Maria Frehner-Huber

Die Weihnachtsgeschichte von Dori und Fjori (zwei Mäuse)

Es war ein ganz gewöhnlicher Abend und Dori und Fjori saßen gerade in ihrer Erdhöhle auf dem Sofa und tranken eine Tasse Tee bei Kerzenschein.
Draußen fielen lautlos die Schneeflocken vom Himmel und die Erde war schon eingehüllt in eine weiße Decke. Die Bäume standen erstarrt in ihren weißen Kleidern da, die Rehe und Hasen kratzten mit ihren Hufen den Schnee von der Erde, um noch etwas Klee zu finden.

So vergingen die Tage und Wochen und da es ihnen zu still war in ihrer Erdhöhle, beschlossen sie, nach oben zu gehen, um nach dem Rechten zu sehen. Vorsichtig schob Dori ihre neugierige Nase zur Tür hinaus. Die Erde war in eine dichte Nebelwand eingehüllt, durch die sich gerade die Sonne schob, und auf der Erde ein sonderbares Licht verbreitete.

Sie sauste wieder zu Fjori hinunter und sagte ihr, sie solle sich warm anziehen. Dann gingen beide los in Richtung der Häuser.
Es war ganz schön schwierig, durch den tiefen Schnee zu gehen, immer wieder sanken sie bis zum Bauchnabel ein und einer musste dem anderen helfen, dass sie es schafften wieder herauszukommen.

So war es schon Abend geworden, als sie zu den Häusern kamen. Es brannte Licht am Eingang und so konnten sie über das Katzentürchen ins Haus gelangen. Ihre nassen Kleider zogen sie erst einmal aus und legten sie auf das Buchenholz neben den Kamin.

Von der langen schwierigen Wanderung waren sie ganz geschafft und so suchten sie sich ein warmes Plätzchen. In der Kinderwiege der Puppenstube schliefen sie schließlich ein. Am Morgen hörten sie Stimmen, die immer lauter wurden und Schritte, die immer näher kamen. Sie aber blieben unentdeckt.
Jetzt wurde erst einmal das Haus in Augenschein genommen, hier gab es ja viele Räume. Überall roch es nach Zimt und Orange, silberne Vögel, die sich nicht bewegten, hingen an Fichtengirlanden, auf den Fensterbrettern lag künstlicher, glänzender Schnee mit Schneemännern mit blauen Mützen und blauen Schals. Dazwischen waren Engel mit großen Flügeln aufgestellt.

Mitten im Zimmer stand eine grüne Tanne. Solche stehen normal im Wald, dachten Dori und Fjori, so etwas Seltsames hatten sie noch nie gesehen, dass ein Baum im Zimmer steht und daran Holzpferdchen und Kugeln hängen, dass Kerzen auf einem Baum stehen und brennen, wenn man sie anzündet. Sterne und Engel waren auch an dem Baum befestigt.

Ein Tisch war festlich mit Kerzen, Servietten, Gläsern und Geschirr gedeckt. Nur leider war nichts zu knabbern dabei. Auf dem Boden waren einige Körbe mit Puppen, Teddybären, Kleidchen, ein alter Kinderwagen stand in der Ecke, und auf jedem Tischchen und Schrank standen Kerzen und jede duftete anders. Es war auch herrlich warm hier.

In den ersten Stock ging eine Wendeltreppe hinauf. Dort oben waren die Schlafzimmer und Arbeitszimmer untergebracht. "Jetzt bin ich aber erschrocken", rief Dori Fjori zu. "Was ist denn los, neben mir steht jemand, der sieht genau so aus wie ich", rief Dori; dann kam Fjori herangeeilt. "Das ist ja unglaublich, uns gibt's ja doppelt, aber nur hier im ersten Stock, und die beiden machen das Gleiche wie wir und haben auch das Gleiche an. Das ist ja ganz unglaublich", stammelten beide Mäuseweibchen immer wieder und wieder, so etwas konnten sie sich nicht erklären.

Fjori verspürte Hunger: Sie sagte zu Dori: "Lass uns mal die Küche suchen." Die Küche war im Erdgeschoss, hier lag wunderbares Obst und Gemüse. Fjori hatte schon großen Hunger verspürt und aß drauf los, doch was war das? Ihr taten die Zähne weh. Sie brachte gar nichts hinunter, entweder war es aus Plastik oder aus Holz. Zum Glück stand das Schranktürchen offen, dort lag unter einer Fliegenhaube ein Käse und ein Brot. Man musste die Haube nur durchbeißen, dann kam man an die guten Sachen.
Aber Dori und Fjori kam eine bessere Idee. Sie strengten sich etwas an und schoben die Haube einfach auf die Seite, schließlich sollte keiner merken, dass hier Mäuse am Werk waren. Ruck zuck war der Käse aufgefressen und es hatte unglaublich gut geschmeckt. Zum Nachtisch gab es noch einige Schokoladenlebkuchen. Schließlich schliefen sie in der Puppenstube in ihren Betten ein.

