Karin Ernst

Die Nacht bei den Tieren

Kevin schaut träumend aus dem Fenster. In einigen Tagen ist Weihnachten. Er denkt an den Wunschzettel, den er noch nicht fertig gemalt hat. Wenn er ihn nicht rechtzeitig abschickt, würde der Weihnachtsmann gewiss das falsche Spielzeug für ihn einpacken.

 

"Mama", ruft er, "kannst du mir bei meinem Wunschzettel helfen?“

 

"Ach Kind, im Moment ist es schlecht", antwortet die Mutter. "Ich möchte diesen Plätzchenteig noch fertig machen. Aber ich habe eine Idee: Du kannst zur Oma laufen. Sicher hilft sie dir dabei. Ein paar Plätzchen könntest du ihr dann gleich mitnehmen.“

 

Kevin packt mit Mama die Weihnachtsplätzchen in eine hübsche bunte Dose.

 

"Darüber wird sich Oma sicher ganz doll freuen", sagt er. Dann zieht er sich seine warme Jacke an, denn draußen ist es kalt.

 

"Tschüss, Mama", ruft er.

 

"Bitte sei wieder zurück, bevor es dunkel wird. Die Oma soll dich rechtzeitig losschicken", sagt Mama und gibt ihrem Jungen einen Kuss. Kevin winkt und marschiert los.

 

Lustig wippt die Tasche mit der Weihnachtskeksdose an Kevins Arm, als er singend durch die Straßen hüpft. Seine Oma wohnt nicht weit entfernt. Kevin muss durch einen nahe gelegenen Wald. Hier kennt er sich aus. Am Wochenende geht er mit den Eltern gerne hier spazieren. Die Tiere, die hier wohnen, kennt er alle.

 

Bald kommt Kevin zum Haus seiner Oma. Er klingelt an der Tür. Oma öffnet und Kevin übergibt die Keksdose.

 

"Das ist aber schön, dass du mir selbst gebackene Plätzchen bringst, mein Schätzchen", freut sich die Großmutter.

 

"Oma, ich habe meinen Wunschzettel für den Weihnachtsmann noch nicht fertig. Kannst du mir dabei helfen?", fragt Kevin.

 

"Aber gerne!", antwortet sie. "Wir probieren aber auch die Weihnachtsplätzchen und ich koche uns dazu Kakao.“

 

Erst bringt sie Buntstifte und Papier. Dann geht Oma in die Küche. Kevin macht sich eifrig an die Arbeit. All seine Wünsche malt er auf Papier. Als Oma mit einem Tablett kommt, unterbricht er seine Arbeit. Beide lassen sich Kakao und Kekse schmecken.

 

Später malt Kevin weiter. Oma holt einen Briefumschlag. Dann hilft sie ihrem Enkel noch ein wenig. Den fertigen Wunschzettel will sie am nächsten Tag an den Weihnachtsmann schicken. Die zwei merken nicht, wie schnell die Zeit vergeht. Erst als die Kirchturmuhr schlägt, schauen sie hoch.

 

"Nun musst du aber ganz schnell nach Hause, Kevin", sagt die Oma erschrocken. "Mama wird schon warten. Draußen wird es bald dunkel."

 

Kevin zieht sich Jacke und Mütze an. Dann verabschiedet er sich. "Tschüss, Oma. Danke, dass du mir bei meinem Wunschzettel geholfen hast. Jetzt kann der Weihnachtsmann ihn bekommen.“

 

Oma ermahnt ihn, schnurstracks nach Hause zu laufen und winkt dem Jungen hinterher.

 

Als Kevin zum Wald kommt, dämmert es bereits. Da trifft er plötzlich seine Freunde, die Tiere. Die Hasenfamilie und die Eichhörnchen. Die Mäuse mit vielen Kindern und Familie Fuchs. Auch Mutter Igel kommt unter dem Gebüsch hervor. Kevin hat viel Spaß mit ihnen und so vertrödelt er die Zeit. Vergessen ist sein Vorsatz, schnell heimzulaufen.

