Werner Gschwandtner

Liebe unterm Weihnachtsbaum, Teil 3

« Auch ich war den Tränen abermals nahe, und ich versuchte noch immer zu Begreifen, woher der Nikolaus jene Tatsache von meiner Trauer wissen konnte. Selbst noch Tage nach diesem Ereignis versuchte ich logisch hinter dieses Phänomen zu kommen, leider war es mir nicht möglich, dieses Rätsel zu lüften. Die Woche verging ohne weitere Ereignisse und am dritten Advent, dem 13. Dezember, nachdem ich eine weitere Kerze am Adventkranz entzündet hatte, begann Karin mit ihren Brief an das Christkind. »

 

„Du machst das sehr schön“, ich hatte Karin etwas über die Schulter geschaut und sah, das meine Kleine dabei war, dem Christkind eine Kerze zu malen.

„Und weißt du schon was du dir von dem Christkind wünschen willst?“

Karin nickte. „Ja Mam, das weiß ich.“ Sagte sie beschwingt. „Lass dich Überraschen Mam“, gab sie weiter kund, „ich hoffe nur dass das Christkind meinen Wunsch auch bis Heilig Abend erfüllen kann.“

Verbissen arbeitete Karin an dem Wunschzettel weiter und nach geraumer Zeit war sie damit fertig. Rasch faltete Karin den Brief zusammen, steckte ihn in das dazugehörige Kuvert und verschloss dieses sorgfältig.

„Stellst du den Brief bitte aufs Fenster!“ bat mich Karin und ich nahm das Kuvert entgegen, nickte und öffnete die beiden Innenflügel der Scheiben. In den Leerraum, zwischen den innen- und außen Schreiben, platzierte ich den Wunschbrief an das Christkind und verschloss in Folge das innen Fenster abermals.

„Ich hoffe nur dass das Christkind deinen Brief auch abholt.“

„Das wird es Mam“, verkündete Karin fest, „du musst nur daran glauben.“

Ich schluckte. Vieles gefiel mir an diesen Bräuchen, vieles war einfach nur Zauberhaft und auch voller Harmonie, aber ob ich auch wirklich an diesen Zauber glauben konnte, das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Auch wenn ich es gerne wollte!

 

Spätnachts, als Karin schon fest und tief schließ, lag ich noch lange wach und konnte einfach keinen Schlaf finden. Ich dachte wieder einmal an Jan und mein Herz verkrampfte sich voller Sehnsucht nach dem Manne. Ich empfand einfach zu viel für ihn, so das ich einfach keinen Weg fand um ihn zu vergessen. Und im Grunde meines Herzens, wollte ich das auch nicht, dennoch sah ich aber auch keinen Weg, um ihn wieder zu finden. Und wieder quälte mich die Frage, ob Jan eventuell eben so dachte…

Verweint stieg ich aus meinem Bett, mir war der Brief an das Christkind wieder eingefallen. Ich wollte den Glauben Karins nicht zerstören und hatte vor, den Brief an Stelle des himmlischen Wesens, fort zu nehmen. Leise trat ich in das Wohnzimmer und näherte mich dem Fenster, welches noch immer verschlossen war. Karin selber hatte sich dem Fenster, solange sie auf gewesen war, kein einziges Mal genähert. Hin und wieder hatte ich meine Kleine danach ermuntert, und ich hatte sie bewegen wollen, das Karin nach dem Brief schauen sollte. Doch mein Kind sagte nur schlicht darauf.

„Ich glaube daran dass das Christkind meinen Wunschzettel abholt Mutter. Da muss ich kein einziges Mal nachprüfen, das würde nur meinen Glauben widerlegen.“

Noch während ich den Vorhang beiseite zog, raunte ich mir zu. „Ach mein Kind, wenn ich nur deinen Glauben in mir fühlen könnte. Was gebe ich darum, wenn ich noch einmal so unbeschwert und frei in das Leben gehen könnte!“

Ich sah den Brief, er war etwas beiseite gerutscht, lag nun mehr flach da, als er noch stand. Rasch öffnete ich das innere Fenster und griff nach dem Kuvert. Als ich es aufnahm, fühle es sich dünn an, zuvor war er etwas dicker gewesen als nun.

Ich drehte das Kuvert um, und sah, das der Brief der Länge nach, geöffnet war. Das Schreiben Karins an das Christkind selbst, fehlte. Das Kuvert in meiner Hand, war leer…

 

« Abermals so ein unerklärliches Wunder. Oder war Karin doch unbemerkt an das Fenster geschlichen und hatte den Brief an sich genommen? Doch wie hätte sie den Brief öffnen, den Wunschzettel aus dem Kuvert nehmen und das Fenster wieder verschließen können, ohne das ich es bemerkt hatte? Was steckte hinter diesem Mysterium? Magie, oder ein simpler Trick? »

 

Der Tag des Heiligen Abend rückte langsam näher, es fehlte nur mehr eine Kerze am Adventskranz und in Folge standen nur mehr drei Tage zum Weihnachtsabend. Im vergangenen Jahr, hatte ich diese Stunden mit einem etwas schlichten Dasein gefristet. Karin war nach dem vierten Advent, am Montag dem 22. Dezember, gleich zu ihren Vater gefahren und hatte die tags bis und den Heiligen Abend selbst, mit ihm und seiner neuen Familie verbracht. Ich hatte eigentlich vor, wie die Jahre zuvor, diese Tage mit einem guten Buch zu verbringen. Doch es war anders gekommen, am Tag zuvor hatte ich Jan bei der Weihnachtsfeier kennen gelernt und in den wenigen Tagen vor dem Heiligen Abend, verband uns so viel, das ich seine Einladung, den Weihnachtstag mit ihm und seinem Bruder und dessen Familie zu verbringen, annahm.

Dieses Jahr würde Karin wieder bei mir am Heiligen Abend sein, die einzigen die bei uns nun fehlten, waren Jan und sein Sohn Manuel!

„Liebe unterm Weihnachtsbaum“, dachte ich bei mir, „so hatte es mit uns eigentlich begonnen. Damals war es für mich anfänglich Kitsch, und auch wenn ich spürte, das ich Jan sehr mochte, vielleicht sogar mehr, ja, sogar Liebte, so konnte ich nicht wirklich seine romantische Emotion diesbezüglich nachvollziehen. Damals nicht, und Heute? Ich glaube schon“, sagte ich halblaut zu mir, das ich Heute diese äußerst süße Geste viel intensiver erleben könnte, als noch vor einem Jahr!“

Der vierte Advent kam, Karin war voll in Weihnachtsstimmung, nur ich wollte keinen so richtigen Zugang in die Harmonie der kommenden Geburtsstunde Jesu finden. Von Morgens bis Abends, hatte meine geliebte Tochter, fortlaufend ein Weihnachtslied auf den Lippen und sie konnte sie Stunde, wo ich die vierte und letzte Kerze dieser Adventszeit entfachte, gar nicht erwarten. Doch das tat ich erst in der Abendstunde, zuvor, am Nachmittag, hatten wir beschlossen, noch Kekse zu backen.

Während dieser Aktivität fragte Karin plötzlich.

„Was wäre Mam“, dabei lächelte sie mich so merkwürdig an, „wenn das Christkind mir meinen Wunsch erfüllt, und du mit diesem Heiligen Abend wieder glücklich in das neue Jahr gehen kannst?“

Ich hob verwundert meinen Blick, hielt im Ausstechen des Mürbteiges inne und schaute Karin wirr an. Lange Zeit fand ich keine Worte, doch schließlich stellte ich meinerseits eine Frage.

„Wie meinst du das? Wie kann dein Wunsch, mich glücklich machen?“

Karin lächelte weiter, sie sagte nichts darauf, sondern legte nur ihren ausgestochenen Keks, der die Forme eines Engels hatte, auf das Backblech.

„Glaube“, flüsterte sie in Folge geheimnisvoll, „ich glaube an das Gute und ich glaube daran, das der Himmel brave Menschen nicht vergisst.“

Stumm machten wir weiter, ich ging tief in mich, Karins Worte hatten mich sehr Nachdenklich gemacht. Sie war noch Jung, hatte vom Leben im Grund keine Ahnung und nochweniger Erfahrung, dennoch stand sie Felsenfest in der Brandung und ihr Glaube schien keinen Zentimeter abzuweichen. Schön, wenn man noch so Unschuldig an das Wunder der Welt glauben konnte. Und insgeheim wünschte ich mir, das auch ich diesen reinen Glauben in mir finden könnte.

