Rita Bremm-Heffels

Hallo Gott



nun kennen wir uns so lange, lebenslang um genau zu sein.
Ich dich jedenfalls – du kennst mich sicher schon länger.
Wenn einer Einblick in meine Seele hat – dann du.

Eigentlich warst du für mich so selbstverständlich wie essen, trinken, schlafen, wie all diese alltäglichen Dinge. Du warst immer ein fester Bestandteil meines Lebens.

Du warst der, mit dem ich als Kind geredet habe, abends, alleine in meinem Bett. Dem ich erzählt habe was mich bedrückte und erfreute.

Schon damals hast du es mir nicht leicht gemacht.

Und manchmal, wenn es gar so dick kam, dachte ich mir: „ Blöde Kuh, an was glaubst du da.
Verdammt, laß es sein. Diesen Schwachsinn.“
Dann wollte ich dich weghaben, nichts mehr von dir hören und sehen.

Doch du bist einfach geblieben.
Hast dich nicht vertreiben lassen von meinen wüsten Beschimpfungen, von meinen Zweifeln. Ich bin dich einfach nicht losgeworden.
Du warst da, einfach so.
Ich habe dich weder gesehen noch gehört – aber gefühlt habe ich dich.
Und je wütender ich auf dich war, desto tiefer war die Zuneigung die du mir wie einen Mantel umgelegt hast.
Dieser Mantel der mich geschützt und gewärmt hat.

Als Kind, später als junge Frau bis heute.
Der oft wenn alles über mir zusammenschlug, für mich aussah wie ein alter Fetzen, den ich weggeben wollte weil er mir so überflüssig erschien wie ein alter Kartoffelsack.

Und doch - dann ganz plötzlich durchströmte mich ein unbeschreibliches Gefühl von Wärme und Geborgenheit, ein Gefühl „ alles wird irgendwie gut „ und da wußte ich, du bist immer noch da, immer noch bei mir.
Du hast mich nie verlassen. Vielleicht warst du einmal ein paar Schritte zur Seite,
vielleicht haben andere dich nötiger gebraucht als ich.
Aber verlassen hast du mich nie.
Bis heute.

Und nun kommt dein Fest.
Dieses Fest Weihnachten, das immer eine besonders innige Verbindung zu dir hergestellt hat.
Da habe ich dich ganz deutlich gespürt. Nicht bewiesen, nicht erforscht, nein einfach gewußt:

Da bist du, mein Gott.

Doch nun habe ich festgestellt, daß du nicht mehr „in“ bist. Bei vielen jedenfalls.
War auch eine ganz neue Erfahrung. Ich dachte die meisten kennen dich und sind dir nahe.
Aber Irrtum.
Gerade jetzt an diesem, deinem Fest scheint es sie in den Fingern und Mündern zu jucken über dich herzufallen, dich niederzuschreiben, nieder zureden, zu brüllen, zu spotten:

WO IST GOTT? WARUM LÄßT ER ELEND ZU?

Ich gebe zu, auch ich habe mich das manchmal gefragt. Aber ich habe Antworten gefunden.
Nein, nicht auf alles. An manchem mußte ich lange knabbern, immer wieder neu bedenken. Leicht gemacht hast du es mir nicht und ich es mir auch nicht.

Aber irgendwann, dann wenn ich das Gefühl hatte, ganz tief drin, jetzt liegst du richtig, da wußte ich: Das ist deine Antwort. Die war so sicher, so fest, da war kein Zweifel mehr möglich.

Du wärest ein seltsamer Gott wenn du uns alle Verantwortung abnehmen würdest.

So wie ein Vater, der immer und immer wieder die hausgemachten Probleme seiner Kinder löst.
Bequem ja – aber falsch.

Du hast uns als eigenständige Menschen erschaffen, hast uns eine wunderbare Welt geschenkt, einen Geist, ein Gespür für Gut und Böse, ein wunderbares Herz das zu großer Liebe fähig ist – und nun stellt sich heraus, daß wir damit gar nicht umgehen können.

Und weil sich Viele diese Unfähigkeit nicht eingestehen können mußt du herhalten.

Du bist schuld. Weil du alles zuläßt. Weil du zuläßt, daß Menschen sich ermorden, Eltern ihre Kinder umbringen, körperlich und seelich, weil du zuläßt das Kinder verhungern obwohl andere mit Goldlöffeln ihre Diamant Pantöffelchen anziehen.

Ich kann mir vorstellen, daß dich diese Vorwürfe treffen. Oder?
Doch ich denke schon, ich kenne dich gut genug.
Aber du wirst deine Regie nicht ändern, da bin ich mir sicher.
Du wirst uns nicht entmündigen.
Du hast deinen erwachsen Kindern schon so oft unter die Arme gegriffen – nur gesehen haben sie es nicht. Nun müssen sie selber ran. An ihren eigenen Müll.

Ich bin mir sicher, du gibst uns TROTZ allem die Chance uns zu besinnen, das Geschenk, das du uns gegeben hast, unsere Welt, sorgsam zu behandeln und sie zu behüten.
Du möchtest, daß wir uns der Worte „ Liebe Deinen Nächsten“ wieder erinnern.

Jeder einzelne für sich. Um sich herum.

Nicht sagen: Der hat nicht – darum ich auch nicht.

„ Und wenn morgen die Welt unter ginge würde ich heute ein Apfelbäumchen pflanzen „

Solche eine Botschaft ist das Weihnachtsfest.

Auch wenn das Jahr 362 beschissene Tage hätte – es wären dann immer noch drei Tage an denen wir uns besinnen. Und wenn das Ergebnis nur nur ein einziger guter Tag , ein einziger glücklicher Mensch mehr wäre - es wäre die Besinnung wert.

Ich freue mich auf dein Fest
und bitte: Auch wenn ich manchmal fluche, zweifle, dich nicht verstehe,
bleib‘ immer bei mir.


05.12.2002 R.B.


Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Rita Bremm-Heffels).
Der Beitrag wurde von Rita Bremm-Heffels auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.12.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Rita Bremm-Heffels als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Im Schatten des Olivenbaumes von Joana Angelides



Ein Olivenbaum zieht die Menschen in seinen Bann und bestimmt besonders das Leben einer leidenschaftlichen Frau.
Sie trifft eine überraschende Entscheidung.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (5)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Weihnachten" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Rita Bremm-Heffels

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Rasenmäher oder Der Beste ist gerade gut genug von Rita Bremm-Heffels (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)
DER ROTE VORHANG von Christine Wolny (Weihnachten)
Der kleine Stern und der Löwe von Anschi Wiegand (Zwischenmenschliches)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen