Uwe Keßler

Wir schenken uns nichts mehr

 Wir schenken uns nichts mehr

Echt nicht.

Nun, ich meine, nicht; also  überhaupt nicht mehr oder so.  Neinnein, zum Geburtstag
gibt es natürlich was. Geschenke meine ich, und nicht was auf die Ohren.
Aber  zu den Feiertagen gibt es nichts mehr. Und damit meine ich natürlich vor allem
zu Weihnachten.  Das heißt, zu Weihnachten gibt es keine Geschenke mehr.
Jedenfalls bei uns. Oder besser gesagt, bei uns nicht.

Das war alles irgendwie zu stressig.  Das mit der ganzen Vorweihnachtszeit. Das
fängt doch schon  bei den Vorbereitungen an.  Wer bitte würde sich über was bitte freuen?
Mit einem kann man dabei ganz sicher rechnen:  Die Personen, die  mit einem
sehr dezenten Hinweis kommen  (Marke winkender Zaunpfahl)  haben mit Sicherheit
einen sehr exquisiten Geschmack.  Oder anders gesagt: Einfacher kann man gar
nicht in die Pleite schlittern, als deren Wunschzettel zu erfüllen.  "Ach" Kommt unser Mutter
an und winkt mit einem Prospekt "Schau mal,  dieser einmalige Diamantring , ist der
nicht traumhaft? Und sogar reduziert. Von 7000 € auf 6999,95 €, ist das
nicht ein Schnäppchen?"
"Ja" sag ich, "ein Schnäppchen zum überschnappen"
Mal ehrlich, über einen Ferrari würde ich mich auch tierisch freuen, aber glauben Sie,
unsere Oma würde für diese Kleinigkeit ihr Häuschen belasten? - Denkste!
Also fällt das Geschenk halt kleiner aus. Und damit ist der Satz heißer Ohren schon
einmal vorprogrammiert. Wenn anstatt des Buckers halt ein Beutel Staubsaugertüten unterm Weihnachtsbaum liegen, kann es schon einmal passieren, dass Mutter einen Flunsch zieht. Selbst dann, wenn sie sich beim einpacken richtig Mühe gegeben haben. Und dann bekommt das Lied "Süßer die Glocken nie klingen" auf einmal eine völlig andere Bedeutung.
Mal ehrlich, und dann der ganze Stress. Zur Vorweihnachtszeit ist das ja noch schlimmer als sonst schon. Da wird es ja schon zur Qual, die ganz normalen Dinge einzukaufen. Die Supermärkte sind so voll, dass man nicht mehr selber zu laufen braucht. Wenn sie sich in einer Japanischen U - Bahn zur Hauptverkehrszeit wohl fühlen, kommen sie auch gut über die Adventszeit. Da heißt das Motto auch: Sie kommen als Mensch und gehen als Presswurst. Und benehmen tun sich die Leute, als ob es Morgen nichts mehr gäbe. Würde ein Atomkrieg vor der Türe stehen, und die Lebensmittel knapp werden - es könnte nicht schlimmer sein.
Letztes Jahr hatte ich so ein unangenehmes Erlebnis, als ich unvorsichtiger Weise meine Hand nach dem letzten Glas Gurken im Regal ausstreckte.
"Die habe ich aber zuerst gesehen!" bellte mich plötzlich so eine 120 Kilo -Schönheit an,
die ihr Gewicht auch zu nutzen wusste. Die Alte hat mich quer durch den ganzen Saal
katapultiert. Ich bin nur froh, das dass keine Würstchen waren. Dann hätte die mich
doch plattgewalzt. Bleibt jetzt nur noch zu fragen, wer sich über ein Glas Gurken
zu Weihnachten freut.
Und das führt direkt zum nächsten Punkt: Die Geschenke. Ich meine, die, die man selbst
bekommt. Natürlich, es ist schön, wenn man sieht, wie sich Freunde und Verwandtschaft
über ihre Geschenke freuen. Aber mal ehrlich, wem gelingt es schon, seinen Nächsten
mehr als nur ein Verlegenheitslächeln heraus zu locken? Eben!
Das Bügeleisen löst nur verhaltene Freude aus, obwohl Mutter es natürlich gebrauchen
kann, klein Paul murrt, weil der gewünschte Porsche nun doch nicht im Maßstab 1:1 ist
und die teure Espressomaschine löst auch nur verhaltenen Jubel aus, weil
Tante Klara natürlich wusste, was sie bekam. Was erwarten die Herrschaften eigentlich?
Man müsste Gedankenleser und Multimillionär sein, um alle glücklich zu machen. Was
sich, nebenbei bemerkt, nicht lohnt. Denn die Geschenke, die man selbst bekommt
sind der reinste Graus. Gut, es heißt ja,geben ist seliger als nehmen. Aber ehrlich, sie
fahren zur Stadt, kämpfen um den letzten freien Parkplatz, stolpern durch die überfüllten
Straßen und zwängen sich durch die eben so vollen Kaufhäuser. Und vielleicht haben sie
