Christa Astl

Nikolausvorabend


 
Auch in die hohen Tiroler Berge kommt der Nikolaus, und er kommt meistens nicht allein. Da hat er ganz schwarze, zottige, lärmende, wilde Gesellen mit, die Krampusse. Schon Tage vorher und auch danach noch sind diese unterwegs, um schlimme Kinder zu bestrafen oder mit der Rute heim zu treiben, wenn sie bei einbrechender Dunkelheit noch im Freien sind. Die meisten Kinder fürchteten sich davor und waren in dieser Zeit besonders brav.
Der Seppl, der Hansl und der Rupert wollten aber gar nicht brav sein. Sie waren auch in der Schule die größten Lausbuben, die nie dem Lehrer folgten und deshalb oft Strafarbeiten schreiben mussten oder gar länger in der Schule bleiben. Natürlich hatten sie auch nur selten die Hausaufgaben, sie hatten ja anderes zu tun als daheim am Tisch zu sitzen, zu schreiben, zu rechnen und zu lernen. Sie gingen zum nahen Teich um zu fischen, kletterten auf alle Bäume, um Vogelnester zu suchen, jagten des Nachbars Hühner in fremde Gärten, beschmutzten die Wäsche einer Nachbarin, die sie im Garten zum Trocknen aufgehängt hatte, stellten einer alten Frau ein paar Bretter von die Haustür, so dass sie diese nicht mehr öffnen konnte, ja nicht einmal die Tiere des Dorfes hatten ihre Ruhe vor diesen Bösewichtern.
Und diese drei hatten auch vor niemandem Angst, vor allem wenn sie alle beisammen waren. Da lachten sie sogar den Lehrer aus. Es war also klar, dass die sich auch nicht vor einem Krampus fürchteten, - solange sie beisammen waren. Und deshalb waren sie am Vorabend des Nikolaustages auch nicht rechtzeitig zu Hause. Die Eltern hatten wohl ihre liebe Not mit diesen Buben.
Am Nachmittag war eine Schar Kinder auf dem kleinen Hügel hinter dem Dorf am Rand des Waldes. Da es in der Nacht zuvor geschneit hatte, wurden zum ersten Mal die Schlitten hervorgeholt. Im Saus ging es den Hügel hinunter, manche spannten ihr Schlitten zusammen wie einen langen Zug, damit sie noch mehr Fahrt bekamen, und es war ein lebhaftes Treiben. Wie schnell war der Nachmittag vergangen, und ganz leicht begann es schon zu dämmern. Einige Mütter riefen nach ihren Kindern, einige kamen heute sogar, um sie selber abzuholen. Allmählich leerte sich der Hang. Nur unsere drei Lausbuben, die ja nicht einmal den Teufel, erst recht nicht einen Krampus fürchteten, blieben. Auf einmal vernahmen sie aus dem nahen Wald ein Trommeln und Grölen. „Ja, ja, kommt nur, ihr Krampusse, dann schlagen wir euch recht her!“ spotteten der Seppl und der Hansl. Der Rupert war aber auf einmal still geworden. Ganz wohl war ihm nicht mehr. Gerne wäre er jetzt noch nach Hause gerannt, aber da tauchten die schwarzen Gesellen auch schon am Waldrand auf. Und seine Freunde sollten nicht merken, dass er sich fürchtete. Immer näher kamen die Krampusse, immer stiller wurden auch die anderen beiden Buben. Plötzlich machte Seppl einen Satz zur Seite, wollte davonlaufen, doch schon hatte ihn ein Krampus mit seiner rußgeschwärzten Hand am Arm gepackt. Und einen Lärm machten die! Sie bliesen in Bockshörner, schlugen auf ihre Blechbüchsen, die sie als Trommeln umgehängt hatten, und sprangen mit wilden Schreien um die drei Buben herum. Dann trieben sie sie heimwärts. Am Dorfplatz teilten sich die Wege, und jeder der drei Krampusse geleitete einen ganz stillen, verängstigten Buben heimwärts, indem er seine Rute mehr als einmal auf dessen Rücken zischen ließ. Die Eltern und Geschwister warteten natürlich zu Hause und empfingen sie mit Mitleid, aber auch einer Portion Schadenfreude. Strafe brauchten der Seppl, der Hansl und der Rupert keine mehr, sie hatten genug Ängste ausgestanden und auch die Rutenstreiche brannten auf ihren Rücken. Aber über die Geschenksäckchen, die dann der Nikolaus doch noch da gelassen hatte, freuten sie sich doch.


ChA 2010

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.12.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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