„Wann kaufen wir denn den Weihnachtsbaum?“ wechselte nun Karin das Thema und blickte mich abermals mit ihren großen Augen neugierig an. „Es ist nicht mehr lange hin, bis zum Heiligen Abend!“

„Na immer noch gute drei Tage“, gab ich belustigt zur Antwort, „aber wenn du es gerne siehst, dann können wir Morgen zum Eurocenter gehen und uns mal umsehen. Brauche ja auch noch ein paar Christbaumkugeln und dergleichen.“

„Ja“, freute sich Karin erheitert, „das wäre doll. Wann denn?“

„Na gleich nach dem Kindergarten, ich hole dich um 13 Uhr ab und dann kann es gleich los gehen. Wäre das in deinem Sinn?“

Wieder bejahte dies Karin und sie begann abermals ein Weihnachtslied zu singen. Karin war Glücklich, das merkte ich instinktiv. Aber ich erkannte auch, weil eben ich es nicht war, das bereitete meinem Kind schmerzvolle Sorge!

 

« Nachdem unsere Kekse fertig gebacken waren, mussten sie etwas auskühlen. Später, am Abend, beim Lichte der vier Adventkerzen, würden wir das leckere Gebäck noch verzieren, mit Schokoglasur, Mantelkern und Kokosett. Und dann, kurz vor 18 Uhr an diesem 20. Dezember, war es dann soweit. Ich zündete die Kerzen am Tannenkranz an und der Schein der vier Flammen, legte sich harmonisch über unseren Adventtisch… Der Glanz in den Augen Karins sagte mir, das sie bereits am kommenden Tag, bei unserer Einkaufstour wäre. Mit diesem Tag, sollte mein Glaube auf die eine oder andere Weise gestärkt und gefestigt werden! »

 

Kurz vor ein Uhr, holte ich Karin vom Kindergarten in der Brunnthalgasse. Gemeinsam spazierten wir zum Eurocenter und als erstes wollte sich Karin, im Bauhaus, die angebotenen Weihnachtsbäume ansehen. Also begaben wir uns hinein und schlenderten auf dem freien Platz, durch die Reihen der Tannenbäume.

„Der würde mir gefallen“, sagte Karin, zu einer Tanne, die etwas 180 cm Groß und, das musste sogar ich eingestehen, hervorragend gewachsen war.

„Nehmen wir diesen?“ Karin schaute mich mit ihren treuen Hundeaugen flehend an. „Bitte Mama, der ist doch einfach nur Himmlisch!“

Ich hörte nun schritte in meinen Rücken, und die Stimme eines aufgeweckten Buben. Ich wollte soeben Karin antworten, als ich einen, mir sehr vertrauten Duft war nahm. Ich blickte mich um, schnüffelte etwas irritiert und versuchte die Quelle der Herkunft zu lokalisieren. Doch es gelang mir nicht!

„Mam, was ist denn? Nehmen wir nun diesen Baum? Bitte Mam, bitte!“

Ich wandte mich wieder Karin zu, noch lag Verwunderung in meinem Blick, aber ich versuchte das soeben erlebte beiseite zuschieben. Es musste Zufall gewesen sein!

„Ja mein Kind“, sagte ich leicht abwesend, „wenn er dir so gut gefällt, dann werden wir diesen Baum nehmen.“

Wieder die Stimme des Buben in meinem Ohr, er schien sich wegen irgendetwas sehr zu freuen und ich konnte deutlich seine Worte vernehmen.

„ …glaube mir Paps, das war eine gute Wahl. Es ist der schönste Weihnachtsbaum, denn wir jemals gehabt haben!“

Diese Stimme, sie war mir bekannt, aber ich konnte sie nicht einordnen. Ich musste sie wohl aus dem Kindergarten von Karin kennen. Und dann wieder, dieser spezielle Duft, der mich stark an eine wichtige Person erinnerte. Nur an wem?

Es war ein Duft, das ich als Rasierwasser einordnete. Wer trug in meinem Bekanntenkreis ein solches Wasser? Mir fiel keiner ein, doch, Erik nahm eines. Doch jenes roch anders. Und Jan hatte vergangenen Jahres erzählt das er ein spezielles Rasierwasser, welche eigens für ihn gemischt wurde und somit nur einmal, in dieser Zusammensetzung zu haben war, nahm. Jan? Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen, ja natürlich, es war Jans Wasser. Ich hatte es vergangenes Weihnachten, ab dem Heiligen Abend, ja mehrmals gerochen.

