Christine Wolny

Der kranke Nikolaus

Gerade im Dezember wurde der Nikolaus krank. Er hustete, nieste, schnupfte und schwitzte. Seine Wangen waren gerötet, und auch seine Nase leuchtete über den weißen, langen Bart.
Ein Engelchen legte ihm die zierliche Hand auf die Stirn und stellte verwundert fest: "Du hast ja Fieber! Wahrscheinlich kannst Du diesmal nicht auf die Erde herunter. Du musst ins Bett."


Das versetzte dem Nikolaus einen gehörigen Schreck, denn er freute sich besonders auf seinen alljährlichen Weihnachtsauftrag. Er lernte im Laufe seines langen Lebens viele, viele Kinder kennen. Manche hatte er richtig lieb gewonnen, und deswegen konnte er es sich gar nicht vorstellen, in diesem Jahr oben im Himmel zu bleiben.
"Ich werde bis dahin wieder gesund. Es sind ja noch zehn Tage bis zu meiner Reise auf die Erde. Schade, dass ich Euch bei den vielen Weihnachtsvorbereitungen nicht helfen kann. Meine Knie sind wirklich weich, und schwindelig ist mir´s auch im Kopf," sagte der Nikolaus zu seinen Engeln, die besorgt dreinschauten.


"Ich begleite Dich und helfe Dir und passe auf Dich auf", erwiderte da ein kleines Engelein, das erneut die Temperatur des Nikolaus überprüfte.
Es war noch nie auf der Erde. Durch das Erzählen der anderen Engel und des Nikolaus wurde es neugierig, und nun wollte es alles selbst erleben. Es war das Jüngste der Engelchen, und der alte Nikolaus hatte es besonders gerne. Wenn er von seinen Erlebnissen auf der Erde erzählte, hörte es ihm aufmerksam zu. So kannte es viele Namen von den Menschenkindern, und der Nikolaus berichtete von ihren Sorgen und Wünschen. Dadurch konnte sich das Engelchen ein Bild von ihnen machen, obwohl es die Kinder nur vom Hören-Sagen kannte.


Der Nikolaus schaute mit seinen gütigen Augen zu dem Engelchen hin und meinte: "Da kann mir ja gar nichts passieren, wenn Du mitkommst." Und das Engelein strahlte. Vor Freude holte es sein Instrument hervor und blies darauf schöne Lieder. Das gefiel dem Nikolaus besonders.


Die kommenden Tage vergingen wie im Fluge. Die Engel arbeiteten pausenlos. Oft holten sie sich Anweisungen beim Nikolaus, der nur widerwillig im Bett liegen blieb. Doch er sah es ein, dass die Engel es gut mit ihm meinten, wenn sie ihm Holundertee kochten, ihn einrieben und Wadenwickel machten. Er schwitzte sehr unter dem Federbett, und es half. Nach einer Woche hielt er es im Bett nicht mehr aus. Er fühlte sich besser und bedankte sich bei den fleißigen Engeln, die in der Zwischenzeit viele hübsche Geschenke gebastelt hatten.


"Auf Euch kann ich mich eben verlassen", sagte er zu ihnen, und das Lob war Dank genug.
Die Wunschlisten mussten noch überprüft werden. Einige Luxusartikel wurden gestrichen und durch nützliche Geschenke ersetzt. Lange Wunschzettel wurden gekürzt und bescheidene Wunschzettel verlängert.
Das Einpacken der Geschenke war Engelarbeit. Sie hatten sehr geschickte Finger und verstanden ihr Handwerk. Mit Schleifen und Sternen und Herzen und Glanzpapier zauberten sie die schönsten Päckchen. Dabei lachten sie, und ihre Augen leuchteten.

"Ja, Freude bereiten macht selbst viel Freude", sagte der Nikolaus mit seiner tiefen Stimme, und die Engel mussten ihm Recht geben.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.11.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Ein Tag im Februar des Jahres 2006. Der EDV- Fachmann Klaus Gruschki kann kaum ausdrücken, was er empfindet, als er seine neugeborene Tochter Leoni im Arm hält. Seine Frau Michaela und er sind die glücklichsten Menschen der kleinen, süddeutschen Provinzstadt und voller Vertrauen in die gemeinsame Zukunft. Doch die Beziehung und das Glück zerbrechen. Auf einmal ist Klaus allein und Michaela mit Leoni verschwunden. Erst nach langer Suche und mit großen Mühen gelingt es dem Vater, Mutter und Kind wieder zu finden und den Kontakt zu Leoni neu herzustellen. Dann entzieht ein bürokratischer Akt dem Vater die gemeinsame Sorge fürs Kind. Gruschki weiß sich nicht anders zu helfen, als seinerseits mit der Tochter heimlich unterzutauchen. Nach einer dramatischen Flucht wird er in Österreich verhaftet und Leoni ihm gewaltsam entrissen. Er kommt in Haft und wird als Kindesentführer stigmatisiert. Doch Klaus Gruschki gibt den Kampf um sein Kind und um Michaela nicht auf …

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