Jennifer Beckmann

Weihnachten wie früher

Es ist der 06. November und ja es geht mit riesigen Schritten auf Weihnachten zu. Weihnachten habe ich aus meiner Kindheit in unbeschreiblich schöner Erinnerung. Meine Mama hat Gänsebraten gemacht. Die ganze Wohnung roch danach. Wir hatten immer einen echten Tannenbaum. In schlechten Zeiten, als wir kein Geld hatten für Christbaumkugeln hingen kleine, von meiner Mama selbstgestrickte Weihnachstmänner im Baum. Wir warteten am Nachmittag mit dem Fernsehen aufs Christkind. Irgendwann so gegen fünf oder sechs Uhr klingelte dann endlich dass Glöckchen. Das hieß das Christkind war da, hatte Geschenke gebracht und jetzt durften wir endlich ins Wohnzimmer. Wir durften immer erst die Geschenke auspacken und mussten erst danach an den Esstisch. Es gab jedes Jahr einen bunten Teller. Auf diesem Teller waren Leckereien aus Nougat, Marzipan, und Baumstämme von Aldi, die vorher immer von Mama gut versteckt wurden, damit sie uns diese am heiligen Abend auch hinstellen konnte. Es wurden schon Wochen vorher Kekse gebacken. Zig Dosen war voll damit und an Weihnachten waren meistens alle aufgegessen.

Das war Weihnachten vor 25-30 Jahren. Wir wurden älter und es veränderte sich komischerweise gar nicht wirklich viel oder doch?

Man war zum ersten mal wirklich verliebt. Aber wir beide hatten Eltern und es gab nur zwei Möglichkeiten. Entweder man sah seine Liebe nicht oder man musste sich gerecht aufteilen und die eine Hälfte des Abends hier und die andere dort verbringen.

Aber wohin geht man zuerst? Das Gewissen kam zum Weihnachtsfest hinzu.

Wie stellte man es an, dass keine von beiden Familien verletzt war?

Haben wir das immer hinbekommen? Ich befürchte nicht aber wir haben es versucht.

Und dann fing es an, wem schenke ich was. Die Besorgungen die man machen musste wurden immer mehr. Das Geld hierfür immer weniger. Geld schon wieder so was. Das war in Kindertagen niemals ein Problem. Es wurde gebastelt und gemalt. Es wurden Gutscheine für Frühstück am Bett u. s. w. verschenkt und damit war alles in Ordnung.

Von weit in Ordnung sind wir heute leider weit entfernt. Inzwischen bin ich selbst 31 Jahre alt. Unser Weihnachtsfest hat sich immer mehr zur Hetze und zum Fest der Unzufriedenheit entwickelt. Inzwischen hetze ich nicht mehr hin und her, weil meine Mutter leider verstorben ist und mein Bruder sein eigenes Familienfest daraus gemacht hat (zu recht). Im letzten Jahr habe ich es sogar geschafft, meinen Mann vor versammelter Mannschaft und vor seiner Familie anzubrüllen. Das essen blieb mir fast im Hals stecken, als ich mir darüber klar wurde was hier eigentlich passiert.

Weihnachten ist nicht mehr schön. Weihnachten ist Stressprogramm pur und zwar für alle beteiligten.

An diesem Festtag beschlossen wir, dass sich das ändern muss. Für dieses Jahr haben wir geplant einen Tag nur für uns zu nehmen. Nur wir zwei, mein Mann und ich. Wir werden einen Weihnachstbaum aufsetzen und zwar am Heiligen Abend, gegen Mittag. Den Baum holen wir erst morgens. Wie früher werden wir uns dann den schönsten von den noch übrigen krummen aussuchen und ihn hoffentlich wunderbar finden. Die Geschenke werden sehr klein ausfallen aufgrund von Arbeitslosigkeit, die auch an uns nicht spurlos vorüber gegangen ist. Aber wir werden „unser“ Weihnachtsfest haben.

Vielleicht ist das eine Chance, das wunderschöne aus unserer Kindheit ein wenig zurück zu gewinnen. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Mein größter Wunsch ist dieses Jahr, dass wir endlich einmal wieder ein schönes Weihnachtsfest haben werden. Ein Geschenk, das einem niemand außer man selbst schenken kann. Es wird Gänsekeulen mit Knödeln und Rotkohl geben. Auch das ein Stückchen Erinnerung von früher. Es ist doch ein schönes Gefühl, dass einem das althergebrachte die meiste Freude bereiten kann, finde ich jedenfalls.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.11.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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