Ich blickte mich suchend um, wie sollte das möglich sein? Doch ich konnte keinen erblicken, es war weit und breit, im Bereich der Weihnachtsbäume, kein anderer Mensch zugegen.

„Warte kurz“, sagte ich leise zu Karin, „wenn ein Verkäufer kommt dann soll er diesen Baum für uns reservieren. Okay?“

Karin nickte, sie nahm vor dem herrlichen Tannenbaum Aufstellung und ich wusste, das sie ihn nun mit Zähnen und Klauen vor jedem anderen für uns verteidigen würde. Ich machte mich auf, um dem geheimnisvollen Duftträger zu erkennen. Noch lag mir das Rasierwasser in der Nase und ich folgte rasch dem kräftigen Aroma. Ein paar Passanten, Einkäufer in dem Bauhaus, kamen mir entgegen, oder ich holte sie ein, aber keiner von ihnen, trug bei einem etwas genaueren beschnuppern jene intensive Duftmarke. Und Jan, was ich auch gar nicht erwartete hatte, konnte ich auch nirgends antreffen!

Als ich zu Karin zurück kehrte, sprach sie gerade mit einem Verkäufer und ich schloss mich nun den Worten meiner Tochter an.

„Ja“, sagte ich fest, diesen Baum wollen wir. Ich bezahle ihn gleich und hole ihn dann am 23. nachmittags ab. Geht das in Ordnung?“

Der Verkäufer blickte mich etwas irritiert an und nickte schließlich.

„Ja gnädige Frau“, gab er kund, „das geht in Ordnung. Hier wäre der Abholschein, zu bezahlen wäre an der Kassa.“ Damit begann der Mann den Tannenbaum zu verpacken und murmelte dabei beinahe unhörbar.

„Komisch“, flüsterte er, „irgendwie zweimal dasselbe hintereinander. Zuerst Vater und Sohn und nun Mutter mit Tochter. Und immer dieselbe Aussage!“

So leise dies auch der Verkäufer gemurmelt hatte, ich hatte es dennoch vernommen. Ich dachte wieder an Jan, aber ich hatte ihn hier nicht gefunden. So rasch konnte er auch nicht die Kassa erreicht, bezahlt und weg gegangen sein. Was also steckte hinter dieser Geschichte? Ich konnte keine Antwort darauf finden!

Danach suchten wir noch den Interspar auf. Ich wollte noch einige schöne Glaskugeln erwerben und auch anderen Baumrat benötigte ich noch. War es doch Heuer das aller erste Mal, das ich diese Gepflogenheit pflegte. In meinen Gedanken spielte sich ein Katz und Maus spiel ab. Ich hatte noch immer den Duft des Rasierwassers und die Stimme des Knaben in meinen Sinnen, doch es konnten nicht Jan und Manuel sein. Soviel stand für mich fest!

 

« Ich war hin und her gerissen, doch im Interspar direkt, sollte ich noch etwas erfahren, welches meinen Glauben wach werden lies. Und das, obgleich ich die Zusammenkunft mit dem Weihnachtsmann in dem Kaufhaus, als gestellt empfand! »

 

Karin war dabei süßes Zuckerzeug für den Christbaum zusammen zu tragen. Sie lief aufgeweckt in dem Geschäft umher, ich sondierte mit etwas mehr Ruhe jenen Glasschmuck, denn ich als angebracht erachtete. Dann, als ich eigentlich schon fast fertig war mit meinem Einkauf, lief meine Tochter um die Ecke und zog einen rot gekleideten Mann mit sich.

„Mam“, rief sie laut, „schau mal wem ich hier gefunden habe. Den Weihnachtsmann!“

Ich lächelte, was sollte ich auch darauf sagen. Der Weihnachtsmann verneigte sich kurz vor mir und Karin erzählte dabei, das sie auch ihm um ihren speziellen Wunsch gebeten hatte.

„Es wird alles gut werden“, freute sich meine Kleine, „wir sind nicht die einzigen die einen solchen Wunsch haben.“

Verwundert schaute ich auf Karin, der Weihnachtsmann nahm meine Hand und ich blickte nun zunächst Fassungslos auf seinen weißen Handschuh.

„Glauben sie an das Wunder Rani“, hauchte er mir zu, „denn Wunder geschehen immer wieder und ganz besonders liebe Frau, zu Weihnachten.“

Ich schluckte, richtete mein Augenmerk auf Karin, doch sie schien ahnungslos zu sein. Dann fixierte ich den Blick des Weihnachtsmannes und fragte ebenso leise.

