Rita Bremm-Heffels

Die Weihnachtskrippe

Eigentlich wollte ich nicht. Genauso wenig wie in den letzten Jahren.
Ich hatte mir fest vorgenommen den Weihnachts Schmuck auch in diesem Jahr so dezent
wie möglich zu halten.
Keine goldenen Glöckchen an jeder Türklinke, keine Girlanden von einer Ecke hin zur anderen – nein einen Lichterbaum im Freien wollte ich, genau im Blickfeld vom Sofa aus und hier und da ein paar dicke rote Stumpen Kerzen.

Das sollte es genügen.

Früher hatte ich die jeweiligen Wohnungen in ein reines Weihnachtsparadies verwandelt.
Keine Ecke aus der nicht ein Wichtel oder ein Stern hervor guckte.
Bei jedem Luftzug war leises Glockengeläut zu hören und um jede Pflanze rankten sich Lichtgirlanden.

Doch dann war mir mit den Jahren meine „ Weihnachtsenergie“ abhanden gekommen, da ich nach etlichen „Lebensgemeinschaftsversuchen“ immer in den Topf mit der „ unsichtbaren“
Aufschrift: „absoluter Weihnachtsmuffel“ gegriffen hatte.

Die Freude war mir vergangen an Beidem: An den Muffeln und am Schmücken.

Nichts ist fürchterlicher als zur Advents- und Weihnachtszeit mit einem typischen „ Weihnachtsgegner“ zusammen zu sein.
Jede kleinste Stimmungsanwandlung wird mit barschen Kommentaren im Keim erstickt.
Jedem Weihnachtslied mit: „Oh, Gott, kannst du den Schrott nicht ausstellen.“ der Ton abgewürgt.

Nach dem letzten Exemplar dieser Spezies habe ich aufgegeben.
Auch beides.
Ich suche keine Typen mehr und habe seitdem mal eine Pause gemacht mit der weihnachtlichen Rauschgold Wohnung.
Ich lebe alleine und die vielen im Laufe der Jahre angesammelten Kugeln, Engel, putzige Holzfiguren
und rot goldene Perlenschnüre liegen gut verstaut in der alten Truhe auf dem Speicher.

Bis vor ein paar Tagen. Ich suchte verzweifelt nach dem Reststück der Eisenkette von meiner Bauern Lampe.
Und da stand er plötzlich zwischen all den anderen Schachteln und schaute herausfordernd zu mir auf.

Ein etwas zerrupfter Karton auf der ich vor Jahren mit dickem, roten Filzstift geschrieben hatte:

VORSICHT KRIPPE!

Meine Weihnachtskrippe. So alt, daß ich, seit ich als Kleinkind eine Erinnerung habe, immer Weihnachten zu diesen Figuren gehörte.

Großmutter hatte mir damals oft die Geschichte der Herkunft erzählt.
Eine gutsituierte, langjährige Kundin ihres Friseurladens ging rechtzeitig vor den Kriegswirren mit ihrer Familie nach Amerika.
Und schenkte ihr als Dank für die jahrelange gute Bedienung diese alte, Hand geformte Krippe.

Ich saß eine Weile vor dem Karton ohne ihn zu öffnen.
Denn ich wußte genau, wenn ich einen Blick hinein werfen würde, dann würde ich ihn auspacken und wenn ich ihn auspacken würde dann........

Aber ich konnte und wollte nicht widerstehen, einmal nach den ganzen Jahren.

Ich griff hinein, fühlte ganz behutsam und holte die erste der Figuren aus der Dunkelheit ins Licht. Eingepackt in eine alte Zeitung, kam - Maria. Das Datum der Zeitung war der 18.12.1987.
15 Jahre hatte sie „ geschlafen“.

Nach und nach wickelte ich ganz vorsichtig die Übrigen aus.
Eine nach der anderen, Josef mit seinem gütigen Gesicht, dem lila Umhang, Maria, die Züge voller Demut in blauem Gewand und weißem Tuch über Kopf und Schultern, der alte kniende Hirte, den einen Arm um ein Kind gelegt den anderen auf einen Stab gestützt.

Ein anderer, hochgewachsen in rotem Gewand, der spielt auf einer Schalmei.

