Thomas Kleinrensing

Selbstgespräch Nr. 11


Eigentlich möchte ich gerne nochmal so alt sein wie ich mich fühle. Oder besser gesagt, so jung sein wie ich alt bin, generalüberholt mit Langzeit Garantie. Neu gebraucht und jung durchs Alter. Nicht dass ich mich jetzt falsch verstanden habe. Auf keinen Fall – For ever young -. Das war der Wunsch der Junges von Alphaville. Es wäre auch viel zu teuer, mir einmal jährlich die Haut vom Hintern bis ins Gesicht nachspannenzulassen und jeden Monat meine Haare zu färben. Ich glaube das ich sagen will, ich möchte so jung sein, wie die Würde meines Alterns es zulässt.  

Ich werde laut Statistik in nicht so ferner Zukunft zu der neuen dynamischen Generation gehören, die nicht mehr auf Opa und Oma reduziert ist. Die Zeiten, dass man als alter Trottel mit einem Gläschen Schnaps in eine Ecke gesetzt oder zum Kaffeetrinken als Gewissen beruhigendes Dekorationsmittel eingeladen wird, sind endgültig vorbei. Heute kann man auch einem 60+ nicht mehr trauen. Die Dynamischen können allemal heute noch die Welt nachhaltig verändern, auch die eigene in den vier Wänden, so dass Du dich selbst mit 50+ nicht mehr zurechtfindest.

Bei einem Kassenstau im Supermarkt, verursacht durch einen liegengebliebenen Rollator Veteranen, sind die Start Up Rentner schneller an der zweiten Kassiererin als ich. Die erobern bei Alanya ohne jegliche Kriegserfahrung, nur mit Badelatschen und Handtüchern bewaffnet, die Küste und bringen den Türken deutsche Tugenden mit Bockwurst, Schwarzbrot und Hefeweizen bei. Die alten Wilden von gestern sind die jungen Eroberer von heute, denke ich.

Ich verfalte mich in eine Gesellschaft hinein, in der alt werden nicht mehr gleichzusetzen mit Kaffee-und-Kuchen-Fürsorge ist. Vergreisung beginnt erst, wenn man nicht mehr alleine vom Mountainbike absteigen kann. Glücklich dann jene, die auch nicht mehr wissen wie sie auf das Vehikel rauf gekommen sind. Ich sehe in nicht so ferner Zukunft, dass der Gebrauch und die Verwendung des Adjektivs alt gesetzlich erst ab Erreichen eines neuen Grenzwertes jenseits der Achtzig und Afrika gestattet sein wird. Ab diesem Zeitpunkt wird das Wort Seniorenteller als Diskriminierung gewertet und zum Unwort des Jahres gekürt. Ich sollte mich eigentlich freuen.

Die flotten Jungalten kleiden sich heute nicht mehr Ton in Ton in der Öffentlichkeit. Schon gar nicht gedeckt vornehm zurückhaltend. Heute trägt man entweder die neontrendigen Klamotten seiner Enkelkinder auf oder lässt sich in Signalbeige und Blassgrün bei Jack Wolfskin für die Großen Abenteuer des Northern Walking im Stadtpark oder auf La Palma ausrüsten.

Mir fällt eine Aussage von Ernst Bloch ein. - Das Alter ist nicht das Ende sondern die Ernte -. Mein Vater konnte das damals nur missverstehen. Der hat seine Ernte 23 wie ein Schlot noch vor dem Jüngsten Gericht geraucht. Dagegen erntet Charlotte Klamroth aus der BASF Stadt Ludwigshafen, mit 111 Jahren der älteste Mensch Deutschlands, nach Bloch mit vollen Händen, aber sie raucht nicht. Laut Medienberichten soll sie geistig und körperlich noch recht agil sein. Ob die chemische Zusammensetzung der Luft der Chemiemetropole konservierend und stimulierend wirkt und eventuell Doping vorliegt, ist mir nicht bekannt. Plastiktüten zersetzen sich bekanntlich auch erst nach 450 Jahren.

Ob das nun Hoffnung oder Anlass zur Sorge gibt und Ludwigshafen zum Jungbrunnen für Hundertjährige werden kann, wage ich nicht einzuschätzen ist aber vorstellbar. Allerdings hat Johannes Heesters, der noch mit 105 Jahren am Alten Schauspielhaus Stuttgart im Jedermann die Rolle von Gott gespielt hat und bis zu seinem Tode in 2011 im Luftkurort Starnberg in Oberbayern lebte, ohne Zusatzstoffe die hunderte Marke übersprungen. Merke: Auch saubere Luft ohne Konservierungsstoffe kann positiven Einfluss auf die Lebenserwartung und Haltbarkeit von Verpackung und Inhalt haben.

Unabhängig davon bin ich überzeugt, dass bald alte Menschen aus unserem Straßenbild verschwunden sein werden. Die Fußgängerzonen werden als dann von den jungen Alten bevölkert und diese werden der postindustriellen Gesellschaft ein neues Profil geben. Altern wird dann nicht mehr mit der Zeit die man hinter sich hat, sondern mit der Zeit die einem noch bevorsteht, definiert. Hoffnungsfroh stimmt mich, dass eventuell eine neue Kultur der Muße dem aufgeregten und überbordenden jungen Leben eingeträufelt wird. Speziell wir Deutschen haben in dieser Hinsicht noch einiges nachzuholen.

Mit den Erkenntnissen zwischen Lebensmitte bis verlangsamt älter, bald schon statistisch festgelegt zwischen 20 und 75, können wir nicht nur im Alltäglichen gut mithalten sondern auch unsere Erfahrungen mitteilen, vorleben und aktiv erweitern. Um mich herum sind dann nur noch junge Altklugdeutsche. Ich glaube, dass wir immer zeitloser sein werden und sein müssen um nicht altbacken zu sein. In der kommenden Zeitrechnung wird das Älterwerden nur noch in Zehnjahresschritten gerechnet. Ich kenne allein zwei aus meinem Freundeskreis die ihren 54zigsten Geburtstag seit 2010 immer wieder jährlich wiederholt begehen. Die werden einfach nicht älter. Die befinden sich in einer vierundfünfziger Geburtstags Dauerschleife und das mit Lichtgeschwindigkeit, Einstein wird es relativ froh stimmen. In einem Jahrhundert wird es voraussichtlich gar keine Zeitrechnung mehr für die menschliche Vollreife bis zum Fallobst geben.

Ab dann werden Altenheime in  Alpha Villen umbenannt, sind wir wieder ein Volk von alten neuen und jungen Deutschen und bleiben For ever young. Ich ersehene mir allerdings, dass wir dann nicht noch mal deutsche Geschichte machen werden, aus junger Selbstvergötterung und altem Gedankengut. So jung wollen wir wohl nicht mehr werden, hoffe ich.

Der Tom
11. März 2015
www.tom-kleinrensing.de
 

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