 

Plötzlich bekommt er einen gehörigen Schreck. Es ist dunkel geworden im Wald. "Wie soll ich denn jetzt nach Hause kommen? Ich kann den Weg nicht mehr erkennen", ruft er. Ganz ängstlich schaut er zum Himmel, aber der Mond zeigt sich nicht.

 

Die Tiere unterhalten sich. Sie beschließen, dass Kevin nicht weiter gehen soll. "Wir sind doch Freunde, und Freunde müssen zusammen halten", piepst ein Mäuschen.

 

Mutter Hase sagt: "Hab keine Angst. Du kannst bei uns Tieren schlafen. Wir beschützen dich, dann wird dir nichts passieren.“

 

Kevin sieht sich zweifelnd um. „Wo soll ich denn hier schlafen? Ihr habt doch kein Bett für mich. Abendbrot habe ich auch nicht gegessen.“ Noch etwas fällt ihm ein: "Eine Zahnbürste habt ihr auch nicht für mich. Abends muss ein Mensch sich immer die Zähne putzen. Das ist ganz wichtig.“

 

Die Tiere beratschlagen, wie sie Kevin helfen können. Der Fuchs sagt: "Der Kleine kann am besten in meinem Bau schlafen. Er ist der größte. Meine Kinder können ihn wärmen. Sie sollen auch gleich ins Bett.“

 

Mit diesem Vorschlag sind die anderen Tiere einverstanden.

 

Kevin hat sich inzwischen auf das schneebedeckte Moos gesetzt. Er ist müde geworden. Und hat einen Bärenhunger.

 

Das Eichhörnchen ist losgesprungen und bringt Kevin ein paar Nüsse. "Die gebe ich dir gerne", sagt es. "Für diesen Winter habe ich guten Vorrat angelegt. Sonst bringst du mir immer welche. Jetzt kann ich dir ein paar abgeben.“

 

Kevin bedankt sich und isst die Nüsse. Satt ist er immer noch nicht.

 

Mäuse und Hasen laufen los und finden einige Beeren. Trotz der Kälte hängen sie noch an den Büschen. Mutter Hase hoppelt in ihren Bau und holt von dort ein paar Möhren.

 

"Weißt du noch? Die hast du mir einmal geschenkt, als du mit deinen Eltern spazieren gegangen bist.“

 

Die Möhren sind aber schon schrumpelig. Kevin mag sie nicht, möchte die Häsin aber nicht beleidigen. "Die bewahre gut für dich und deine Kinder auf. Ich habe jetzt genug gegessen", sagt er deshalb.

 

Der Fuchs bringt drei Eier. Aus einem Hühnerstall hat er diese gemopst.

 

Kevin lacht: "So kann ich die Eier nicht essen. Wir Menschen müssen sie vorher kochen. Da habt ihr in den nächsten Tagen selbst etwas zu essen.“

 

Ein Igel möchte auch etwas beisteuern. Er bringt ein grünes Blatt.

"Wenn du das kaust, werden deine Zähne bestimmt sauber", sagt er.

 

Das möchte Kevin lieber nicht ausprobieren. Artig bedankt er sich dennoch dafür.

 

Inzwischen ist er so müde geworden, dass der Fuchs vorschlägt, schlafen zu gehen. Kevin dankt allen Tieren für die Hilfe.

 

"Wenn ich beim nächsten Spaziergang wieder vorbei komme, bringe ich euch allen etwas zu essen mit", verspricht er und wünscht ihnen eine gute Nacht.

 

Vater Fuchs schlüpft vorneweg in seinen Bau. Kevin krabbelt hinterher. Dort unten ist es warm und gemütlich. Die kleinen Füchse piepsen und freuen sich über den Besuch des Menschenkindes. Einige Tiere bringen Moos und allerlei Blätter. Daraus baut Kevin sich ein kuscheliges Bett. An die kleinen Füchse geschmiegt, schläft er sofort ein und fällt in einen tiefen Schlaf.

 

***

 

Als Kevin am nächsten Morgen aufwacht, wundert er sich. Er räkelt sich, denn er hat wunderbar geschlafen. Dann schaut sich der Junge um.

 

Er liegt in seinem eigenen Bett.

 

Sollte er die ganze Geschichte etwa nur geträumt haben? ...

 

 

*** E N D E ***





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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.11.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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