glück und den Frieden diesem kalten goldenen Stein verdankte, den sie bei dem Engel gegen den warmen Fuchspelz eingetauscht hatte.
Von nun an wurde die Mutter nie mehr krank. Auch hatten sie beide immer Essen und Trinken in Fülle, so daß sie anderen Menschen von ihrem Reichtum noch abgeben konnten.
 
Beide lebten sie glücklich und zufrieden noch sehr viele Jahre bis an ihr Lebensende.

© 2007 by josua
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.11.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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