Nach der Bedeutung der Buchstaben-folge www suchend, hatte ich eine Idee: Was wirkt wirklich? Ich lernte. Es stimmte nicht. Die Idee kam erst wieder, als mir ein Stationsarzt mit einer kleinen Taschenlampe in die Augen leuchtete. „Ihr Hausarzt meint, dass seine Mög-lichkeiten in Ihrem Falle nicht wirklich wir-ken. Deswegen sind Sie hier und bestimmt besser aufgehoben.“ Einen Moment schwieg er fast an-dächtig. Es war wohl der Geruch von vorges-tern genossenem Knoblauch, der seinen ers-ten Satz beeinflusste. „Ich kann ihre Krankheit riechen.“ Eine erste Diagnose. Er bemühte kei-ne Fachbegriffe seiner Zunft, sondern schwieg weiter. Kopfschaukeln. Ich hinterfragte nicht, blieb still und bemüht, seine Kompetenz zu achten. Später kam der Chefarzt. Er saß kurze Zeit auf dem Klinikhocker. „Wir werden die Auswertung des La-bors abwarten. Dann können wir über die Therapie entscheiden.“ „Was sagen Sie denn selbst?“ „Ich möchte ganz sicher sein, daher brauche ich zunächst die Laborwerte.“ Ich dachte kurze Zeit an meine Mut-ter, die vor einigen Jahren an einer bis dahin nicht erkannten Krankheit verstorben war. „Sie haben gesagt, dass die Blutwerte nicht in Ordnung sind. Hat das mit dem Kno-chenmark zu tun?“ Die Frage verwaiste. Krank sein ist wie Aussteigen aus ei-nem Zug, der unerwartet in einem unbe-kannten Bahnhof hält und stehen bleibt. Die Fahrt ist zu Ende. Die Fahrgäste müssen aus-steigen. Stimmen: „Hoffentlich gibt es eine Hilfe beim Aussteigen.“ „Kann mir jemand die Hand reichen?“ „Der Arzt ist noch nicht da.“ „Er kommt erst, wenn die Formulare ausgefüllt und unterschrieben sind.“ Unterschriften sind geldwert. Der Bahnsteig unbekannt. Der Bahn-hof fremd. Keine Unterkunft. Nur dieses Bahnhofshotel. Eine Klinik. Die stummen Gleise führen nah an ihr vorbei. Reisende in den Wagons rollen zu ih-ren Zielbahnhöfen. Ob sie dort ankommen werden, können sie nicht wissen. Sie hoffen. Ich reise nicht. Nicht mehr in einem dieser Wagons. Hier tragen die Wichtigen weiße Kittel. Die ganz wichtigen Kittel mit Rockschoss. Manchmal treten sie wie eine Horde auf. Ei-ner trägt den Fahrplan. Der heißt Kurve. Die enthält meine klinischen Daten. Was kann ich tun?. An eine Weiter-fahrt ist jetzt nicht zu denken. Ich muss mei-ne Situation erst richtig begreifen. Ich suche. Verstehe meine Lage nicht. Wie, krank? Ich möchte mit jemandem spre-chen. Außerhalb der Klinik. Zum Glück habe ich noch mein Mobiltelefon. Man hat Ver-botsschilder für Mobiltelefone aufgehängt. Kaum ein Weg nach draußen. Ist das Wetter auch krank? Manche sagen das. Das Wetter können selbst die Weißen nicht ändern. Manche von ihnen lächeln wohlwol-lend. Sie scheinen den Fahrplan gut zu ken-nen. Für mich wie ein Quiz. Wann kommt der nächste Zug, der hier außerplanmäßig hält? Auf den Schienen draußen rollen die Eisenräder, darüber die Kästen mit den Hoff-nungen. Stille. Niemand kommt. Die Weißen besprechen sich. Das dauert. Der Bahnhof kann nicht schlafen. Mein kleines Leben blinzelt. Es wird ein Morgen geben. Die Weißen kommen wieder. „Schauen wir doch einmal in die Un-terlagen.“ Sie schauen in die Kurve. Früher be-stand die Kurve in den Aufzeichnung der Fie-berwerte. Sie hing am Fußende des Kran-kenbettes. Ich denke spontan an die Fieber-kurven der Börsen. Wie die Fieber bekom-men können? Da wirken spekulative Kräfte mit. Und Hoffnungen. Ich hoffe. Ohne Hoffnung kann man nicht gesunden. Der Arzt hat die letzten Laborwerte erhalten. Sie stehen auf einem DIN A 4 – Blatt. Da sind etwa 30 Zahlenreihen zu er-kennen, Plus- und Minuszeichen, Grenzwer-te. „Wo kommen denn die Grenzwerte her?“ „Da gibt es Untersuchungen und Ex-pertisen.“ „Treffen diese Grenzwerte auch auf mich zu? Jeder Mensch ist ja schließlich an-ders.“ Der Arzt nickt und studiert die Zahlen-reihen. „Wir werden die Dosis verändern. 5 mg mehr. Das müsste genügen.“ „Was wird das bewirken?“ „Das werden wir dann sehen.“ Vorne, auf der anderen Seite der Kli-nik, fern den Gleisen, mit Blick auf die Straße zur Stadt, in der Cafeteria des Hauses, sitzen Leute. Ein paar von ihnen rauchen. Viele Zi-garettenstummel liegen verstreut auf dem gepflasterten Boden. Das sieht nicht gut aus. Sie reden über Fälle. „Ich kenne da einen Fall, da hat die ärztliche Kunst nicht viel bewirkt.“ „Es gibt immer solche Fälle.“ Sie trinken. „Was macht man, wenn etwas nicht so wirkt, wie man es sich vorgestellt hat? Man kann ja nicht nur warten.“ Meine nächsten Laborwerte sind erst in zwei Tagen da. Das Labor ist überlastet. Bei Überlast reißen die Fäden. Der Arzt kommt etwas später zur Visi-te. Es gibt eine neue Therapie. In dem Hotel am Bahnhof sind noch Zimmer frei. Die Internetadresse beginnt mit www. www – Was wirkt wirklich?
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.08.2015.
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