Nach einigen Stunden, als sie wieder erwachten, machten sie sich auf den Weg, um die nächsten Räume zu erkunden. Hier standen viele Grünpflanzen, es sah fast so aus wie bei ihnen im Wald. Hier war es auch nicht mehr so warm. Hinter den Grünpflanzen war das Meer zu sehen. Dori wollte schon Wasser trinken, aber da bemerkten sie, dass es nur gemalt war. Das war wirklich komisch. Die Menschen haben schon seltsame Sachen, dachte Dori. Hier stand auch der Fressnapf der Katze, und es gab frisches Wasser, von der Katze war aber zum Glück keine Spur zu sehen, sie war nicht da.

Plötzlich wurden einige Türen auf und zu gemacht, die Hausbesitzer kamen nach Hause. Jetzt hieß es schnell abhauen.
Auf einer Anrichte wurde eine Spieluhr mit Weihnachtsmusik aufgezogen, das hörte sich lieblich an. Sie sah aus wie ein Zelt und an ihr hingen Kettchen mit Schaukeln, auf denen keiner saß.

Was war das? Wo kam denn jetzt die Katze her? Schnell liefen sie zur Spieluhr und setzten sich auf die Schaukeln. Dori und Fjori waren starr vor Entsetzen und wagten kaum zu atmen. Vor ihnen stand in voller Größe die Katze, und versuchte einige Male mit den Pfoten nach ihnen zu schlagen, bis eine Stimme rief: "Mikesch, komm her", und so schnell, wie die Katze gekommen war, verschwand sie auch wieder.

Die beiden Mäuse, die wie versteinert da saßen, mussten sich erst wieder strecken und langsam bewegen, bis wieder Leben in sie kam. Jetzt liefen sie wieder in die Puppenstube zurück, durch die Fenster sahen sie den Hausherrn Zeitung lesen und die Hausfrau stricken. Müde legten sie sich in ihre Puppenbetten und schliefen bald ein.

Am nächsten Morgen wachten sie erst sehr spät auf, die Hausbesitzer hatten das Haus schon verlassen, als sie wieder auf die Pirsch gingen. Auf einem Schrank entdeckten sie einige holzgeschnitzte Figuren, mit einem Esel und Schafen und einem Kindlein in der Wiege, über ihm funkelte ein Stern.
Auf dem Tisch stand ein Teller mit Plätzchen, genau das Richtige für Dori und Fjori zum Essen. Es schmeckte ausgezeichnet.

An diesem Tag war alles etwas anders als an den anderen Tagen. Die Hausleute kamen früher nach Hause als sonst und alles wurde hell erleuchtet. Die Kerzen wurden alle angezündet und die Hausfrau richtete Päckchen her; von ihrem Mann war noch nichts zu sehen. Es roch nach Bratäpfeln, Glühwein, Zimt und Nelken und es legte sich eine außergewöhnliche Stimmung über den Raum. Nachdem die Hausfrau mit einem Glöckchen geläutet hatte, kam auch ihr Mann, und zusammen sangen sie ein paar Lieder und schauten in den brennenden Kerzenschein. Danach packten sie die Päckchen aus und schauten sich alles in Ruhe an. Heute bekam sogar die Katze einen Leckerbissen mehr.

Und so blieben Dori und Fjori in ihrem Puppenhaus, wo sie am sichersten vor der Katze waren, schauten zum Fenster hinaus und beobachteten alles.
Am nächsten Tag, als es noch ganz ruhig im Haus und die Katze noch nicht zu sehen war, liefen sie wieder ganz vergnügt im Haus herum. Auf einem kleinen Ofen stand ein Bratapfel, unter dem eine Kerze brannte. Fjori war so neugierig, und als sie da unten hineinkrabbelte wurde es ganz heiß um sie. Schnell rief sie Dori zu Hilfe, und gerade schafften sie es noch, Fjori zu retten. Das war knapp.
Das war Fjori eine Lehre.

Auf einmal hörten sie seltsame Klopfgeräusche. Die Hausfrau und der Hausmann waren unterwegs, aber das störte unsere Mäuse nicht. Die Klopfgeräusche wurden immer lauter und waren bald nur noch eintönig zu hören. Also schauten sie doch einmal zum Fenster hinaus und sahen, dass die weiße Pracht verschwunden war, alles war wieder grün. Und so beschlossen sie wieder in ihre Höhle zurückzukehren.

Auf dem Weg dorthin begegnete ihnen der Hase Fröhlich und das Reh Hubsi. Bevor es dunkel wurde, hatten sie ihr Erdloch erreicht. Sie schoben den Riegel auf und waren wieder zu Hause. Sie tranken wieder eine Tasse Tee und mussten nicht mehr auf Nahrungssuche gehen, da sie sich hier ja auskannten. Und sie brauchten auch keine Angst mehr vor der Katze zu haben, da es bei ihnen keine Katze gab. So legten sie sich wieder hin und schliefen fest ein.



Geschrieben von: Maria Frehner-Huber, in Oberbayern
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.12.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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