„Woher guter Mann kennen sie meinen Namen? Hat meine Tochter ihn genannt?“

Der Mann schüttelte den Kopf und meinte.

„Nein gute Frau, Karin hat weder ihren, noch ihren eigenen Namen genannt. Doch das Christkind, in dessen Namen ich hier handle, weiß alles und sieht alles. Es fühlt alles, was ihr Mensch auf Erden jemals empfindet. Egal ob es nun Gut oder Böse ist!“

Der Weihnachtsmann drückte mir fest die Hand, ich war sprachlos. Dann wandte er sich ab und ging. Ich wollte an das Gute Glauben, war aber dennoch noch nicht ganz bereit dazu. Daher fragte ich Karin ob sie dem Weihnachtsmann unsere Namen gesagt hatte. Karin schaute mich an und verneinte.

„Das Mam“, sagte sie beschämt, „habe ich total vergessen. Endschuldige bitte!“

 

« Karin war deswegen sehr verzweifelt. Ich glaube ihr das sie die Namen nicht genannt hatte. Warum sollte meine Tochter mich belügen. Aber wenn sie es nicht getan hatte, woher kannte dieser Weihnachtsmann dann unsere Namen? Nachdem wir den Interspar verlassen hatten, schaute ich gegen den Himmel. Es dunkelte bereits und erste Sterne zeigten sich am Firmament. Ich suchte mir den schönsten und hellsten Stern von allen aus und dieser war für mich der Wehnachtsstern. Er alleine zählte nun für mich und ich versprach ihm, das ich ab nun an glauben wollte. »

 

Der 23. Dezember kam, es war ein Mittwoch, und nachdem ich an diesem Tag, Karin in den Kindergarten gebracht hatte, begann ich damit, das Wohnzimmer für den morgigen Weihnachtstag vorzubereiten. Das Radio lief und es wurden fortlaufend Weihnachtslieder gespielt. Zwischendurch erzählte der Moderator von Ereignissen des Tages.

Ich hörte nur mit einem Ohr hin, saugte das Zimmer, wischte den Boden und ließ auch das Staubtuch über das Mobiliar und über die diversen Gegenstände tanzen. Sogar die Fenster putzte ich für den Heiligen Abend nochmals und als ich alle Arbeiten erledigt hatte, genehmigte ich mir ein Gläschen Eierlikör und nahm auf dem Diwan Platz. Wieder begann der Sprecher zu erzählen und dann, fielen Namen, die mich aufhorchen ließen.

„Weihnachten steht unmittelbar vor der Tür“, die Musik im Hintergrund spielte dezent Stille Nacht, „Rani und Jan, gebt nicht auf. Eure Liebe ist lange noch nicht gestorben und alles verdient eine zweite Chance. Gebt euch diese Chance und reicht euch abermals de Hände. Nicht nur für Karin und Manuel, sondern vorwiegend für euch beide selber!“

Mir wurde heiß, ich lief knallrot an und lange Zeit blieb mir der Atem weg. Ich konnte direkt die Emotion, welche diese Ansage in mir auslöste, aufsteigen spüren. Sehnsucht ergriff mich wieder, Sehnsucht nach dem Mann, denn ich innerlich noch immer Liebte.

 

Ich versuchte meiner Gefühle Herr zu werden, dennoch konnte dies kein Zufall sein. Doch ich hatte mit meinem Außenstehenden darüber gesprochen, wie sollte der Rundfunk von meinem, oder auch Jans Verlust erfahren haben?

Ich zog mich an, und begab mich voller Gedanken zum Bauhaus. Ich holte unseren Weihnachtsbaum ab und nachdem mir der Verkäufer, unsere Tanne ausgehändigt hatte, unterbrach sich die Musik des Geschäftes und abermals vernahm ich die Stimme, welche schon zuvor im Radio bei mir zuhause gesprochen hatte.