Die Schafe, zwei stehend das andere lag. Früher hatte ich es immer vor die Krippe gelegt, zu Füßen des Jesuskindes
Der Esel war noch ganz in Ordnung, der rotbraune Ochse hatte irgendwo seine Hörner eingebüßt.

Ich fühlte und suchte in den alten Papierknäueln, tastete die drei Könige, und dann – den kleinen Jesus in seiner Krippe.
Er hatte seine Füßchen verloren, doch das änderte überhaupt nichts an dem sanften Ausdruck seines Gesichtes.
Ganz vorsichtig nahm ich ihn aus dem zerknitterten Zeitungsbogen.

Nun standen sie alle vor mir – die heilige Familie mit ihren Freunden, den Hirten und den Tieren.

Und da war es wieder, von ganz tief innen stieg es auf, das fast vergesse Gefühl der Wärme und Freude das ich immer gespürt hatte, wenn ich früher in den vielen Jahren meine Krippe aufgebaut hatte.

Damals, vor dreißig Jahren als mein Sohn ein kleiner Junge war und klatschend den Baum und
die Figuren anschaute, mit den großen, staunenden Augen, wie sie nur Kinder haben.

Kein Jahr wäre Weihnachten vergangen ohne diese Zeremonie.
Lange vorher suchten wir gemeinsam das Moos, trockneten es. Wir bauten kleine Scheinwerfer mit Glühbirnchen ein, die die Gesichter der Familie und des Jesuskindes anleuchteten.

Mir wurde ganz warm ums Herz und ich ließ mich hinein fallen in die Erinnerung.

Einmal war die Krippe fast verloren gewesen.
Verpackt im Karton hatte sie im Keller gestanden als irgend jemand glaubte es sei ein Müllkarton.
Als ich den Verlust bemerkte blieb mir das Herz stehen.

In mühevoller Detektivarbeit mußte ich den Mülltransporter ausfindig machen, den Platz suchen
an dem er seine Ladung ausgekippt hatte. Dann stapfte ich stundenlang mit meinem kleinen Jungen eigentlich ohne jede Hoffnung auf der Halde umher, schaute immer wieder nach oben und versuchte zu “„berechnen“ wie und wohin der Karton gerollt sein könnte.

Es war der 23.12.1975 und ob es ein Weihnachtswunder war oder ob mein Gott nur neben mit stand und ein klein wenig nachhalf – ich fand ihn tatsächlich, den Karton mit Maria, Josef und dem Jesuskind.
Durchweicht, aber Alle waren heil.
An diesem heiligen Abend wurde Jesus Geburt gleich zweimal gefeiert.

Immer noch schaute ich auf die Figuren die nun vor mir auf dem Boden standen.
Ich merkte, daß ich lächelte, ich fühlte mich einfach glücklich.

Packte meinen Korb, meinen Hund und fuhr in den nahen Wald. Moos gibt es hier genug. Sogar das früher so begehrte Silbermoos. Ein paar Zweige vom Birkenholz, ein paar weiße Kiesel.

Mit einer unbeschreiblichen Freude begann ich zu Hause alles aufzubauen, so wie früher.

Kleine Berge, Bäumchen, mein altes Vogelhaus war der Stall.
Sogar einen kleinen Pflanzenstrahler fand ich noch, ich steckte ihn so ins dicke Moos, daß er, nicht zu sehen, genau das Jesuskind anstrahlte.

Draußen leuchtete mein Weihnachtsbaum, drinnen saß ich vor meiner Krippe.

Ich stand auf und legte eine der vielen wunderschönen Weihnachts-CD’s ein.

Es war so ruhig, so besinnlich und heimelig, daß sogar meine sonst so wilden Miezen und Hund Schlappsi ganz ruhig um mich herum lagen.

Es war Friede um mich.
Nicht überall in der Welt, daß wußte ich –
aber hier war er, an diesem Abend, in dieser Nacht.

Mit Maria, Josef und dem Kind,
mit Hirten, Schafen, Ochs und Esel.
Mit der Erinnerung und die Hoffnung auf die Zukunft.

Und mit Gott, den ich dicht bei mir fühlte.
Ganz tief in meinem Herzen.


Frohe Weihnachten und diesen Frieden an Alle.


23.12.2002 R.B.

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