Hartmut Pollack

Lukas und der Weihnachtsmann

 
Lukas und der Weihnachtsmann
 
Es war ein Wochenende kurz vor Weihnachten. Überall herrschte eine große Betriebsamkeit. In den Straßen der kleinen Stadt leuchtete die weihnachtliche Beleuchtung. Aus den Geschäften erklangen Weihnachtslieder. Kurzum alles bereitete sich auf das Fest der Liebe vor.
Lukas hörte die Stimme seines Vaters: „Hat mein Sohn Lust, mit mir in die Fußgängerzone zu fahren? Ich muss noch ein wenig einkaufen und wir können dort etwas bummeln und in die Schaufenster schauen. Vielleicht treffen wir dort sogar einen Weihnachtsmann.“
„Au, fein, Papa,“ erklang die frische Jungenstimme. „Das ist eine fantastische Idee!“
Lukas war fünf Jahre alt, fühlte sich aber schon ganz groß. Er war das einzige Kind der Familie und wurde dementsprechend verwöhnt. Lukas glaubte auch noch an den Weihnachtsmann. In seinen Träumen während der Weihnachtszeit hatte er den großen, brummigen Mann schon oft gesehen.
Bisher war der Weihnachtsmann jedes Jahr in die Familie von Lukas gekommen. Bei dem Besuch hatte er immer ganz viele Geschenke für Lukas mitgebracht. Vielleicht würde er ja schon von einem Weihnachtsmann in der Einkaufsstraße seine Geschenke bekommen.
Lukas dachte, ich werde den Weihnachtsmann in der Stadt ansprechen, wenn ich ihn finde. Dann brauche ich keinen Wunschzettel mehr zu malen. Ich erzähle die Wünsche dem Weihnachtsmann direkt.
Der kleine Junge nickte zufrieden mit dem Kopf. Er holte sich eine warme Jacke und ging mit seinem Vater aus der Wohnung. Der Vater holte sein Auto aus der Garage, startete den Wagen und fuhr in die Stadt.
Schnell wurde ein Parkplatz gefunden. Sie stiegen aus, schlossen den Wagen ab und marschierten los.
Zuerst wollte Papa in das große Kaufhaus. Dort gab es eine Abteilung mit sehr viel Kinderspielzeug.
Schon am Eingang zum Kaufhaus begrüßte sie ein Weihnachtsmann. Viel von seinem Gesicht konnten sie nicht erkennen. Unter einer großen Zipfelmütze waren breite weiße Augenbrauen zu sehen. Ein großer Rauschebart hing an seinem Kinn.
Freundlich streckte er den beiden seine Hand entgegen. Lukas nahm die Hand, welche in dicken Handschuhen steckte, in seine kleinen Hände und sagte: „Guten Tag, lieber Weihnachtsmann.“
Der Nikolaus vor dem Kaufhaus murmelte etwas Unverständliches durch seinen Bart. Als Lukas nachfragte, drehte sich der Weihnachtsmann um und ging in eine andere Richtung. Lukas war ein wenig enttäuscht.
„Der Weihnachtsmann hat sicher dort hinten etwas Wichtiges zu tun,“ sagte sein Vater. „Komm, lass uns weitergehen.“
Vor der Abteilung mit den Spielsachen stand ein weiterer Weihnachtsmann. Lukas bekam erneut leuchtende Augen.
„Ich dachte schon, lieber Weihnachtsmann, du wärst auf mich böse gewesen,“ sprudelten die Worte aus ihm heraus.
„Nein, njet, ich bin noch bis Abend hier,“ klang es aus dem weißen Bart.
„Du, Weihnachtsmann, eben warst du noch an der Eingangstür und jetzt bist du hier. Du bist ganz schön schnell!“
„Am Eingang stand mein Bruder,“ klang es wieder aus dem Bart.
Irgendwie klangen seine Worte aber anders, als vor einem Jahr beim Fest in der Familie. Es war so ein seltsames Deutsch. Iwan, der Deutschrusse aus der Nachbarschaft sprach so ähnlich.