„Echter Glaube wird euch Führen“, auch diesmal spielte im Hintergrund seiner Ansage die Stille Nacht, „glaubt an euch und glaub an eure Liebe. Rani und Jan, es ist längst nicht zu spät für eure Zukunft. Glaubt nur an euch und an eure wahre Liebe!“

Ich stockte, wieder wurde mir heiß und ich war mir kaum des Atmens fähig. Dann, wie wenn das nicht schon genügend an Aufreckung wäre, wehte eine Brise jenes Rasierwassers zu mir, welches ich schon am Montag gerochen hatte. Ich blieb wie angewurzelt stehen, hielt den Bam fest in meinen Händen und suchte nach dem Träger. Doch wiederholt war es mir nicht möglich den Menschen zu erkennen, welcher dieses Arma trug.

„Jan wohnt doch gar nicht hier“, dachte ich bei mir, „das wäre zuviel der Zufälle und wir hätten uns doch schon längst mal über den Weg laufen müssen. Warum ist für uns Erwachsene, dar reine Glaube nur so schwer?“

Mir fiel da Karin, mit ihrem unschuldigen Glauben ein, ihr Verständnis für diese Dinge ging weit über das normale hinaus. Wahrscheinlich war es wirklich nur Kindern vergönnt, so rein und vollkommen frei an das himmlisch Göttliche zu glauben!

 

Zuhause angekommen, wagte ich es nicht, das Radio wieder einzuschalten. Ich hatte Angst das abermals eine Ansage kam, ich hatte Angst, das ich dabei war den Verstand zu verlieren. Dennoch Fortlaufend an Jan denkend, kreuzte ich den Tannenbaum und stellte in, nahe des Fensters im Wohnzimmer auf. Nachdem ich das Netzt entfernt hatte, begann der Baum seine Äste zu strecken und als erstes, setzte ich einen goldenen Glasstern, an die Spitze der Tanne. Danach folgten die Kerzenhalter und die dazugehörigen Kerzen, wobei ich mich für die Farbe rot entschieden hatte.

Mehr wollte ich Heute noch nicht tun, alles andere würde dann Morgen, in laufe des Tages folgen. Achtsam verschloss ich die Tür des Zimmers, sperrte die Tür ab und steckte den Schlüssel zu mir. Karin wusste, das es vor Morgen, bis zum Zeitpunkt der Bescherung, kein Betreten des Wohnzimmers gab.

Der Nachmittag verlief ruhig, Karin und ich spielten miteinander, zuvor lernten wir einige Zeit für die kommende Schule und nach dem Abendessen, so um 18 Uhr, nachdem die Zähne geputzt waren, war es für meine Kleine an der Zeit zu Bett zu gehen. Ich wollte noch ein wenig aufbleiben, und gewisse Dinge für Morgen vorzubereiten. Wenige Minuten vor 20 Uhr, setzte ich mich vor dem Fernseher und wollte sehen ob ein interessantes Programm lief. Im Ersten lief die Tagesschau und während dieser Sendung, sprang das Programm um und aus einem Gebilde aus Wolken, Himmel und Licht, sprach eine Stimme zu mir. Es war exakt jene, die ich schon zweimal am Tag vernommen hatte.

„Die Zeit der Liebe ist nun gekommen“, auch jetzt wurde das Lied von der Stillen Nacht im Hintergrund gespielt, „Rani und Jan, kommt beide zum Weihnachtsbaum am Hauptplatz. Ergreift eure zweite Chance und nutzt die Gunst der Stunde. Morgen ist Weihnachten und keiner von euch muss das Morgen und die Zukunft alleine verbringen. Kommt, und findet euch wieder!“

Mir war die Fernbedienung aus den Fingern geglitten, sie fiel zu Boden, doch ich registrierte dies nicht. Nach diesem Ereignis wechselte das Bild wieder auf die Tagesschau und jene war fortgesetzt worden, als wäre nichts Geschen.

Und das was dann passierte, war noch viel Unheimlicher. Ich sah mich selber, konnte mich beobachten wie ich in meinen Mantel schlüpfte und die Wohnung verließ. Zuvor hatte ich mich vergewissert, das Karin auch wirklich tief und fest schlief.

Am Weg zum Hauptplatz, der nicht weit war, sah ich nur Jan vor meinem geistigen Auge. Ich wollte und ich wünschte mir, das ich dort, unterm Weihnachtsbaum, wirklich Jan, meinen Jan antreffen würde. Ich versuchte auch wirklich daran zu Glauben, dennoch lag auch Zweifel in meinen Gedanken.

Als ich den Beleuchteten Weihnachtsbaum am Hauptplatz erreichte, stand ein Mann mit dem Rücken zu mir, vor der Tanne. Ich schritt näher, mein Herz klopfte voller Aufregung und es war mir, als würde ich Glocken läuten hören.

