Nicolai Rosemann

Ich, Präkog

Jede Nacht sehe ich die Zukunft.

Jedes Mal wenn ich die Augen schließe fährt ein Blitz durch mein Gehirn.

Vielleicht ist eine Gabe. Für mich ist es eine Qual. Seit Jahren lebe ich zwei Leben, deshalb schlafe ich kaum mehr.

Tagsüber lebe ich mein monotones, normales Leben.

Nachts lebe ich auch mein monotones, normales Leben. Aber eben das Leben des nächsten Tages.

Überraschungen gibt es keine. Zufälle gibt es keine.

Ich sehe nicht, ich weiß. Ich lebe nicht, ich kenne. Ich bin nicht, ich war.

 

Die Krähe sitzt auf der Stromleitung über mir und schaut mich an.

In ihren intelligenten Augen sehe ich Erkennen. Oder vielleicht Wissen. Sie ist wegen mir gekommen.

Ich bin nicht abergläubisch, eigentlich ein sehr unspiritueller Mensch. Trotzdem befasse ich mich mit diesen Dingen. Im Aberglauben vieler Menschen sind Krähen die Begleiter der Toten. Wer eine Krähe erkennt, erkennt sich Selbst. Seine Seele, sein sphärisches Sein. Die Krähe ist der Begleiter.

Plötzlich hebt der Vogel seinen Flügel, eine einzelne Feder gleitet zu Boden. Die Krähe schreit und wirft den Kopf herum.

Ich gehe hin und hebe die Feder auf. Wunderschön. Eine perfekte Feder.

Dann höre ich Bremsen quietschen. Ich hebe ab von der Erde. Die Zeit dehnt sich in die Ewigkeit aus. Ich nehme plötzlich viel mehr von der Umwelt wahr. Den Wind, den Lärm der Stadt, den Schrei der Krähe.

Dann durchschlage ich die Windschutzscheibe. Um mich wird es dunkel, sehr dunkel.

Die Krähe schreit ein letztes Mal.

Ende.

 

Ich wache auf und wische mir den kalten Schweiß von der Stirn. Dunkelheit.

Aber ich weiß, dass ich in Sicherheit bin. In der Wärme meines Bettes. Der kalte Griff des Alptraums verlässt meine Glieder und ich schlafe wieder ein.

 

Die Krähe sitzt auf der Stromleitung über mir und schaut mich an.

In ihren intelligenten Augen sehe ich Erkennen. Oder vielleicht Wissen. Sie ist wegen mir gekommen.

Ich bin nicht abergläubisch, eigentlich ein sehr unspiritueller Mensch. Trotzdem befasse ich mich mit diesen Dingen. Im Aberglauben vieler Menschen sind Krähen die Begleiter der Toten. Wer eine Krähe erkennt, erkennt sich Selbst. Seine Seele, sein sphärisches Sein. Die Krähe ist der Begleiter.

Plötzlich hebt der Vogel seinen Flügel, eine einzelne Feder gleitet zu Boden. Die Krähe schreit und wirft den Kopf herum.

Ich gehe hin und hebe die Feder auf. Wunderschön. Eine perfekte Feder.

Dann höre ich Bremsen quietschen. Ich hebe ab von der Erde. Die Zeit dehnt sich in die Ewigkeit aus. Ich nehme plötzlich viel mehr von der Umwelt wahr. Den Wind, den Lärm der Stadt, den Schrei der Krähe.

Wohl wissend was passieren wird gehe ich bis zur nächsten Hauswand.

Das Auto, das mich vorher erwischt hat, fährt an mir vorbei. Es ist rot.

An der nächsten Ampel bleibt es stehen. Zwei weitere Wagen und ein LKW fahren vorbei. Die Feder hebt langsam ab und landet vor meinen Füßen. Die Krähe schreit.

Ich atme auf und wäge mich in Sicherheit. Aber dann fährt plötzlich ein blauer Sportwagen auf den Gehsteig und kommt näher.

Der Fahrer, eine Frau, hat einen Lippenstift zwischen den Fingern und ein Handy in der anderen Hand. Auf ihrem Gesicht stehen Schweißporen, sie versucht, als sie mich sieht, den Wagen zu verreißen. Aber wie ein Pingpong-Ball schlingert der Wagen zwischen Hauswänden und dem LKW hin und her.

Ich stehe wie gelähmt da, die Feder in der Hand.

Ich hebe ab von der Erde. Die Zeit dehnt sich in die Ewigkeit aus. Ich nehme plötzlich viel mehr von der Umwelt wahr. Den Wind, den Lärm der Stadt, den Schrei der Krähe.

Dann durchschlage ich die Windschutzscheibe. Um mich wird es dunkel, sehr dunkel.

Die Krähe schreit ein letztes Mal.

Ende.

 

Ich wache wieder auf. Es ist 06:29.

Eine Minute bevor der Wecker mich sowieso aus dem Schlaf gerissen hätte.

Müde gehe ich zum Fenster, schnappe mir ein Handtuch. Dann erstarre ich.

Auf dem Fensterbrett sitzt eine Krähe und schaut mich an.

„Ist es soweit?“

Die Krähe wirft den Kopf herum, schreit und fliegt dann weg. Auf der Fensterbank bleibt eine Feder zurück. Die perfekte Feder.

 

Heute bleibe ich zuhause und versuche zu schlafen.

Das erste Mal seit Jahren kann ich schlafen. Es ist ein Segen und eine Qual zugleich. Denn das Ausbleiben meiner Träume kann nur eines bedeuten. Es gibt nichts mehr zu zeigen, zu erleben. Ich werde heute sterben.

An jedem anderen Tag hätte mich die Gabe, die Qual, ohne Zögern eingetauscht. Aber jetzt kriecht eine kalte Angst in mir hoch, die mich langsam zerfrisst.

Diese Unruhe ist unerträglich.

Schließlich, als ich ausgeschlafen habe, ergebe ich mich meinem Schicksal. Ich schreibe meine letzten Erlebnisse nieder, sie sollen für Nachwelt erhalten bleiben. Sie sollen meine Qual schildern, die mich Jahre lang begleitet hat.

Ich habe keine Freunde, keine Familie, die das hier verfolgen könnten. Ich bin allein.

Ich gehe.

 

Als ich das Haus verlasse sehe ich die Krähe wieder.

„Ist es soweit.“

Die Krähe schweigt. Sie wirft den Kopf herum, eine einzelne Feder gleitet zu Boden. Sie ist grau, nicht schwarz wie in meinem Traum.

„Bin ich frei?“ frage ich. Die Krähe schreit. Dann wird die Feder schwarz. Die Feder gleitet in meine Hand.

Es ist vorbei.

Diese Geschichte setzt sich genauso wie Samariter mit dem Thema der Telepathie auseinander. Verfasst habe ich die Geschichte im Verlauf eine SeminarsNicolai Rosemann, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.05.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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