„Weihnachtsmann, darf ich dir meine diesjährigen Wünsche erzählen?“ fragte der kleine Junge.
„Njet, ich bin schon bei einer anderen Familie gebucht“, brummte es durch den Bart. „Musst einen anderen Nikolaus fragen.“
Lukas zupfte seinen Vater an der Jacke. „Komm, Papi, lass uns weiter gehen.“
Der kleine Junge war ganz still geworden. In seinem Kopf verarbeitete er das kurze Gespräch mit dem Weihnachtsmann. Im Kaufhaus sah er noch weitere Weihnachtsmänner. Aber der Junge sprach keinen von ihnen mehr an. Irgendwie war ihm die Lust dazu vergangen.
Auf der Rückfahrt brach es aus ihm heraus.
„Du, Papa, die beiden Weihnachtsmänner waren aber komisch.“
„Wie meinst du das?“
„Unser Weihnachtsmann spricht immer ein ganz sauberes Deutsch. Er ist auch nicht so brummig, sondern viel freundlicher. Ach, du hast ihn ja noch nie gesehen.  Schade, du würdest ihn sehr gern haben. Du bist aber immer weg, wenn der Nikolaus zu uns kommt. Mama sagt dann, du hast einen Termin bei einem Kunden. Kannst du den nicht mal verlegen lassen?“
Sein Vater lächelte versonnen.
„Ich muss doch das Geld verdienen für unser Weihnachtsfest. Wenn ich am Heiligabend noch kurzfristig etwas erledige, bekomme ich eine saftige Zulage als Entschädigung. Dieses Jahr werde ich mich beeilen. Vielleicht klappt es ja und ich kann den Weihnachtsmann sehen.“
„Ach so, das habe ich nicht gewusst mit der Zulage.“ Ein tiefer Seufzer folgte.
Sie waren zu Hause angekommen. Mutter wartete schon mit dem Essen.
Der Vater erzählte seiner Frau die Geschichten mit den Weihnachtsmännern beim Kaufhaus. Lukas bestätigte die Aussagen. Er wunderte sich nur, warum Mama plötzlich leise lachte.
Heiligabend kam näher und näher. Lukas wurde immer aufgeregter. Endlich war der 24. Dezember erreicht. Der Tag schlich sich dahin, Nur langsam wurde es dunkler. Gegen Abend klingelte das Telefon. Lukas hörte die Stimme seines Vaters.
„O nein, das passt mir heute gar nicht. Dann ein tiefer Seufzer. „Na gut, wenn  es sein muss. Aber es muss schnell gehen. Bis gleich.“
Sein Vater rief dann: „Karin, Schatz, ich muss noch mal kurz ins Büro. Habe etwas zu regeln!“
„Bleibe nicht zu lange, Liebling. Wir warten auf dich mit der Bescherung.“
Lukas fühlte eine leichte Traurigkeit in sich aufsteigen. Diese blöde Firma, dachte er. Es müsste doch andere Mitarbeiter geben, welche kurz vor der Weihnachtsfeier arbeiten könnten. Eine kleine Träne stieg in seine Augen. Lukas wischte sie weg.
Die Haustür klappte zu. Der Vater war gegangen. Seine Mutter kam zu Lukas und streichelte ihn sanft über die Haare.
„Mami, wenn in diesem Jahr der Weihnachtsmann wieder so früh kommt, sieht ihn Papa wieder nicht. Ich finde das so gemein!“
„Du musst Papi dann abends alles genau erzählen. Dann freut er sich ganz toll.“
„Ja, mache ich, aber schade ist es doch,“ ein wenig trotzig klang die feine Jungenstimme.
Nach knapp einer halben Stunde klopfte es bedächtig an der Haustür. Lukas lief schnell zur Tür und machte diese auf. Er staunte. Vor ihm stand ein wundervoll gekleideter Weihnachtsmann.
„Guten Abend,“ begrüßte Lukas den Nikolaus.
Eine tiefe Stimme antwortete: „Von drauß vom Walde komm ich her, ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr. All überall auf den Tannenspitzen sah ich goldene Lichtlein blitzen.“