Langsam streckte ich die Hand nach dem Manne aus, ich schnüffelte instinktiv und jenes Rasierwasser, welche sich schon häufiger in letzter Zeit gerochen hatte, stieg mir in die Nase.

„Jan!“ sagte ich. Der Mann drehte sich langsam um. Ich schluckte, fühlte wie mein Herz höher schlug und meine Wangen, trotz der Kälte rot anliefen.

„Rani!“ kam die Gegenaussage und ich vernahm jene Stimme, die ich schon so lange nicht mehr gehört hatte. Es war Jan, es war mein Jan und er stand nun mir gegenüber und für uns beide gab es nun kein halten mehr. Wir fielen uns in die Arme und in diesem Moment, begann es zu schneien. Vor irgendwoher erklang die Melodie der Stillen Nacht und am nächtlichen Himmel erstrahlte mein Weihnachtsstern in seiner schönsten Bracht.

 

 « Liebe unterm Weihnachtsbaum, dachte ich in dieser Stunde bei mir. Damals, vor einem Jahr hatte ich das noch als Kitsch empfunden. Heute, genau jetzt, war es das schönste für mich was ich mir jemals denken hatte können. Unterm Weihnachtsbaum hatte es mit uns begonnen und unter einem Weihnachtsbaum, da setzten wir unser Liebe fort. Und eines das Versprachen wir uns ganz fest, niemals wieder wollten wir uns wegen eigentlich nichts trennen! »

 

Donnerstag, der 24. Dezember. Der Heilige Abend. Noch in derselben Nacht, hatten Jan und ich beschlossen, den Weihnachtstag bei mir zu verbringen. Jan hatte nur gesagt, das Manuel sich nichts sehnlicher wünsche, und er natürlich auch nicht.

Karin war hin und weg, sie gab mir zu verstehen, dass das Christkind wirklich ihren Wunsch erfühlt hätte, denn Karin hatte sich nur gewünscht, das ich eben Glücklich werde. Und Glücklich konnte ich nur mit Jan an meiner Seite werden.

Manuel erzählte uns, und Jan bestätigte das, das wir denselben Baum hatten, den se auch gekauft hatten. Und der Bub gab auch kund, das er sich für seinen Vater dasselbe gewünscht hatte, wie Karin für mich.

„Wir leben seit fast einem Jahr in der selben Ortschaft“, sagte ich offen, „und dennoch sind wir uns niemals wirklich bewusst über den Weg gelaufen. Schon Merkwürdig!“

Jan sah dies auch so. Er erzählte, das Manuel ja nun schon in die dritte Klasse ging und sie in der nähe der Gartenstadt wohnten.

„Erik hat mich mehrmals gefragt, ob er nicht ein Treffen zwischen uns beiden arrangieren sollte.“ Berichtete Jan weiter. „Aber ich wusste ja nicht ob du das auch wünscht, und so, auch wenn es mir sehr schwer fiel, bat ich ihm, keine diesbezüglichen Verkuppelungen zu unternehmen. Es war vielleicht ein Fehler von mir!“

Ich musste eingestehen, das auch ich Erik um Stillschweigen gebeten hatte. Wir waren uns das Jahr über so Nahe gewesen und dennoch auch zugleich unendlich Fern!

 

Dann kam die Stunde der Bescherung. Der Christbaum erstrahlte in seinem schönsten Glanz und zusammen, hand in Hand, standen Karin, Manuel, Jan und ich unter dem Weihnachtsbaum und Jan und ich wiederholten unsere Worte vom vergangenen Jahr.

„Unterm Weihnachtsbaum unsere Liebe für den anderen“, sagten wir, „für immer wir beide. Für immer Wir!“

 

« Ich glaubte fortwährend an das Gute, an das Göttliche. Auch wenn ich manches aus diesem Erlebnis nicht verstanden hatte, oder logisch erklären konnte. Das Schicksal hatte seine Bannen gelenkt und uns abermals zueinander geführt. Und unsere Liebe, unsere innige Zusammengehörigkeit sollte ab diesem Weihnachtstag, weder für Jan noch für mich, oder unsere Kinder, niemals mehr vergehen! »

 

 

Liebe unterm Weihnachtsbaum,

Teil 3

Werner Alexander

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.11.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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