Lilly Stein

Ein etwas anderer Weihnachtswunsch

„Akute lymphatische Leukämie“. Die Diagnose war ein Schlag ins Gesicht.

Angefangen hat alles mit ganz einfachen Anzeichen einer Grippe. Die Kleine hatte hohes Fieber, das einfach nicht zu senken war, sie fühlte sich schwach, war ständig müde, klagte bei der kleinsten Bewegung über Knochen- oder Gelenkschmerzen.

Natürlich ging ich umgehend mit ihr zum Kinderarzt, der sofort auf die geschwollenen Lymphknoten der Kleinen aufmerksam wurde und Blutuntersuchungen anordnete.

Diese Blut-Ergebnisse stellten sich leider als nicht normal heraus und so wurde meine kleine Tochter nur zwei Tage darauf ins Krankenhaus eingeliefert.

Sie musste zunächst eine Knochenmarkbiopsie über sich ergehen lassen, aber sie war sehr sehr tapfer. Außerdem musste meine Kleine noch eine sogenannte Liquorpunktion durchstehen, bei der Proben der Rückenmarksflüssigkeit entnommen werden und unter dem Mikroskop untersucht werden, um zu sehen, ob gegebenenfalls Leukämiezellen vorhanden sind.

Ein paar Tage später kam dann die niederschmetternde Diagnose: Es war tatsächlich Akute lymphatische Leukämie.

Akute lymphatische Leukämie (kurz: ALL) ist die häufigste Leukämieform und auch die häufigste Krebsart bei Kindern und eine Erkrankung, bei der viel zu viele weiße Blutkörperchen, Lymphozyten genannt, im Körper produziert werden.

Dadurch das der Körper so eine enorme Anzahl dieser Lymphozyten produziert, entwickeln sich die einzelnen Blutkörperchen nicht richtig und sind unbrauchbar. Leider werden Lymphozyten dringend für die Bekämpfung von Infektionen, Bakterien und anderen Krankheitserregern gebraucht und sind damit lebensnotwendig.

Akut bedeutete überdies, dass die Krankheit schnell fortschreiten würde und den Ärzten nur wenig Zeit zum Handeln bleibt. Die Heilungschance hängt zwar generell vom Alter des Kindes bei der Diagnosestellung ab, aber mit ihren vier Jahren diagnostizierten die Krebsspezialisten meiner Kleinen nur sehr wenig Hoffnung auf Genesung.

Was nach der Diagnose folgte, war ein langer und harter Kampf gegen den Krebs und ein monatelanger Aufenthalt in der Kinderklinik.

Zunächst bekam die Kleine zur Abtötung der Krebszellen starke Medikamente verabreicht – eine so genannte Chemotherapie. Ihr kleiner Körper wurde zusehends schwächer, sie war blass und schmal, doch der gewünschte Erfolg stellte sich nicht ein.

Der zweite Versuch – eine Strahlentherapie – ließ ihre wunderschönen blonden Locken ausfallen, der Krebs hielt sich jedoch hartnäckig.

Die letzte Chance war eine Knochenmarkstransplantation. Diese relativ neuartige Behandlungsmethode baut darauf auf, dass für den Patienten ein geeigneter Spender gefunden wird, also eine Person deren Gewebe dem Gewebe des Patienten gleicht, und der auch bereit dazu ist, sich bei einem kleinen Eingriff sein gesundes Knochenmark entnehmen zu lassen.

Der Spender kann ein Zwilling sein (der günstigste Fall), ein Bruder oder eine Schwester oder auch eine nicht verwandte Person.

Meine Kleine war leider ein Einzelkind und somit wurde sie auf eine lange Warteliste gesetzt und von Tag zu Tag verschlechterte sich ihr Zustand. Die Aussicht auf einen geeigneten Spender war verschwindend gering.

An einem Sonntag, an dem es meiner Tochter besonders schlecht ging – es war der dritte Advent – gab es einen Lichtblick auf der Kinderintensivstation des Krankenhauses: Das Christkind persönlich hatte sich angemeldet, um die kleinen Patienten zu besuchen.

In ihrem weiß-golden funkelnden Kostüm mit der rauschenden Lockenmähne und der glitzernden goldenen Krone auf dem Kopf kam die junge Frau zu jedem der kleinen Patienten ans Bett und unterhielt sich mit den schwerkranken, aber für einen kurzen Moment strahlenden Kindern.

Als meine Kleine an der Reihe war und der schöne Weihnachtsengel sich auf ihre Bettkante setzte, lief mir eine Träne über die Wange. So glücklich hatte ich meine Tochter seit langem nicht mehr gesehen.

„Was wünschst du dir denn vom Christkind, meine Kleine?“ fragte die junge Frau im Kostüm. „Ich wünsche mir…“ antwortete meine Tochter zaghaft, „…dass ich meinen Geburtstag im nächsten Frühling noch erlebe. Ich will doch so gerne sechs Jahre alt werden und dann ein richtiges Schulkind sein.“

Die Frau in Chriskind-Gestalt stockte kurz und ich erkannte den Schreck, den ihre diese unschuldige Kinderbitte versetzt hatte. Nach dem sie sich jedoch sofort wieder gefangen hatte, antwortete sie professionell: „ich werde sehen was ich tun kann, sei tapfer kleine Prinzessin.“ Sie gab meiner Tochter einen Kuss auf die Stirn und wanderte weiter zu den anderen Kindern auf der Station.

Ein passender Knochenmarksspender wurde in den kommenden Wochen leider nicht gefunden und so hat meine Kleine vier Monate später dann den Kampf gegen den Krebs verloren. In meinen Armen ist sie in dem viel zu großen weißen Krankenhausbett sanft und schmerzfrei eingeschlafen. Genau einen Tag, nach ihrem sechsten Geburtstag.

Vielen Dank liebes Christkind, dass du meinem Engel diesen letzten Wunsch erfüllt hast.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.02.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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