„Ja, das ist wirklich so,“ erwiderte Lukas. „Nur schade, dass in diesem Jahr kein Schnee liegt. Für dich ist das ja besser, Nikolaus, dann frierst du nicht so. Für uns Kinder aber ist das schlecht. Wir können in den Weihnachtstagen nicht Schlitten fahren.“
Der Weihnachtsmann brummte vergnügt zurück; „Ich muss mal mit Petrus reden. Vielleicht schickt er dann doch ein wenig Schnee. Kannst du den ein kleines Gedicht, mein Junge?“
„Na klar,“ antwortete Lukas und holte tief Luft. Dann sagte er sein Gedicht auf: „Lieber guter Weihnachtsmann, schau mich nicht so böse an. Stecke deine Rute ein, ich will auch immer artig sein. Lieber guter Weihnachtsmann, hör mal, was ich auch noch kann, schicke schnell den Papa her, ich vermisse ihn doch sehr.“
Fast schien es so, als würde der Nikolaus ein wenig stottern, als er sagte: Das hast du aber gut gemacht. Hier greife mal zur Belohnung in meinen Sack. Da sind ein paar Geschenke für dich drin.“
Er hielt Lukas den alten Kartoffelsack hin und der öffnete ihn, griff hinein und jubelte, als er drei verpackte Schachteln fand.
„Danke, danke! Lieber Weihnachtsmann, ich danke dir!“
„Fass noch einmal hinein,“ sagte der Nikolaus, „da ist noch ein kleines Päckchen für deine Mutti drin.“
Schnell fand Lukas das kleine Päckchen und gab es seiner Mutter. Man sah die Freude in den Augen des kleinen Jungen. Mutti strahlte, ihre Augen lachten und sie sagte: „Ich danke dir auch, lieber Weihnachtsmann. Aber bitte, nun erfülle den zweiten Wunsch von meinem Sohn und schicke den Papa schnell hierher.“
„Das mache ich sofort,“ brummte es durch den Rauschebart des Weihnachtsmannes, „ich sage einem Engel Bescheid. Dann geht das sehr schnell. Ich muss jetzt weiter. Die anderen Kinder warten schon auf mich.“
Mit diesen Worten drehte sich der Weihnachtsmann um und ging.
„Mutti, es ist aber wirklich schade, dass mein liebster Papi das wieder nicht miterlebt hat.“
„Ich denke mal, Lukas, im nächsten Jahr, wenn du älter geworden bist, wird er mit uns zusammen feiern,“ lächelte seine Mutter.
Draußen hatte es mittlerweile angefangen, leise zu schneien. Schneeflocken tanzten zur Erde und bedeckten den braunen Boden.
Nach knapp einer Viertelstunde hörte Lukas, wie ein Schlüssel in die Haustür gesteckt wurde.
Der Vater kam zurück. Lukas eilte auf ihn zu und es sprudelte aus ihm heraus.
„Papi, so ein Pech aber, du kommst einige Minuten zu spät. Der Weihnachtsmann war gerade eben hier.“
„O, das ist aber schade,“ antwortete der Vater mit seiner sonoren Stimme.
„Papi, da ist noch eine kleine Schneeflocke an deinem Hals,“ sagte Lukas und zog mit seinem Händchen ein kleines Stückchen Watte weg.
„Danke,“ sagte der Vater und drückte seinen Sohn ganz fest an sich. Mit leuchtenden Augen beobachtete die Mutter ihre beiden Männer.
 
© Hartmut Pollack
 

Morgen möchte ich noch eine Weihnachtsgeschichte veröffentlichen.
Für morgen und die folgenden Tage wünsche ich allen Leserinnen und Lesern ein frohes Fest und auch einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Hartmut Pollack
Hartmut Pollack, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.12.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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