dem Weihnachtsmann noch ein Bein gestellt, damit sie für Ihre Angebetete die Luxusausgabe
der Super-Deluxe-Sonder-Edition des Kaffemaxe 2001 auch erhaschen können, und was
lässt sie sich einfallen? Ganz recht, eine Krawatte. Oh nein, nicht irgendeine Krawatte. Eine
Krawatte aus 100 % Nylon. Aus rosa Nylon. Und zwar die Sonderausgabe mit den niedlichen
gelben Quitscheentchen drauf. Mal ehrlich, meine Damen; wann glauben Sie ist ist der
geeignete Anlass, eine pinkfarbene Krawatte mit gelben Quitscheentchen anzuziehen?
Wenn man beim Chef um eine Gehaltserhöhung bittet? Im Theater oder in der Oper? Oder
wenn man mal groß ausgeht und Eindruck schinden will? Es gibt nur einen richtigen Tag,
an dem man sie tragen kann,und das ist an Altweiberfastnacht.
Oder Socken. Socken sind auch so ein Geschenk... so richtig zum weglaufen.
Sie glauben nicht, wie viele Socken ich habe. Ein Einbrecher würde glauben,hier würde
eine Familie von Tausendfüßlern wohnen. Ob selbst gestrickt oder gekauft, ich habe sie
in allen Farben, Formen und Größen. Blöd nur, dass meine Füße nur eine Form und auch nur
eine Größe haben. Und dann immer das Theater. Sie halten ein paar Socken in der Hand
und ihre Familie schaut sie an, als hätten sie gerade den heiligen Gral ausgepackt. Und
wenn sie sich dann nicht schnellstens freuen, dann gnade ihnen Gott!  Dann ist alles drin.
Angefangen bei der Schmollerei über Verwünschungen bis hin zu Mord und Totschlag.
Von wegen, am 30. Mai ist der Weltuntergang. Einmal über Socken nicht gefreut,
und das Jüngste Gericht findet am Heiligen Abend bei ihnen Zuhause statt.
Socken!
Mal ehrlich, wer zum Teufel freut sich über Socken zu Weihnachten? Selbst wenn Sie die
rechte und die linke Socke extra beschriften, damit man auch ja weiß, welcher Fuß
in welche Socke gehört, wird ein Osterei unter dem Weihnachtsbaum immer noch mehr Euphorie auslösen als ein paar Socken. Wenn sie wollen, dass sich ihre Angehörigen über Socken freuen, sollten sie wenigstens einen Hunni reinpacken.
Auch so ein Ärgernis sind selbst gemachte Geschenke. Mal ehrlich, wer heutzutage kann schon
behaupten, dass er handwerklich was auf dem Kasten hat? Die meisten Handwerksberufe sind
doch mittlerweile genau so abwechslungsreich wie die Arbeiten in der Fabrik. Gut, es gibt immer noch Menschen, die Meister auf ihrem Gebiet sind, und die mit Holz oder Metall erstaunliches leisten können. Aber da heute ja fast alles vorgefertigt wird, sind diese Menschen selten geworden. Wenn sie tatsächlich einen solchen Cräck in ihrem Bekanntenkreis haben, wird der ihnen wahrscheinlich was gekauftes schenken, weil er zum selber machen gar keine Zeit mehr hat. So sieht es doch aus.
Und der Rest der Meschpoche? Nun, man könnte sie wohl als Grobmotoriker bezeichnen.
Tante Klara wird eine selbst bemalte Vase schenken, die Picasso auch nicht besser hinbekommen hätte. Vater wird wahrscheinlich wieder Bierschabbel besticken und Pauls Schiefer Turm von Pisa sieht verdächtig danach aus, als habe er ihm im Biologieunterricht gemacht.
Was glauben Sie, wie lange diese Dinger halten werden? (Ups, war das die Vase?)
Gut, die gekauften Geschenke sind in der Regel auch nicht die Bringer. (Socken) Aber wenigstens kann man sie umtauschen.

Und daher haben meine Familie und ich beschlossen, dass wir uns zu Weihnachten nichts mehr schenken. Nie wieder! Und falls einer wissen will, was wir und doch Gutes tun; wir schenken uns gegenseitig eine geruhsame und friedliche Vorweihnachtszeit, ohne all den Stress und die Enttäuschungen, die all die Anderen haben.
Und das Beste daran: Wir können unsere Angehörigen mit unseren Geschenken dann piesacken, wenn sie es am meisten verdienen. Nämlich zu deren Geburtstag.

Also dann, ein frohes Fest noch 

 


 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.12.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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