Silvia Pree

Kein Zurück

Regina schloss die Tür hinter den Schwiegereltern.
Die Klinke in der Hand blieb sie einige Minuten noch stehen.
Den Kopf nach vorn gebeugt.
Die Augen geschlossen.
Heiliger Abend.
Endlich vorbei.
Eine Erlösung.
Sie seufzte vernehmlich auf.
Schließlich ging sie zurück ins Wohnzimmer.
Der Weihnachtsbaum stand in einer Ecke.
Die elektrische Beleuchtung blinkte noch.
Mechanisch begann sie den Tisch abzuräumen.
Geschirr.
Tassen.
Kuchenreste.
Besteck.
In der Küche stand Georg vor dem offenen Fenster.
Er rauchte.
Sie nahm nur seinen Rücken war.
Regina bemerkte bei einem flüchtigen Blick wie kahl er am Hinterkopf geworden war.
Aber sie verlor kein Wort.
Räumte den Geschirrspüler ein.
Schaltete ihn ein.
Georgs Stimme hielt sie beim Verlassen der Küche.
Na?
Hast du mir nichts zu sagen?
Regina lächelte verhalten.
Aber sie ging weiter.
Georgs Stimme folgte ihr.
Was hast du dir gedacht dabei?
Der Tonfall war laut.
Fast grob.
Regina zuckte die Schultern.
Sie öffnete das Wohnzimmerfenster um zu lüften.
Verdammt noch mal!
Ich rede mit dir!
Georgs Stimme füllte den Raum.
Regina blickte nicht einmal auf.
Georg packte ihren Arm.
Du wirst jetzt mit mir reden.
Hörst du?
Hier und jetzt.
Regina lachte als sie in sein Gesicht blickte.
Schlägst du mich wieder, wenn ich es nicht tue?
Georgs Gesicht zuckte.
Dann ließ er sie los.
Warum hast du unseren Eltern erzählt, wir würden uns trennen?
Ausgerechnet zu Weihnachten?
Regina kämpfte gegen ein weiteres lautes Lachen.
Deinen Eltern!
Nicht meinen.
Die wissen es längst.
Und warum sollten deine Eltern es nicht wissen?
Das du mich betrügst?
Seit fast drei Jahren?
Mit einem Flittchen aus einer Bar?
Jeder Zeitpunkt ist so gut wie der andere.
Georgs Augen warfen Dolche.
Lore ist kein Flittchen.
Sondern Geschäftsführerin.
Aber das verstehst du nicht.
Du bist nur voller Hass.
Du siehst nur, dass sie mir alles gibt.
Was du mir nie gegen konntest.
Regina drehte sich amüsiert weg.
Du wolltest keine Kinder.
Nicht ich.
Ich mache außerdem nur reinen Tisch.
Ich kann dein Heucheln nicht mehr ertragen.
Ich werde morgen ausziehen.
Dann kann deine …Geschäftsführerin … gerne meinen Platz einnehmen.
Georg dreht wütend seine Zigarette aus.
Ausziehen?
Ich nenne es davonlaufen!
Niemand zwingt dich dazu.
Wir könnten beide unser Leben weiterführen.
Wie bisher…
Reginas prustendes Lachen irritierte ihn.
Er hielt inne.
Mamas Junge, was?
Wie bisher?
Damit du gut vor deiner Mutter dastehst!
Das ist aber dein Problem.
Sie ging ein paar Schritte aus dem Wohnzimmer.
Georgs wütende Stimme hallte hinter ihr.
Du hast getrunken!
Meine Mutter hatte Recht.
Du passt nicht zu mir.
Du kennst nur dich.
Du bist beleidigt.
Verletzt.
Und auf diese Weise rächst du dich.
Versuchst du dich zu rächen.
Georgs Worte wurden verletzend kalt.
Dann geh doch!
Niemand hält dich.
Niemand braucht dich.
Du wirst sehen, wie ein Leben ohne mich ist.
Glaub aber nicht, dass ich dich je zurück will.
Regina schüttelte den Kopf.
Sie ging die Treppe hoch.
Georg blieb unten stehen.
Hörst du?
Ich brauche dich nicht!
Ich habe dich nie gebraucht!
Regina ging ins Schlafzimmer.
Packte ein paar Sachen in ihre Tasche.
Aber Mama brauchst du schon, nicht wahr?
Ihre leise Stimme mehr zu sich selbst klang voller Zynismus.
Energisch griff sie nach dem Handy.
Sie orderte ein Taxi.
Nicht eine Nacht mehr hier!
Die anderen Sachen konnte sie morgen holen.
Irgendwann.
Es eilte nicht.
Sie schlüpfte in ihre Schuhe.
Knöpfte den Mantel zu.
Georg starrte sie an als sie an ihm vorbei ging.
Das Taxi fuhr vor.
Regina musste lachen, als sie die Haustür schloss.
Aber tief in ihr zerriss ein Band.
In der Kehle steckte ein Schluchzen.
Vor vielen Jahren hatte sie George geliebt.
Wie nie jemanden zuvor…

Georg ging zurück ins Wohnzimmer.
An der Bar öffnete er eine Flasche.
Johnny Walker.
Er goss sich ein Wasserglas voll ein.
Nahm einen gierigen Schluck.
Dann ließ er das Glas fallen.
Es zerschellte am Boden.
Woher sollte Regina auch wissen, dass Lore ihn nicht mehr wollte?
Sie hatte einen geldigeren Galan gefunden.
Sehr viel reicher.
Sie war ja doch nur ein Flittchen…
Regina hatte völlig Recht gehabt.
Er begann zu weinen.
Das Wohnzimmerfenster war noch immer geöffnet.
Es war kalt.
Der Weihnachtsbaum blinkte noch immer.
Er wirkte merkwürdig fremd in dem großen Raum.
Wie aus einer anderen Welt…

Vivienne

 
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.12.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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